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Phosphorrückgewinnung aus kommunalen Abwässern: Vieles geplant – Die Branche stellt sich auf den Wechsel ein

Ab 2029 sind die Betreiber kommunaler Kläranlagen verpflichtet, sich um die Phosphorrückgewinnung aus ihrem Abwasser zu kümmern. Die 3. Berliner Klärschlammkonferenz am 16. und 17. November machte deutlich, wie weit mittlerweile die Vorbereitungen vorangekommen sind.

Die novellierte Klärschlammverordnung schreibt ab 2029 für kommunale Kläranlagen mit einer Phosphorkonzentration über 20 Gramm pro Kilogramm Trockensubstanz (g/kg TS) zwingend eine Phosphorrückgewinnung vor, unabhängig von der Ausbaugröße der Anlage. Dabei müssen aus Klärschlamm als Einsatzstoff mindestens 50 Prozent, aus Klärschlammasche hingegen mindestens 80 Prozent des enthaltenen Phosphors rückgewonnen werden. Die Branche hat längst damit begonnen, sich auf den Wechsel einzustellen. Schon auf der 2. Berliner Klärschlammkonferenz im November 2019 berichtete Jana Krämer (Deutsche Phosphor-Plattform DPP, Frankfurt) von im Wesentlichen 16 Phosphor-Rückgewinnungsverfahren im Aufbaustadium und sprach von einer Großzahl solcher Methoden, die sich bereits im Pilotmaßstab befanden. Die Palette hat sich mittlerweile erweitert.

TransPhorR: Wirtschaftlichkeit vergleichen
Das Ministerium für Bildung und Forschung beispielsweise fördert mit dem Regionalen Phosphor-Recycling (RePhoR) gleich sieben Vorhaben, die sich auf die Erarbeitung innovativer wirtschaftlicher Lösungen zum regionalen Phosphor-Recycling ebenso wie auf die verstärkte Nutzung von Phosphor-Rezyklaten konzentrieren. Wie Johannes Pinnekamp (RWTH Aachen) ausführte, gehören zum Verbundprojekt RePhoR das Vernetzungs- und Transfervorhaben TransPhorR, das die Ergebnisse koordiniert und aufbereitet, aber auch standardisierte Prüfverfahren und Produktkriterien für Phosphor-Rezyklate weiterentwickelt und allgemeine Kriterien zur vergleichenden Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und der Ökobilanz erarbeitet.

RePhoR: Sieben auf einen Streich
Zu den regional ausgerichteten Projekten zählen KlimaPhoNds zur klimaneutralen und reststofffreien Klärschlammverwertung mit Phosphorsäure-Produktion, P-Net zum Aufbau eines Netzwerks für ressourceneffizientes Phosphor-Recycling und -Management sowie Amphore zur Entwicklung eines gemeinsamen regionalen Konzepts zur Umsetzung von Phosphorrückgewinnung. Zu RePhoR zählen auch Dreisats, das eine innovative, wirtschaftlich und technisch tragfähige Prozesskette zur thermischen Klärschlammverwertung praxisnah erproben soll, und RePhoRM, das beim regionalen Phosphorrecycling industrielle und agrarische Stoffkreisläufe besonders berücksichtigt. Satellite konzentriert sich auf die Umsetzung eines umfassenden interkommunalen Verbundes, um die Phosphorrückführung in die regionale Landwirtschaft zu maximieren, während im Rahmen von R-Rhenania eine AshDec-Demonstrationsanlage geplant ist.

Ash2Phos-Verfahren: einfach und robust
Ebenfalls noch in der Planung befindet sich die erste Anlage, die in Bitterfeld-Wolfen jährlich 30.000 Tonnen Klärschlammasche nach dem Ash2Phos-Vorgehensweise verarbeiten soll. Tim Bunthoff (Gelsenwasser AG, Gelsenkirchen) verdeutlichte das Funktionsprinzip des Ash2Phos-Verfahrens: Nach Aufschluss der Asche durch Säure und der Entfernung von Silikatsand werden hierbei rückgewinnbare Elemente wie Phosphor, Eisen und Aluminium abgetrennt und danach einzeln separiert. Neben Kalk und vermarktbarem Eisen(III)chlorid und Aluminiumhydroxid fällt Calciumphosphat (PCP) an, bevor in einem nachgeordneten Schritt Schwermetalle abgetrennt und später verwertet werden können. Aus dem eingesetzten Klärschlamm sind typischerweise 90 bis 95 Prozent des Phosphors, 60 bis 80 Prozent des Aluminiums, 80 bis 90 Prozent des Calciums sowie 10 bis 20 Prozent des Eisens rückzugewinnen. Und das Schwermetall im Calciumphosphat ist auf einen Wert unterhalb der Nachweisgrenze abgereichert.

