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„EU-Plastiksteuer gefährdet Kreislauf­wirtschaft“

Der Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel zur Einführung einer neuen EU-Steuer auf nicht recycelte Kunststoffverpackungen stößt bei den Unternehmen der deutschen Kunststoff-verarbeitenden Industrie auf Unverständnis.

Michel hat am 10. Juli den Vorschlag gemacht, ab 1. Januar 2021 eine EU-Plastiksteuer zur Finanzierung des EU-Haushalts einzuführen. Damit will er die sogenannte Brexit-Lücke im EU-Haushalt schließen. Die Plastiksteuer soll dem Vorschlag zufolge ausdrücklich nicht zur Rückzahlung der Schulden aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds dienen, sondern in den allgemeinen EU-Haushalt fließen.

Konkret hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass ab 2021 die EU-Mitgliedstaaten 800 Euro pro Tonne nicht recycelter Kunststoffverpackungsabfälle zusätzlich in den EU-Haushalt einzahlen. Nach aktuellen Schätzungen würde die Plastiksteuer die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten mit circa sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr belasten. Für Deutschland wird mit Mehrkosten in Höhe von voraussichtlich mehr als 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet.

Genaue Zahlen gibt es nach Angaben des GKV Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie und der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen nicht, weil die EU-Kommission keine Folgenabschätzung vorgelegt habe. Sicher sei nur, dass die Mittel keiner Zweckbindung unterliegen und daher nicht dazu dienten, die für eine bessere Kreislaufführung notwendige Infrastruktur für das Recycling von Kunststoffverpackungen zu schaffen. Im Gegenteil: „Die EU-Plastiksteuer entzieht gerade den Mitgliedstaaten, die noch nicht über eine gute Recycling-Infrastruktur verfügen, wertvolle Investitionsmittel“, kritisiert Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des GKV. Außerdem sei die vorgeschlagene Abgabe dem Umfang nach völlig unverhältnismäßig im Vergleich mit den Kosten der Verwertung von Kunststoffverpackungen.

Ungewollte Nebenwirkungen drohten
Der Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe werde erhebliche Investitionen der Unternehmen in Innovationen, neue Maschinen und das ökologische Design von Kunststoffverpackungen erfordern. „Diese Investitionen werden nur getätigt, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen setzt, die den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit gibt“, erklärte Möllenstädt. Die vorgeschlagene Abgabe würde dagegen zu einer erheblichen Unsicherheit der Unternehmen führen, weil sie befürchten müssten, dass die EU-Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Art und Weise versuchen würden, ihren zusätzlichen Beitrag in den EU-Haushalt auf die heimische Kunststoffindustrie abzuwälzen. Solche unterschiedlichen nationalen Steuern würden zu einer Zersplitterung des Binnenmarktes in diesem Sektor führen.

Eine Abgabe allein auf Kunststoffverpackungen würde den Wechsel von Kunststoff auf Materialien mit größeren Umweltauswirkungen befördern. Hier drohten ungewollte Nebenwirkungen. IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann: „Die Diskussion um eine italienische Plastiksteuer hat bereits dazu geführt, dass immer mehr Verpackungen aus Kunststoff-Papier-Verbünden auf den Markt kommen. Damit senken die Hersteller zwar den Anteil von Kunststoff und damit ihre Steuern, gleichzeitig sinkt aber auch die Recyclingfähigkeit der Verpackungen. Somit erweist die Plastiksteuer dem Ziel der Kreislaufwirtschaft einen Bärendienst.“

Für zweckgebundene Abgabe auf deponierte Abfälle
Die Verbände fordern die Bundesregierung auf, von der EU-Kommission eine genaue Analyse der direkten und indirekten Folgen der Plastiksteuer einzufordern. Ohne eine solche Folgenabschätzung könne dem Vorschlag nicht zugestimmt werden. Um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in Europa zu fördern, schlagen die Verbände stattdessen eine zweckgebundene Abgabe vor, die an die Menge der Kunststoffverpackungsabfälle geknüpft ist, die in dem jeweiligen Land deponiert werden. Eine solche Abgabe könnte die paradoxe Situation ausgleichen, dass in der EU die Deponierung von Siedlungsabfällen (und damit auch von Kunststoffverpackungsabfällen) noch bis 2035 in erheblichem Umfang erlaubt ist. Die Erfahrung in Deutschland habe gezeigt, dass ohne ein Deponieverbot eine Verbesserung der Kreislaufführung auch von Kunststoffabfällen nicht erreicht werden könne.

(EU-Recycling 08/2020, Seite 10, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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