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Lithium-Ionen-Batterien auf dem Prüfstand

Rund 12.700 Tonnen an Lithium-Ionen-Akkus kamen im vergangenen Jahr 2019 in Geräten wie Handys, Laptops oder E-Bikes in Umlauf – Tendenz steigend. Dennoch können ihre falsche Behandlung oder unsachgemäße Entsorgung gravierende Folgen haben. Darum wird zurzeit in der Branche über Einsatz und Verwendung dieser Energieträger laut nachgedacht.

Eigentlich müssten Lithium-Ionen-Akkus nach Gebrauch in Batteriesammelbehältern im Einzelhandel oder auf Recyclinghöfen gesondert erfasst und anschließend speziell behandelt werden. In der Praxis landen sie aber oftmals aus Unachtsamkeit oder Unwissen über die sachgerechte Entsorgung in schwarzen, blauen und gelben Abfalltonnen. Das bringt nicht nur die Mitarbeiter von Entsorgungsbetrieben in Gefahr, sondern verhindert außerdem, dass die in den Batterien enthaltenen Materialien recycelt werden können. Um das zu unterbinden, starteten am 28. Juli der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. und seine Mitgliedsunternehmen eine breit angelegte Aufklärungs- und Informations-Kampagne.

Die Schäden sind immens
„Die Schäden sind schon jetzt immens, und es grenzt wirklich an ein Wunder, dass solche Brände noch kein Menschenleben gefordert haben. Die nötigen gesetzlichen Regelungen sind auf den Weg gebracht, aber sie genügen nicht“, erklärte BDE-Präsident Peter Kurth beim Kampagnenstart. „Wir können dieses ernste Problem nur bekämpfen, wenn sich auch das Verhalten der Verbraucher bei der Entsorgung ändert.“

Holger Kuhlmann, Geschäftsführer der Redux Recycling GmbH, fügte hinzu, dass die Kreislaufwirtschaft ambitionierte Zielvorgaben durch den Gesetzgeber, konsequenten Vollzug und die Mitwirkung engagierter Verbraucherinnen und Verbraucher benötigt. Doch „bei der Entsorgung von Batterien fehlt es hieran bislang. Die Folgen sehen wir fast täglich an Brandunfällen, aber auch an ganz unbefriedigenden Recyclingzahlen“. Und Otto Heinz, Präsident des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen e.V., wusste zu berichten, dass „auch zahlreiche VBS-Mitgliedsunternehmen schon einmal von einem durch falsch entsorgte Lithium-Ionen-Akkus verursachten Brand betroffen waren“.

Relativ unberechenbar
Was diese Batterien und Akkus gefährlich macht, ist ihre relative Unberechenbarkeit. Das belegen die Ergebnisse einer Umfrage, die EuRIC, WEEE Forum, Eucobat, EERA, mwe und Weeelabex Ende Mai veröffentlichten. Die Analyse ergab, dass kleine und gemischte Elektrogeräte sich eher entzünden als andere Abfallströme und dass Batterien, insbesondere wenn sie beschädigt sind, in den meisten Fällen die Ursachen dafür sind.

Dabei entstanden die Brände auf allen Stufen der Sammlung und Behandlung, zeigten aber ein stärkeres Auftreten im Zerkleinerungsstadium während der Behandlung und beim Transport- und Vorbehandlungsstadium während der Ablagerung. Die Folgekosten von 26 besonders verheerenden Bränden in den letzten vier Jahren beliefen sich auf durchschnittlich 1,3 Millionen Euro mit Abweichungen von bis zu 4,1 Millionen Euro, deren Begleichung sich über eine lange Periode hinziehen kann. Die Versicherungspolicen deckten die Schäden oftmals nur zum Teil ab, was partiell auch daran lag, dass Entsorgungs- und Recyclingbetrieben eine Versicherung aufgrund von Feuergefährlichkeit verweigert wurde.

Alternativen mit Schwachstellen
Längst hat eine Suche nach Alternativen zur Lithium-Ionen-Technologie begonnen. Doch die Empa- und ETH Zürich-Forscher Kostiantyn Kravchyk und Maksym Kovalenko sind skeptisch. Batterien mit Natrium-Kobaltoxid haben vergleichsweise zu geringe Ladezyklen, und bei Verwendung von preisgünstigem Zinn, Antimon oder Phosphor würde die Anode materiell instabil oder es entstünden giftige Gase. Bei Einsatz von Magnesium darf man die Batterie nur langsam aufladen und nur in einem kleinen Spannungsbereich nutzen. Aluminium-Graphit-Akkus würden aufgrund ihres Funktionsprinzips fünfmal schwerer als die Lithium-Ionen-Variante und hätten die Eigenschaft, ihr Volumen beim Laden auf das doppelte zu vergrößern und beim Entladen zu schrumpfen. Noch – so das Fazit der Forscher – könne „keine der vorgestellten Technologien bezüglich Energiedichte mit Lithium-Ionen-Akkus mithalten. Sehr wahrscheinlich wird das auch in Zukunft so bleiben“.

Neue Upcycling-Methode
Als Alternative gelten allerdings Hydrid-Batterien, sogenannte Nickel-Metallhydrid-Akkumulatoren (NiMH), in denen der Wasserstoff in einem Metallhybrid eingelagert ist. Diese Batterien werden als umweltfreundlicher als die Lithium-Version eingestuft, da sie keine toxischen Schwermetalle enthalten und keine Explosionsgefahr heraufbeschwören. Einsatz finden sie seit den 1990er Jahren in Hybridfahrzeugen, aber auch in Elektro-Zahnbürsten und -Rasierapparaten.