Regelbetrieb im Chemiepark
Bunthoff beschrieb das nötige Ash2Phos-Equipment als „einfach“ und „robust“; zudem generiere das Verfahren definierte Fraktionen in Form von marktgängigen Produkten. Die logische Konsequenz sei deshalb die Positionierung von Phosphor-Recyclinganlagen in Chemieparks gewesen. Im Rahmen des PhorMi-Projekts (Phosphorrecycling Mitteldeutschland) erfolgte denn auch die Entwicklung eines allgemein übertragbaren Konzepts zur Integration des Ash2Phos-Verfahrens in Infrastruktur und umliegende Wirtschaft von Chemieparks – am Beispiel des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen. Als sich die Übertragung des Konzepts auf eine Demonstrationsanlage als erfolgreich erwies, wurde PhorMi2 ins Leben gerufen – als „die weltweit erstmalige großtechnische Anwendung des Verfahrens durch den Bau und Regelbetrieb einer Demonstrationsanlage in einem Chemiepark“. Dieses Projekt befindet sich noch in der Planungsphase.

TetraPhos für 20.000 Tonnen Asche
Informationen über die seiner Meinung nach weltweit erste großtechnische Anlage zur Rückgewinnung von Phosphaten aus Klärschlamm lieferte Roland Ruscheweyh (Hamburger Phosphorrecyclinggesellschaft mbH). Bei dem in Hamburg eingesetzten TetraPhos-Verfahren von Remondis können jährlich rund 20.000 Tonnen Phosphor-haltiger Asche mit einem Lösungsmittel – verdünnter Phosphorsäure – gemischt, extrahiert, filtriert und gereinigt werden. Neben Eisen- sowie Aluminium-Salzen lassen sich so auch Kalzium zur Gipskristallisierung und mineralische Reststoffe zur Wiederverwendung in der Baustoffindustrie gewinnen. Durch Zugabe von Schwefelsäure entsteht eine Suspension, die die in der Klärschlammasche enthaltenen Phosphate herauslöst und schließlich eine kalziumarme Phosphorsäure enthält, die unter dem Markennamen RePacis vermarktet wird. Die Besonderheit des Verfahrens besteht im Lösungsmittel, das nach Reinigung und Aufkonzentrierung immer wieder eingesetzt werden kann. Insgesamt verbleiben von 100 Prozent Phosphat im eingesetzten Klärschlamm 14 Prozent in der Mineralik, drei Prozent im Gips, drei Prozent im Waschwasser und 80 Prozent in der Phosphorsäure. „Diese Anlage und dieses Verfahren“, so Roland Ruscheweyh, „wird zeigen, dass Phosphorrecycling auch wirtschaftlich sein kann.“ In Hamburg sollte der Betrieb Ende 2020 aufgenommen werden.

PHOS4green und Seraplant
PHOS4green entstand aus dem Anspruch, unterschiedliche phosphathaltige Sekundärrohstoffe aus einheimischen Quellen mit einem wirtschaftlichen Verfahren zu Phosphatnährstoffen in gut pflanzenverfügbaren Formen zu verarbeiten. Die beiden Hauptverarbeitungsschritte von PHOS4green – erklärte Jan Kirchhof (Glatt Ingenieurtechnik GmbH, Weimar) – bestehen aus der Erzeugung einer Suspension aus Asche, Phosphorsäure und anderen Nährstoffkomponenten sowie der Herstellung einer Sprühgranulation aus der Suspension, um Düngemittelgranulate zu bilden. Dabei durchlaufen die Rohstoffe zunächst eine chargenweise vorgehende Ansatz- und Reaktionsanlage, der eine auf kontinuierlich arbeitende Wirbelschicht-Anlage zur Granulierung folgt. Optional lassen sich Varianten zur Abreicherung von Schwermetallen aktivieren. Die Vorteile des Verfahrens bestehen in der Möglichkeit, spontane Reaktionen bei der Phosphatumwandlung zu kontrollieren und zu steuern, durch Umsetzung freier Säure in der Suspension Korrosion zu unterbinden und besonders homogene Produkte entstehen zu lassen. Die Technik soll in industriellem Maßstab ab Januar 2021 in der Phosphor-Recyclinganlage Seraplant Anwendung finden, um aus rund 35.000 Tonnen Klärschlammasche etwa 60.000 Tonnen Düngemitteln pro Jahr zu produzieren und somit bis zu 7.000 Tonnen Phosphate der Kreislaufwirtschaft zuzuführen.

