- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Rezyklat – Ein neues Leben für Konsumverpackungen?

Verbraucher schätzen Rezyklate in Verpackungen, solange sie die Qualität, Funktionalität und den Preis des Produkts nicht beeinträchtigen. Aber wie können Unternehmen angesichts der zusätzlichen Kosten für ein hochwertiges Recycling und des niedrigen Preises von Neukunststoffen wettbewerbsfähig bleiben?

Immer mehr Verpackungen entstehen aus recycelten Abfällen. Wir sind bereits an Flaschen aus weggeworfenem Kunststoff und Verpackungen aus Recyclingpapier oder Zellstoff gewöhnt. Unlängst gab es Berichte über Lebensmittelverpackungen, die aus chemisch recycelten Kunststoff-Mischabfällen hergestellt wurden, darunter bekannte Marken wie Magnum-Eis, Knorr-Pudding oder Zott-Mozzarella. Neben Lebensmitteln werden auch Körperpflege- und Gesundheitsprodukte bereits in Verbraucherverpackungen aus weggeworfenem Kunststoff verkauft. Bereits 2019 hatte Tupperware einen wiederverwendbaren Coffee2Go-Trinkbecher inklusive Strohhalm aus chemisch recycelten Polymeren herausgebracht, während Royal Philips einen Prototyp seiner „Avent“-Baby-Trinkflaschen vorstellte.

Für Verpackungsunternehmen ist die Motivation für die Verwendung von Sekundärverpackungsmaterial von einem sich verändernden Verbraucherbewusstsein und einem sich schnell ändernden regulatorischen Umfeld abhängig. Die Kreislaufwirtschaft, einschließlich neuer Abfall- und Recyclinggesetze, bleibt trotz Corona-Krise oberste Priorität der Europäischen Kommission und des European Green Deal. Gemäß der EU-Strategie für Kunststoffe in einer Kreislaufwirtschaft sollen „alle auf dem EU-Markt in Verkehr gebrachten Kunststoffverpackungen so gestaltet sein, dass sie entweder wiederverwendbar oder kostengünstig recycelbar sind“.

Laut EU-Richtlinie müssen PET-Flaschen ab 2025 daher mindestens 25 Prozent recycelten Kunststoff enthalten. Ab 2030 steigt die Quote für alle in Verkehr gebrachten Kunststoffflaschen dann auf 30 Prozent. Ziel ist es, dass Unternehmen bis 2025 rund zehn Millionen Tonnen recycelte Kunststoffe in ihren Verpackungen verwenden – und damit den aktuellen Bedarf vervierfachen. Die britische Regierung hat bereits nachgezogen und eine Steuer auf die Herstellung und Einfuhr von Kunststoffverpackungen mit einem Recyclinganteil von weniger als 30 Prozent ab April 2022 auf den Weg gebracht. Wer darüber liegt, wird mit 200 britischen Pfund pro Tonne zur Kasse gebeten. Als Reaktion auf den regulatorischen Druck haben mittlerweile mehr als 70 Unternehmensverbände zugesagt, mehr recycelte Kunststoffe herzustellen oder zu verwenden, um den Markt für recycelte Kunststoffe bis 2025 um mindestens 60 Prozent zu erweitern. Die Abnehmer von Verpackungen haben sich ihrerseits dazu verpflichtet, den Einsatz von recyceltem Kunststoff zu verfünffachen, und zwar von durchschnittlich vier Prozent im Jahr 2018 auf 22 Prozent im Jahr 2025.

[1]

Bild: Harald Heinritz / abfallbild.de

Auf dem Weg zu einer neuen Normalität
Mit diesen gemeinsamen Anstrengungen geht man nicht zuletzt auf den wachsenden Anspruch der Verbraucher ein, eine aktivere Rolle bei der Bewältigung der Plastikkrise zu spielen. Fünfzig Jahre nach Einführung des Recycling-Symbols nehmen sie zunehmend die Umweltauswirkungen ihrer Kaufentscheidungen wahr. Laut einer vom Marktforschungsinstitut GFK durchgeführten Umfrage erwarten die Verbraucher von den Herstellern, dass sie die ersten Schritte einleiten und ihnen helfen, verantwortungsbewusster zu konsumieren, indem sie umweltfreundlichere Produkte anbieten. Eine weltweite Umfrage der Martktforscher von Ipsos zeigt, dass jeder zweite Verbraucher bereit wäre, Waren aus recycelten Wertstoffen zu kaufen – ein erhebliches Marktpotenzial.

