- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Schrottmarktbericht: Intransparent

Nach zum Teil wenig harmonischen Verhandlungen und einer je nach Werk reduzierten Produktion, verbunden mit regional sehr unterschiedlichen Zukaufmengen, senkten die deutschen Stahlwerke die Schrottpreise im Berichtsmonat Juni um bis zu 10 Euro pro Tonne. Der sehr lebhafte Export verhinderte deutlichere Abschläge.

Wie schon in den Vormonaten, war der Zukaufbedarf der Flach- sowie einiger Langstahlhersteller sehr gering. Möglicherweise hat das Ausschöpfen bestehender Rahmenverträge mit bestimmten Lieferanten eine ausreichende Versorgung ermöglicht. Verwundert zeigten sich einige Marktteilnehmer über die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Marktbewegung und den veröffentlichten Preisen, was auf eine geringe Menge an Meldungen zurückzuführen sein könnte.

Die Schrottnachfrage der Bau- und Betonstahlhersteller im Osten und Südwesten Deutschlands war dagegen erfreulich. Die Werke senkten die Preise um durchschnittlich 10 Euro pro Tonne und erreichten so wieder das Preisniveau vom April. Die erhöhte Lieferleistung vor allem tschechischer Anbieter sorgte zusätzlich für die ausreichende Bedarfsdeckung. Unklar blieb der tatsächliche Bedarf der norddeutschen Werke. Ein Verbraucher soll keinen Bedarf gehabt haben, der andere nur geringe Mengen nachgefragt haben. Die Einkaufspreise lagen je nach Sorte und Lieferant bei einem leichten Plus oder einem Abschlag um bis zu 10 Euro pro Tonne. Der Bedarf im Nordwesten war durch temporäre Stillstände bei zwei Verbrauchern mit Preisabschlägen je nach Werk und Sorte von 9 bis 12 Euro pro Tonne geringer als im Vormonat. Sowohl die Produktion der Elektrostahlwerke als auch der integrierten Werke waren im Westen ebenso reduziert. Nur ein Verbraucher zeigte zu unveränderten Preisen einen geringen Zukaufbedarf im Handelsmarkt. An der Saar war der Bedarf nochmals geringer als im Vormonat, zumal die Gusswerke Saarbrücken Insolvenz anmelden mussten. Die Einkaufspreise fielen um 10 Euro pro Tonne. Dagegen war der Schrottbedarf im Südwesten Deutschlands normal. Dort erfolgte der Einkauf je nach Sorte und Lieferant in einem Preiskorridor zwischen einer Reduzierung um 7 Euro und einem Aufschlag von 5 Euro pro Tonne gegenüber dem Vormonat. Im Süden lagen die Abschläge bei verminderter Produktion je nach Sorte bei 10 bis 17 Euro pro Tonne. Die Werke im Südwesten und Süden konnten bei der Beschaffung vom geringeren Bedarf und den relativ hohen Abschlägen der italienischen Mitbewerber profitieren.

Nachbarländer
Die Auslastung bei den italienischen Stahlherstellern ist ebenfalls noch uneinheitlich, aber weit entfernt von dem Niveau vor der Covid-19 Pandemie. Diejenigen Werke, die Schrott in Deutschland kauften, reduzierten die Preise je nach Verbraucher und Sorte um 8 bis 20 Euro pro Tonne. Die Werke scheinen bevorzugt auf inländische Anbieter zurückgegriffen zu haben. In Österreich boten die Werke den inländischen Lieferanten bei einem deutlich verminderten Bedarf unveränderte Preise an. Der Verbraucher in Luxemburg, der im vergangenen Monat entgegen dem Markttrend die Preise senkte, hatte in diesem Monat einen Bedarf, der vermutlich mehr als doppelt so hoch lag wie im Mai. Den meisten Lieferanten wurden Preiserhöhungen von 3 bis 5 Euro pro Tonne angeboten.

Kaum Bedarf hatten die Verbraucher in den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Sie senkten die Preise um bis zu 10 Euro pro Tonne. Polnische und tschechische Werke reduzierten ihre Schrottpreise wegen eines geringeren Bedarfs je nach Werk und Sorte schrittweise um 14 bis 23 Euro pro Tonne. Die dadurch vor allem aus tschechischer Sicht entstandene Preisdifferenz zu den Angebotspreisen der ostdeutschen Stahlwerke führte, wie oben erwähnt, zu einer stärkeren tschechischen Lieferbereitschaft. Die Schrottnachfrager in der Schweiz hatten einen geringen Schrottimportbedarf. Enge Lieferzeitfenster von nur wenigen Tagen erschwerten die Versorgung. Die Preisreduzierungen beliefen sich auf 8 bis 10 Euro pro Tonne. Die Verbraucher im Vereinigten Königreich, die im Berichtsmonat produziert haben, erhöhten bei geringem Bedarf ihre Einkaufspreise schrittweise um bis zu 9 Euro pro Tonne. Die Gießereien boten je nach Preisbasis im Vormonat unveränderte bis um 18 Euro pro Tonne höhere Preise an. Dennoch war auch auf der Insel die Auslastung der meisten Gießereien wegen der fehlenden Nachfrage der Automobilindustrie sehr schwach.

