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Schweden: Auf dem Weg zu einem Null-Abfall-Land?

Bis 2025 soll das Aufkommen an Lebensmittelabfällen und Restmüll um 25 Prozent reduziert werden. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssten sich auch die Konsumgewohnheiten der Schweden ändern.

Im Vorwort des letzten Avfall Sverige-Jahresberichts weist Geschäftsführer Tony Clark darauf hin, dass im Jahr 2018 das Volumen an gesammelten Lebensmittelabfällen in Schweden um vier Prozent zu- und das von Sperrmüll in gleichem Maße abgenommen hat. Der Leiter des größten schwedischen Abfallwirtschafts- und Recyclingverbandes wertet dies als „ermutigend“. Doch Clark muss auch einräumen, dass sich zwischen 2015 und 2018 das Volumen der Lebensmittel- und Restabfälle um lediglich ein Viertel reduzierte. Es müsse noch vieles getan werden, um – so das Vorhaben von Avfall Sverige – bis 2025 eine Reduktion um ein Viertel gegenüber 2015 zu erreichen.

Den schwedischen Kommunen kommt dabei nach Ansicht von Tony Clark eine Schlüsselrolle zu. In rund zwei Drittel der schwedischen Städte und Gemeinden sammeln private Unternehmen die Lebensmittel- und Restabfälle. Ein Drittel der Ortschaften erledigt diese Arbeiten in Eigenregie; um die übrigen Müllmengen kümmert sich eine Kombination aus Privatunternehmen und eigenen Sammelsystemen. Sie sind aufgerufen, an der Realisierung des 25-Prozent-Ziels mitzuarbeiten. Dazu muss man wissen: Die Annahme dieser Zielsetzung ist freiwillig.

Insgesamt 4.7 Millionen Tonnen Haushaltsabfälle
Was die Fakten betrifft, so zählen zu den schwedischen Haushaltsabfällen des Jahres 2018 zunächst 142.000 Tonnen an Elektroaltgeräten und Batterien, 220.000 Tonnen recyclingfähiges Papier, 445.000 Tonnen Material aus Recyclingzentren und 820.000 Tonnen Verpackungsabfällen. Hieraus entstehen durch Recycling 1.310.000 Tonnen Sekundärmaterial; 246.000 Tonnen Material müssen energetisch verwertet werden. Aus 741.000 Tonnen an Lebensmittel- und Gartenabfällen werden durch anaerobe Gärung 405.800 Tonnen Digestate, zehn Gigawattstunden (GWh) Wärme und Elektrizität sowie 200 GWh an Autogas erzeugt; durch Kompostierung lassen sich 267.100 Tonnen an Humusboden gewinnen. 2.403.000 Tonnen Rest- und Sperrmüll werden energetisch genutzt und liefern 870 GWh Elektrizität sowie 6.120 GWh Wärme. Die deponierte Materialmenge entspricht einem Äquivalent von 1,4 GWh Wärme und 0,1 GWh Strom. Insgesamt fielen im Jahr 2018 somit 4.771.000 Tonnen an Haushaltsabfällen an, von denen 76.000 Tonnen Sondermüll waren.

Von diesen Haushaltsabfällen gingen – einschließlich recycelter Bauabfälle – mit 1,6 Millionen Tonnen rund ein Drittel ins stoffliche Recycling, rund eine dreiviertel Million Tonnen erfuhren eine biologische Behandlung, mit 2,3 Millionen wurde rund die Hälfte der Materialien energetisch genutzt, während 32.710 Tonnen und damit 0,7 Prozent auf Deponien landeten.

Wenig Veränderung
Im Vergleich zu 1975 haben sich die Mengen aus stofflichem Recycling und biologischer Behandlung bis 2018 von wenigen 100.000 Tonnen auf ein Mehrfaches vergrößert, während die energetische Nutzung etwa um den Faktor 3 zunahm. Die Deponierung von Haushaltsabfällen sank von insgesamt rund 1,5 Millionen Tonnen auf das heutige Niveau. Im Vergleich der Jahre 2014 bis 2018 veränderten sich stoffliches Recycling, Baustoffrecycling und biologische Behandlung jedoch um höchstens 0,8 Prozent; die Deponierungsmenge blieb konstant. Lediglich die energetische Verwertung legte um fast zwei Prozent zu.