Eine vom britischen Verpackungshersteller DS Smith im Juli 2019 organisierte Recherche ergab schließlich, dass neun von zehn Befragten ein Produkt wählen würden, das mit weniger oder gar keinem Plastik verpackt ist, wenn sie die Wahl zwischen zwei Waren gleicher Qualität hätten. Da die einkaufende Öffentlichkeit Produkt und Verpackung immer mehr als Einheit wahrnimmt, sehen sie es als einen Widerspruch – oder sogar als einen Akt von Greenwashing –, wenn ein Produkt, das für nachhaltig erklärt wurde, überverpackt oder nicht nachhaltig verpackt wird.

Mach es oder lass es
Während einige Unternehmen stärker auf Compliance ausgerichtet sind, übernehmen andere mit zirkulären Geschäftsmodellen eine Vorreiterrolle in der Hoffnung, die Vorteile von Kosteneinsparungen zu nutzen, eine Aufwertung der Marke zu erreichen und schließlich Marktanteile zu gewinnen. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Werner & Mertz, laut Reader‘s Digest die in Deutschland „vertrauenswürdigste Verbrauchermarke“ in der Kategorie Haushaltsreiniger. Das Unternehmen ist vor allem bekannt für seine Produktlinie „Frosch“.

Seit 2014 verwendet das Unternehmen 100 Prozent Rezyklat für seine Verpackungen, hauptsächlich Flaschen aus PET und HDPE. Nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip wird Kunststoff aus dem Hausmüll entnommen und in einem geschlossenen Stoff- und Produktionskreislauf zugeführt. Damit dies funktioniert, hat Werner & Mertz die „Recyclate Initiative“ ins Leben gerufen und die wichtigsten Partner seiner Lieferkette mit einbezogen. Das Unternehmen setzt eine moderne Lasertechnologie ein, die entwickelt wurde, um PET-Granulate und -Flocken so fein zu sortieren, dass nur noch transparente Partikel übrigbleiben. Durch den anschließenden Extrusionsprozess werden verbleibende Verunreinigungen beseitigt, die zu einem Rezyklat führen, das in transparente Kunststoffflaschen umgewandelt wird. Im Vergleich zu PET aus Rohöl benötigt dieses Verfahren zwei Drittel weniger Energie und halbiert den CO2-Ausstoß.

Angesichts der höheren Kosten für das Sammeln, Sortieren und Recycling ist die Implementierung eines echten Cradle-to-Cradle-Verpackungsmodells jedoch nicht günstig. Gleichzeitig erwartet der Verbraucher, dass das Endprodukt eine kompromisslose Qualität, hohe Funk­tionalität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist. Und das schließt die Verpackung ein. Aus diesem Grund musste Werner & Mertz sicherstellen, dass die neu gestalteten PET-Flaschen unverändert – also vollständig transparent – aussahen und gleichzeitig den Einzelhandelspreis des Produkts beibehielten.

[2]

Foto: Der grüne Punkt

„Für uns geht es nicht darum, ‚grüne‘ Produkte zu einem Premiumpreis zu verkaufen, sondern nachhaltige Konsumgüter von höchster Qualität zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten“, erklärt Timothy Glaz, Leiter Corporate Affairs. Nach seiner Erfahrung ist es den Kunden wichtig, dass das von ihnen gekaufte Produkt insgesamt umweltfreundlich ist und sich nicht negativ auf die Umwelt auswirkt, wie dies bei nicht recycelbarem, schwer zu recycelndem oder neuem Kunststoff der Fall ist. „Das erwarten unsere Kunden, und dafür steht unsere Marke.“ Sie möchten Teil der Lösung sein und nicht Teil des Plastikmüllproblems. Die positiven Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen wurden deutlich, als das Unternehmen 2018 eine Informationskampagne in einem örtlichen Einzelhandelsgeschäft durchführte, in der die Kunden die recycelten PE- und PET-Kunststoffflocken, aus denen die Flaschen hergestellt wurden, anfassen konnten und erfuhren, wieviel Plastikmüll durch Rezyklate eingespart werden kann. Infolgedessen verzeichnete das Unternehmen in dieser Filiale einen deutlichen Umsatzanstieg.

Neue regulatorische Impulse
Um die Nachfrage nach Rezyklaten zu stimulieren und die Wettbewerbsfähigkeit von Kreislaufverpackungsmodellen zu fördern, müsste der relative Marktpreis für Rezyklat im Vergleich zu neuem Kunststoff stabil gesenkt werden. Der im Jahr 2015 verabschiedete EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat bereits zu konzertierten politischen und regulatorischen Anstrengungen in verschiedenen Bereichen geführt, um eine nachhaltige Verpackung zu fördern. Nach der überarbeiteten EU-Richtlinie über Verpackungsabfälle sind derzeit strengere „grundlegende Anforderungen“ an Verpackungsmaterialien in Vorbereitung, die 2021 vorgelegt werden sollen.