Viele Rückgewinnungsquoten unter Schwellenwert
Wie aus einer stichprobenartigen Studie von Veolia zu Rückgewinnungsraten für Phosphor in deutschen Kläranlagen hervorgeht, greifen insgesamt nur sehr wenige Anlagen auf Phosphorgehalte von über 40 g/kg TS zurück. Anders ausgedrückt: Etwa 80 Prozent der von Veolia erfassten Einrichtungen liegen unter diesem Schwellenwert. Matthias Staub (Veolia Klärschlammverwertung Deutschland GmbH, Marktranstädt) befürwortet daher – je nach wirtschaftlich-technischer Vorgabe – zwei Verfahren. Die Phosphorrückgewinnung auf der Kläranlage empfiehlt sich für Material unter 20 g/kg TS, während Klärschlämme nach der Monoverbrennung eine Quote von über 80 Prozent Rückgewinnung erreichen sollten.

PhosForce: Erste Referenzanlage geplant
Als Beispiel für Phosphatgewinnung auf der Anlage wurde 2018 das EU-Projekt PhosForce gestartet, das auf den Bausteinen Struvia-Kristallisation aus Zentrat, thermische Hydrolyse und Versäuerung im Rahmen des Phos4You-Projekts aufsetzt. Das gesamte Projekt endet mit der Errichtung einer großtechnischen Demonstrationsanlage für das PhosForce-Verfahren und soll eine Rückgewinnungsquote von 50 Prozent und mehr aufweisen. Unter Laborbedingungen wurden bereits Rücklöseraten von über 60 Prozent und Phosphat-Entfernungen in der Ausfällung von über 90 Prozent erzielt. Die erste Referenzanlage in Schönebeck ist in Planung, soll 2021 gebaut und in Betrieb genommen werden und 2022 Auskünfte über die erreichten Phosphor-Gehalte im Klärschlamm sowie die tatsächlichen Betriebskosten geben. Die PhosForce-Methodik wird als technisch und wirtschaftlich sinnvoll bei Phosphatgehalten von 20 bis 30 g/kg TS und damit für rund 40 Prozent der erfassten Kläranlagen angesehen.

Wirtschaftlich und flexibel: Pontes pabuli
Als alternatives Verfahren, mit dem Phosphor aus Verbrennungsasche rückgewonnen wird, schlägt Staub pontes pabuli vor, eine Weiterentwicklung des Recophos-Verfahrens in Kombination mit der Seraplant/Glatt-Methode. Die als standardisiert und relativ einfach charakterisierte Technologie besteht aus der Herstellung einer Suspension, Fest-Flüssig-Trennung sowie Granulatherstellung und bietet die Möglichkeit, Schwermetalle abzureichern oder abzutrennen. Pontes pabuli wird als wirtschaftlich bei großen zentralen und auch kleineren dezentralen Verwertungsanlagen charakterisiert und als flexibel hinsichtlich veränderten Marktanforderungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Das Verfahren empfiehlt sich für höhere Phosphorgehalte von über 40 g/kg TS und damit für rund 20 Prozent der erfassten Kläranlagen.