Gießereien
Die an keinen Preisindex gebundenen Gießereien haben ihre Schrotteinkaufspreise im Juni unverändert gelassen. Bei den meisten Herstellern ist die Auftragslage unzureichend. Insbesondere fehlende Abrufe und Bestellungen aus der Automobilindustrie nehmen immer mehr Gießereien die Luft zum Atmen. In der Folge mussten bereits Produktionsschließungen erfolgen. Belastend wirken die steigenden Roheisenpreise. Der Zukaufbedarf amerikanischer, aber vor allen Dingen chinesischer Verbraucher ermöglicht es den Herstellern, die Preise schrittweise zu erhöhen. Ihr Vorgehen wird zudem von den sehr festen Erzpreisen gestützt.

Verschnaufpause im Tiefseeexport
Zur Lieferung im Juni und Juli haben die türkischen Verbraucher rund 2,4 Millionen Tonnen Schrott im Tiefseemarkt zugekauft, woran die europäischen Exporteure ihren üblichen Anteil von rund 60 Prozent haben. Während der Zeit der Beschaffung haben die türkischen Nachfrager schrittweise Preiserhöhungen von letztendlich rund 30 US-Dollar pro Tonne akzeptiert. Zum Berichtszeitpunkt hatten sich die Importeure vom Markt zurückgezogen; und werden die möglicherweise ein- bis anderthalb Wochen andauernde Kaufpause nutzen, um die Preise auf ein ihren Vorstellungen entsprechendes Angebotsniveau zu senken.

[1]

Deutschland, Basisjahr 2015 = 100 (Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis)

Da der Bedarf für die Augustproduktion noch unklar ist und die Verkaufspreise für die Bewehrungsstähle derzeit etwas schwächer tendieren, darf man auf die neue Verhandlungsrunde gespannt sein. Mit starken Veränderungen wird nicht gerechnet. Neben der Türkei gab es für kontinentaleuropäische Händler im betrachteten Zeitraum kaum Absatzalternativen. So haben Indien, Pakistan und Bangladesch große Probleme im Kampf gegen Covid-19, obwohl die Stahlproduktion in diesen Ländern langsam wieder hochfährt.

Schlussbemerkungen
Die aktuellen Daten der Wirtschaftsvereinigung Stahl zur Rohstahlproduktion im Zeitraum Januar bis Mai bestätigen die Beobachtungen der Schrottwirtschaft hinsichtlich der unterschiedlichen Auslastung der Werke. Während im vorgenannten Zeitraum die Produktion der integrierten Stahlwerke um knapp 16 Prozent fiel, sank sie bei den Elektrostahlwerken um 8,4 Prozent. Im Monatsvergleich Mai sackte die Produktion insgesamt um 27 Prozent ab. Die Elektrostahlwerke steigerten ihren Ausstoß von April auf Mai um 11,2 Prozent beziehungsweise 92.000 Tonnen. Deutschland befindet sich laut Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums noch in einer tiefen Rezession. Die Konsumbereitschaft ist immer noch gering, und gerade die Stahlindustrie steht unter einem starken Wettbewerbs- und vor allem Preisdruck. Dieser könnte einerseits dazu führen, dass die Werke die Schrottpreise im kommenden Monat nochmals zurücknehmen, zumal die Schrottnachfrage durch Ferien und/oder betriebstechnisch bedingte Stillstände bei vielen Elektrostahlwerken im Juli und August rückläufig sein wird. Auf der anderen Seite könnten sich die noch auszuliefernden Exportmengen – gepaart mit dem ferienbedingt verringerten Schrottaufkommen – genauso gut preisneutralisierend auswirken.

Der Materialeingang beim Schrotthandel ist ein Gradmesser für die konjunkturelle Entwicklung. Der Neuschrott-Entfall ist durch die schwache Auftragslage in der Automobilproduktion und damit bei deren Zulieferern sowie durch die mangelnde Auslastung des Maschinen- und Anlagenbaus noch deutlich vom früheren Niveau entfernt. Das Altschrottaufkommen zieht nach Angaben des Handels an. Der Bedarf im Inland und die erfolgten Ausfuhren im Juni zeigen, dass das Schrottaufkommen zu steigen beginnt und als Zeichen einer langsam beginnenden wirtschaftlichen Erholung interpretiert werden kann.

Redaktionsschluss 23.06.2020, BG-J/bvse

(EU-Recycling 07/2020, Seite 30, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

[2]

Anzeige