Indikatoren für ressourcen-effizientes Abfallmanagement zeigen, dass die absolute Menge der behandelten Abfälle im Laufe der Jahre auf etwa das Vierfache im Jahr 2018 anstieg – allerdings die 50 Prozent-Marke noch nicht erreicht hat. Währenddessen wichen die verarbeiteten Mengen in Relation zu dem gestiegenen Aufkommen an Haushaltsabfällen in diesem Zeitraum nur wenig von der ursprünglichen Menge nach oben und unten ab und stehen 2018 kaum besser als 1994 da.

Mehr Prävention und Wiederverwendung
Avfall Sverige setzt auch auf Prävention. Dafür hat das Unternehmen neben dem 25/25-Ziel ein Handbuch zur Abfallvermeidung für kommunale Organisationen herausgegeben, ein sogenanntes „Millionärs“-Label samt einer Webseite entwickelt, die auf Möglichkeiten zur Reparatur, Wiederverwendung oder Abfallreduzierung hinweist, und seinen Blick auf „unsichtbare Abfälle“ wie Handys geschärft, die in der Schublade vergessen werden. Auch koordiniert Avfall Sverige die nationalen Aktivitäten der „Europäischen Woche der Abfallvermeidung“ und unterstützt damit die schwedische Umweltschutzbehörde.

In den letzten Jahren nahm die Sammlung zur Wiederverwendung bei den schwedischen Recyclingzentren zu. Inzwischen verfügen annähernd 60 Prozent dieser Zentren über einfache Möglichkeiten, um Materialien zur erneuten Benutzung anzunehmen. So wuchs die gesammelte Menge zwischen 2014 und 2018 bei Textilien von rund 5.000 auf rund 11.000 Tonnen und bei Secondhand-Materialien von 7.500 auf über 14.000 Tonnen. Die wieder einsetzbare Menge an Bau- und Werkstoffen ist zu vernachlässigen. Insgesamt kamen in Schweden im Jahr 2018 annähernd 26.800 Tonnen an Materialien und Textilien zur Wiederverwendung zusammen.

Stoffliches Recycling gleichbleibend
Was das Recycling anlangt, haben sich bei vielen Materialien die Mengen zwischen 2014 und 2018 wenig verändert. Das trifft auf Fahrzeug- und tragbare Batterien ebenso zu wie auf Schrott oder unter dem Strich auf Textilien. Allerdings sind beispielsweise die Mengen an recycelbarem Papier von 313.000 auf 217.000 Tonnen, Elektronikschrott von 148.000 auf 132.00 Tonnen, und verschiedene recycelbare Materialien einschließlich Altreifen von 60.000 auf 42.000 Tonnen zurückgegangen; jedoch reduzierten sich auch stofflich recycelbare Sonderabfälle auf annähernd die Hälfte.

Deutlich zugelegt haben die Mengen an Verpackungsmaterial aus Wellpappe, Metall, Plastik und Glas – von 673.000 auf 820.000 Tonnen – und von Nicht-Verpackungs-Kunststoff – von 3.000 auf über 12.000 Tonnen. In der Summe blieben zwischen 2014 und 2018 die Mengen an recycelten Haushaltsabfällen mit knapp 1,5 Millionen Tonnen gleich, während recycelte Baustoffe statt 175.000 nur noch 145.000 Tonnen erreichten. Ein Zeitvergleich lässt erkennen, dass von 1975 bis zur Finanzkrise im Jahr 2008/09 das stoffliche Recycling von etwa 150.000 auf rund 1,7 Millionen Tonnen stieg, es sich aber seitdem – also seit mindestens zehn Jahren – um die 1,5 Millionen eingepegelt, aber kaum mehr verändert hat.