Ein Mitte Mai vorgestelltes neues Verfahren, das an der Stockholmer Universität entwickelt wurde, macht NiMH-Batterien zudem sehr recycling-freundlich. Es besteht aus mechanischem Waschen und Trennen von wiederverwendbarem Elektroden-Material und Korrosionsstoffen von alten gebrauchten Elektroden. „Die neue Methode erlaubt das Upcycling von Material, das direkt für die Produktion von neuen Batterien genutzt werden kann“, betont Dag Noréus, Professor an der Fakultät für Werkstoff- und Umweltchemie.“

NiMH-Batterien mit Nachteilen
Bislang verfügten NiMH-Batterien jedoch über etliche Nachteile gegenüber Lithium-Ionen. Wie das Online-Magazin Replace Direct in einem Artikel auflistete, brauchen derartige Energieträger regelmäßige Pflege, benötigen erstmals eine vollständige Aufladung sowie regelmäßige Entladung und überdauern nur etwa 400 Ladezyklen. Im Moment jedenfalls würden Lithium-Ionen-Akkus „verstärkt in Anwendungen eingesetzt, die bisher hauptsächlich NiMH-Akkus verwendeten“. So meldete Mercedes-Benz Anfang August, man werde mit der Contemporary Amperex Technology Co., Ltd (CATL) – einem weltweit führenden Batteriehersteller aus China – „gemeinsam die Industrialisierung von Lithium-Ionen-Batterien in Deutschland vorantreiben“.

Lithium-Ionen-Technik weiterhin dominant
Diese Entwicklung sieht auch Reiner Sojka so, Geschäftsführer des deutschen Batterierecyclers Accurec, der im Vorfeld der ICBR 2020, des 25. Internationalen Kongresses für Batterierecycling in Salzburg über die Zukunft seiner Branche Auskunft gab. Auch er glaubt, dass Lithium-Ionen weiterhin die dominante Batterie-Chemie in nächster Zeit sein werden. Die Batterieproduktion beginne damit, wieder mit Firmen wie SCI, LG, Nordvolt und CATL nach Europa zurückzukehren.

Auch die Herstellung von Vorprodukten siedle sich mit Unternehmen wie Umicore oder BASF wieder und zunehmend in Europa an, wo auf alle Fälle ein Bedarf nach Basismetallen wie insbesondere Cobalt und Nickelsulfaten in Premiumqualität bestehe. In zehn Jahren sei ein harter Wettbewerb in der gesamten Prozesskette inklusive Recycling und Veredelung dieser Metalle zu erwarten, die heute noch in Übersee stattfindet.

Für ein zweites oder drittes Leben
Im Moment – so Sojka – herrscht noch Unsicherheit über die Zukunft aller heutigen Batterie-Chemieprozesse, und die Industrie hat keine gute Sicht auf den Routenplan in Richtung auf einen nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Endmarkt für alle. Neben einem stärkeren Investment, das nur die ökonomisch gesunden Unternehmen leisten können, müsse auch mit Kapazitätsmängeln für bestimmte Chemikalien aufgrund steigender Sammelzielquoten nach der Änderung der Batterierichtlinie 2006/66/EC gerechnet werden. Traditionelle Geschäftsmodelle müssten sich den Herausforderungen stellen und dem Ruf nach innovativen Lösungen folgen. Bereits jetzt arbeiten Entwickler an Batterielösungen für ein zweites oder sogar drittes Leben, erklärte Leopold Fellinger, Leiter der Kreativ­abteilung bei Porsche Austria, in einem Interview mit ICM, dem Veranstalter des diesjährigen ICBR. Sein Unternehmen habe mit Technischen Universitäten kooperiert, um Batterien im Container-Format für ein zweites Leben in Photovoltaik-Installationen auf dem Lande, in Haushalten oder zur Energielieferung oder Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge wiederzuverwenden. In Salzburg sei mit „Mooncity“ ein Knotenpunkt für Lade-Lösungen entstanden.

Das revidierte Batteriegesetz
Ob in Deutschland der wirtschaftspolitische Rahmen für solche Innovationen bereit steht, darf seit den Diskussionen um das revidierte Batteriegesetz bezweifelt werden. Schon im Frühjahr gab es breite Kritik am damaligen Referentenentwurf (EU-Recycling berichtete: 4/20, S. 18ff). Eine Kritik, die nach Ansicht der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem (GRS) auch die am 20. Mai 2020 vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Gesetzes größtenteils ignoriert. Sodass – neben Wettbewerbsbenachteiligung künftiger Marktteilnehmer, fehlenden Insolvenzregelungen, Unkenntnis abfallwirtschaftlicher Marktmechanismen und minimaler Zielsetzung – zukünftig die fehlende Abgrenzung zwischen Lithium-Ionen- und anderen Industriebatterien die Rücknahme vor allem auf dem Wertstoffhof nahezu unmöglich macht. Mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen. Denn „es besteht die große Gefahr, dass die Entsorgung einer Vielzahl von Li-Industriealtbatterien zulasten der Hersteller von Gerätebatterien geschehen wird“, befürchtet GRS-Stiftungsvorstand Georgios Chryssos.

Der Arbeitskreis Elektrogeräte/Batterien der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft sieht es daher als notwendig an zu klären, ob „das BattG die Anforderungen an die Erfassung und Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien oder -akkus mit ihren besonderen Eigenschaften (z. B. Brandgefahr bei Beschädigung oder unsachgemäßer Handhabung/Beförderung) noch hinreichend regelt“.

(EU-Recycling 11/2020, Seite 33, Foto: DEKRA)

 

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