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Abb.: TK Verlag

Kritisch: alternative Verfahren
Alternative thermische Verfahren zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlämmen sind kritisch zu sehen, war dem Vortrag von Peter Quicker (RWTH Aachen) zu entnehmen. Kohlenstoffhaltige Rückstände aus Pyrolyseprozessen besitzen nach jetzigem Erkenntnisstand möglicherweise eine geringere Pflanzenverfügbarkeit als andere Phosphor-Rezyklate und bergen die Gefahr potenzieller Einträge organischer Schadstoffe oder Schwermetalle in die Umwelt. Zudem werden solche Rückstände in der Düngemittelverordnung nicht als Ausgangsstoff für Phosphatdünger aufgeführt, sondern benötigen eine Sondergenehmigung. Beim Mephrec-Verfahren, einer metallurgischen Behandlung von Klärschlamm mit Temperaturen bis zu 2.000 °C , entsteht neben einer Eisenmetall-Legierung eine mineralische, phosphorhaltige Schlacke, die als Granulat für Dünger verwendet werden kann – allerdings mit einem relativ geringen Phosphorgehalt, der unterhalb der Zulassungsgrenze für Düngemittel liegt. Lediglich beim Vergasungsverfahren der Firma Kopf SynGas GmbH & Co. KG fallen nach deren Angaben feste inerte Rückstände an, die sich einer nachgeschalteten Phosphorrückgewinnung zuführen lassen.

Direktvermarktung oder …
Wie markttauglich sind die rückgewonnenen Phosphat-Rezyklate? Fabian Kraus (Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH) hält hier zwei Absatzwege für möglich. Die Direktvermarktung empfiehlt sich, wenn das Recyclingphosphat chemisch unverändert bleibt, aber physikalisch hinsichtlich Düngemittel-Eigenschaften wie Korngröße, Feuchtigkeitsgehalt oder Schüttdichte angepasst wird. Als Direktvermarktung gilt auch die Mischung mit anderen Nährstoffkomponenten, um unter anderem die Pflanzenverträglichkeit zu erhöhen. Die Direktvermarktung durch einen Dritten genießt mögliche Vorteile aufgrund regionaler Produktverwertung und bei Verbindung zum Ökolandbau durch Zugang zu einem Premiummarkt. Allerdings sind Produktabnahme und Preise unsicherer, zumal sich der Betreiber auf einen speziellen Düngemitteltyp festgelegt hat.

… Industrieeinspeisung?
Als zweiter Weg des Rezyklateverkaufs bietet sich die Einspeisung in die konventionelle Düngemittelindustrie. Diese verarbeitet prinzipiell angebotene Recyclingphosphate, Calciumphosphate, teilweise Phosphorsäure, aber auch Ammoniumphosphate als Rohmaterial oder zur Substitution ihrer eigenen Mengen. Bei Angeboten von Magnesium-basierten Phosphatarten, wie zum Beispiel Struvit, Eisenphosphaten wie Vivianit oder Mischprodukten aus Aschebestandteilen, muss das Material zumeist aufbereitet werden und kann daher nur in begrenzten Mengen Verwendung finden. Dieser Vermarktungsweg bietet allerdings Abnahmesicherheit, ermöglicht kalkulierbare Abnahmepreise, schafft Flexibilität hinsichtlich der Düngemittel-Typen und garantiert Phosphorrecycling. Als kritisch erweisen sich die globale und damit möglicherweise nicht-heimische Produktverwertung, Profiteinbußen zugunsten der Düngemittelindustrie und die potenzielle Vermischung von recyceltem und fossil gewonnenem Phosphat.

Europaweite verpflichtend?
Hinsichtlich Zugang zu recycelbaren Klärschlammmengen, deren Aufbereitung sowie ihrer Vermarktung bleibt aber – neben anderem – zumindest eine fundamentale Frage offen: Welche grundsätzliche Ausrichtung wird eine mögliche Novelle der Europäischen Klärschlammverordnung finden? Hans-Peter Ewens (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Berlin) ist skeptisch: „Ob eine europaweite Verpflichtung zur P-Rückgewinnung zur Norm wird, bleibt abzuwarten.“

Die Beiträge der 3. Berliner Klärschlammkonferenz am 16. und 17. November 2020 sind nur als PDF zum Preis von 50 Euro erhältlich unter dem Titel „Verwertung von Klärschlamm 3“, hrsg. von Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker und Stefan Kopp-Assenmacher, ISBN: 978-3-944310-52-7, 2020.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2021, Seite 34, Foto: Hubert Jelinek)