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Abfallwirtschaft in Russland: Aufbruch zu neuen Ufern

Immer mehr Industriebetriebe in Russland investieren in die Verwertung von Produktionsabfällen. Bislang war Recycling kein großes Thema, doch jetzt wollen viele Unternehmen auch staatlicher Regulierung zuvorkommen und durch Abfallaufbereitung und -vermeidung ihre Kosten senken.

Industrieabfälle sind mit jährlich über sieben Milliarden Tonnen bei weitem der größte Abfallstrom in Russland. Dem stehen „nur“ 70 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle pro Jahr gegenüber. Nach Informationen des russischen Umweltministeriums fallen Industrieabfälle zu 94 Prozent in der Rohstoff-Förderung an: Öl, Gas, Erz, Kohle. Chemie- und Papierfabriken, Baustoffhersteller, Metallverarbeitungsbetriebe sowie Wärmekraftwerke sind weitere Verursacher. Etwa die Hälfte aller Industrieabfälle wird verwertet – inwieweit stofflich oder thermisch, ist nicht bekannt. Die Entsorgung und Deponierung wird vielfach von den Industrien selbst organisiert und durchgeführt, zum Teil damit aber auch lokale Abfallwirtschaftsbetriebe beauftragt.

Generell ist ein Umdenken in der russischen Industrie in Richtung Kreislaufwirtschaft zu beobachten. Immer mehr Betriebe investieren in die Verwertung ihrer Produktionsabfälle, in Absatzmärkte für Sekundärrohstoffe und setzen auch Recyclingmaterialien in der Produktion ein. Wie in diesem Zusammenhang Germany Trade & Invest berichtet, will sich die russische Staatsholding Rostec, die bereits über das Tochterunternehmen RT-Invest in der Hausmüllentsorgung stark präsent ist und Müllverbrennungsanlagen baut, die alleinige Entsorgung von mäßig und so gut wie nicht gefährlichen Industrieabfällen der Klassen III und V sichern. Das Umweltministerium spricht sich gegen diese angestrebte Monopolstellung aus: Die Abfallwirtschaft in Russland soll mittelständisch geprägt bleiben.

Bedarf an Sonderabfall-Behandlungsanlagen
Anders sieht es bei Gefahrstoffen der Klassen I und II aus: anorganische Salzmischungen, Säureabfälle, quecksilberhaltige Gegenstände, Batterien, Asbest sowie stark verschmutzte Industrieabwässer sind hier zu nennen. Für diese Sonderabfälle aus industrieller Produktion gibt es in Russland bislang keine Behandlungsanlagen und Entsorgungskapazitäten. Mit der Lösung des Bedarfs ist im November 2019 der im Umgang mit radioaktiven Abfällen erfahrene Staatskonzern Rosatom betraut worden. Das neu gegründete Tochterunternehmen von Rosatom, FGUP FEO, plant sieben große Behandlungsanlagen für gefährliche Sonderabfälle, mit einer Kapazität von jeweils 50.000 Jahrestonnen. Vier Anlagen zur Vernichtung von Chemiewaffen, die sich in den Regionen Saratow, Kirow, Udmurtien und Kurgan befinden, sollen dazu umgerüstet werden. Die Inbetriebnahme soll spätestens Anfang 2024 erfolgen. Drei neue Anlagen werden voraussichtlich bis 2025 bei Irkutsk, Kemerowo und in der Oblast Leningrad entstehen, die den Großraum St. Petersburg umfasst und – anders als die Stadt – ihren aus sowjetischer Zeit stammenden Namen beibehalten hat.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2021, Seite 25, Foto: O. Kürth)

 

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