Biologische Behandlung gesteigert
Im Gegensatz dazu entwickelte sich die biologische Behandlung von Haushaltsabfällen im Laufe der Jahre deutlich. Den Zahlen von Avfall Sverige zufolge wurden 1975 rund 60.000 Tonnen an Biomüll behandelt, im Jahr 2018 aber bereits 741.000 Tonnen weiter verarbeitet – eine Steigerung von 1.135 Prozent. 2018 wurden in Schweden an organischen Reststoffen, vor allem aus den Kläranlagen, inklusive Haushaltsabfällen rund 1,6 Millionen Tonnen der anaeroben Gärung unterzogen, während man 351.000 Tonnen – Tendenz fallend – kompostierte, insgesamt also knapp zwei Millionen Tonnen. An Digestaten resultierten daraus rund 1,7 Millionen Tonnen; zusätzlich konnten 950.000 Megawattstunden (MWh) an Autogas und anderen Energieträgern gewonnen werden.

Eine scharfe Reduktion der Mengen?
Aus den Zahlen der letzten Jahre lässt sich nur schwerlich auf eine 25-Prozent-Reduktion in fünf Jahren schließen. Allerdings: „Unser Ziel, zusammen mit den neuen Auflagen für Verpackung, Recyclingpapier und Lebensmittel-Abfällen, wird hoffnungsvoll zu einer scharfen Reduktion unserer Abfallmengen führen, da wir mit unserer Reise in Richtung unserer Vision von ‚Zero Waste‘ fortfahren“, heißt es im Vorwort des Statusberichts 2018. Tatsächlich waren für 2020 – neben der Einarbeitung der revidierten EU Abfallrichtlinie in die schwedische Gesetzgebung – diverse Änderungen vorgesehen: eine Erhöhung der Sammelquoten für Lebensmittel-Abfälle, eine höhere Verwertungsrate für Bau- und Rückbauabfälle und die Einführung eines Rückverfolgungssystems für belastete Abfälle.

Für 2021 sind ein Verkaufsverbot für bestimmte Kunststoffprodukte und Plastik- sowie EPS-Verpackungen geplant. 2022 möchte man die Erfassung von Verpackungs- und recycelbarem Papier erhöhen und die getrennte Sammlung von Lebensmittel-Abfällen aus Haushalten realisieren. Für 2023 fasst Schweden die obligatorische Getrenntsammlung von Bioabfällen ins Auge und im Jahr 2025 eine ebensolche für Textilien. Ab April 2025 sind schließlich auch die restlose Erfassung allen Verpackungs- und recycelbaren Papiers aus Wohngebäuden und von Sperrmüll angestrebt. Schon heute bieten etliche Kommunen die freiwillige Sammlung von Lebensmitteln (gegen Gebührenermäßigung) als Anreiz; 32 Gemeinden haben eine am Abfallgewicht orientierte Gebühr eingeführt.

Übers Konsumieren nachdenken
Der Avfall Sverige-Jahresbericht für 2018 weist darauf hin, dass es höchste Zeit sei, um die Rolle und die Verantwortlichkeit der Kommunen hinsichtlich Prävention und Wiederverwendung zu verdeutlichen und diese durch ein Gesetz zu regeln. Jedoch müssten auch die Konsumenten und Produzenten Kreislauf-Denken praktizieren. Sortieren allein genüge nicht – die Konsumgewohnheiten müssten sich ändern, denn der Verbrauch und die Abfallmengen steigen.

Daher gaben die Manager des Unternehmens am Ende der Broschüre die Devise aus: „Wir haben gelernt zu sortieren – nun müssen wir über das Konsumieren nachdenken.“ Inwieweit dieser Vorsatz in Zeiten von Corona umgesetzt werden konnte und kann, bleibt offen. Bis zur Verwirklichung einer „Null-Abfall“-Vision, wie sie Avfall Sverige vorschwebt, ist es noch ein langer Weg. Zumal in Schweden neben 4,7 Millionen Tonnen an Kommunalabfällen weitere 142 Millionen Tonnen Reststoffe – darunter 110 Millionen Tonnen Bergbau-Abfälle (Stand: 2016) – auf eine nachhaltige Behandlung warten.

(EU-Recycling 09/2020, Seite 27, Foto: stock.adobe.com / Tupungato)

 

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