Die Kriterien für Ökodesign, umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen und andere relevante Produktgesetze werden ebenfalls überprüft. Ein wesentlicher Anreiz für die Regulierung, der derzeit von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wird, sind öko-modulierte Gebühren der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR – Extended Producer Responsibility), mit denen Unternehmen, die leicht recycelbare oder bereits recycelte Produktverpackungen auf den Markt bringen, finanziell belohnt werden; ähnlich einem Bonus-Malus-System. Vereinfacht gesagt: Je höher die Recyclingfähigkeit, desto niedriger die Gebühren und desto höher die Wettbewerbsfähigkeit. Einige EU-Mitgliedstaaten erwägen auch Steueranreize.

Auf der Verbraucherseite wächst der Wunsch, sich aktiv an der Verringerung der Verschwendung neuer Ressourcen zu beteiligen und die positiven Auswirkungen dieses Verhaltens auf die Umwelt zu erfassen. Wer würde nicht gerne wissen, dass jede Tonne recycelter Plastikflaschen 3,8 Barrel Rohöl im Boden und letztendlich außerhalb der Atmosphäre hält? Es bleibt jedoch die Herausforderung, die positiven Auswirkungen nachhaltiger Verpackungen effektiv und vertrauenswürdig zu kommunizieren, ohne dass dies als „Greenwashing“ wahrgenommen wird. Das Vertrauen in Etiketten ist aufgrund ihrer Verbreitung, mangelnder Vergleichbarkeit und Zweifel an ihrer Gültigkeit gering.

Aus diesem Grund wird die Produktkennzeichnung derzeit von der EU kritisch überprüft. Eine Verschärfung bestehender Vorschriften ist wahrscheinlich. Ein guter Ausgangspunkt hierfür wären die laufenden Arbeiten der Europäischen Kommission zur Methode des Ökologischen Fußabdrucks von Produkten: Product Environmental Footprint, kurz PEF. Mit dieser werden die Umweltverträglichkeit des Lebenszyklus und die relevanten Auswirkungen von Produkten einschließlich des CO2-Fußabdrucks und des Verbrauchs natürlicher Ressourcen gemessen. Nach der PEF-Methode würden EU-Umweltzeichen den Verbrauchern vergleichbare und vertrauenswürdige Informationen zur ökologischen Leistung liefern, während digital gestützte Lösungen wie QR-Codes online auf spezifischere Details verweisen könnten. Und warum nicht ein EU-Label, das die Verwendung von 100 Prozent recyceltem Sekundärverpackungsmaterial bescheinigt? Dies wäre nicht nur für die Verbraucher von Interesse, sondern auch für ein „grünes“ öffentliches Beschaffungswesen.

Nachhaltige Verpackung im Aufwind
In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt vieler Initiativen der Kreislaufwirtschaft auf dem Angebot. Damit der Übergang zur Kreislaufwirtschaft gelingt, muss aber auch die Nachfrage verstanden werden. Aktives Engagement bei der Veränderung von Konsummustern ist entscheidend. Jüngste Umfragen bestätigen, dass immer mehr Verbraucher nachhaltige Verpackungen als positiv empfinden, sich jedoch schlecht über die Recyclingfähigkeit von Verpackungen im Allgemeinen informiert fühlen. Die Gewissheit, dass ein Produkt in einer nachhaltigen Verpackung mit geringeren Umweltauswirkungen geliefert wird, wirkt sich positiv auf Kaufentscheidungen und Markentreue aus. Es wird geschätzt, solange es die Qualität, Funktionalität und den Preis des Endprodukts nicht beeinträchtigt.

Aus dieser Perspektive ist eine nachhaltigere Verpackung keine Wahl, sondern eine Notwendigkeit für Unternehmen. Angesichts des niedrigen Marktpreises für Neukunststoffe ist dies jedoch eine große Herausforderung. Um die Aufnahme von Rezyklaten in Verpackungen zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erleichtern, müssen Wege gefunden werden, um die Kosten für die Neugestaltung und das hochwertige Recycling zu kompensieren oder zu finanzieren. Während solche Anreize geboten werden, müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen durch die ehrgeizigen Recyclingziele der EU und strengere Gesetze für Abfall und Verpackungsabfälle aufrechterhalten werden. Diese Kombination von Anreizen und einem klaren rechtlichen Rahmen wird zu nachhaltigeren Verpackungsmodellen führen.

Autor: Michael Laermann, Nachhaltigkeitsberater, freiberuflicher Journalist und Gründer von Reason & Rhyme

www.reason-and-rhy.me [3]

(EU-Recycling 11/2020, Seite 14, Foto: Werner & Mertz)

 

[4]

Anzeige