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Kohlenstoff mit mehreren „Leben“: Innovationen beim Recycling von Carbonfasern

Können recycelte Carbonfasern nochmals den Produktkreislauf durchlaufen, verbessert das ihre CO2-Bilanz deutlich. Zugleich gilt: Je länger die Carbonfasern, desto attraktiver sind sie für die weitere Verwertung.

Vor diesem Hintergrund entwickelten das Forschungsinstitut Cetex und die Papiertechnische Stiftung (PTS), beide Mitglieder der Zuse-Gemeinschaft, im Rahmen eines Forschungsvorhabens ein neues Verfahren, das bislang wenig geeignet erscheinende Recycling-Carbonfasern ein zweites Produktleben gibt. „Während klassische Textilverfahren die ohnehin sehr spröden Recycling-Carbonfasern in Faserlängen von mindestens 80 Millimetern trocken verarbeiten, beschäftigten wir uns mit einem Verfahren aus der Papierindus­trie, welches die Materialien nass verarbeitet. Am Ende des Prozesses erhielten wir, stark vereinfacht gesprochen, eine flächige Matte aus recycelten Carbonfasern und Kunststofffasern“, erläutert Cetex-Projektingenieur Johannes Tietze das Verfahren, mit dem auch 40 Millimeter kurze Carbonfasern zu attraktiven Zwischenprodukten recycelt werden können. Das danach in einem Heißpressprozess entstandene Erzeugnis dient als Grundmaterial für hochbelastbare Strukturbauteile.

Zusätzlich wurden die mechanischen Eigenschaften der Halbzeuge durch die Kombination mit endlosfaserverstärkten Tapes verbessert. Das Recyclingprodukt soll, so die Erwartung der Forschenden, glasfaserverstärkten Kunststoffen Konkurrenz machen, zum Beispiel bei Anwendungen im Schienen- und Fahrzeugbau. Die Ergebnisse fließen nun in die weiterführende Forschung und Entwicklung im Kooperationsnetzwerk Ressourcetex ein, einem geförderten Verbund von 18 Partnern aus Industrie und Wissenschaft.

Erfolgreiche Umsetzung in der Autoindustrie
Industriereife Lösungen für die Verwertung von Carbonfaser-Produktionsabfällen entwickelt das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) in Rudolstadt. Mehrere dieser Entwicklungen wurden mit Partnern beim Unternehmen SGL Composites in Wackersdorf industriell umgesetzt. Die Aufbereitung der sogenannten trockenen Abfälle, hauptsächlich aus Verschnittresten, erfolgt nach einem eigenen Verfahren.

„Dabei führen wir die geöffneten Fasern verschiedenen Prozessen zur Vliesherstellung zu“, schildert die zuständige Abteilungsleiterin im TITK, Dr. Renate Lützkendorf. Neben den Entwicklungen für den Einsatz, zum Beispiel im BMW i3 (in Dach oder Hintersitzschale), wurden im TITK spezielle Vliesstoffe und Verfahren für die Produktion von „Sheet Molding Compounds“ (SMC) etabliert – duroplastische Werkstoffe, die aus Reaktionsharzen und Verstärkungsfasern bestehen und zu Faser-Kunststoff-Verbunden gepresst werden.

Eingang fand dies in einem Bauteil für die C-Säule des 7er BMW. „In seinen Projekten setzt das TITK vor allem auf die Entwicklung leistungsfähigerer Prozesse und kombinierter Verfahren, um den Carbonfaser-Recyclingmaterialien auch von den Kosten her bessere Chancen in Leichtbauanwendungen einzuräumen“, merkt Lützkendorf an. So liege der Fokus gegenwärtig auf dem Einsatz von CF-Recyclingfasern in thermoplastischen Prozessen zur Platten- und Profilextrusion. Ziel ist es, die Kombination von Kurz- und Endlosfaserverstärkung in einem einzigen, leistungsfähigen Prozessschritt zu realisieren.

 

 

www.zuse-gemeinschaft.de [1]

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2020, Seite 29, Foto: Dirk Hanus)