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Bundesrat stimmt Mantelverordnung zu – Die Baustoffrecycling-Branche ist wenig begeistert

Mit der Mantelverordnung will die Bundesregierung einheitliche Regelungen darüber treffen, wie mineralische Abfälle – zum Beispiel Bauschutt – bestmöglich zu verwerten sind.

Neben dem Schutz von Boden und Grundwasser geht es vor allem um eine möglichst hohe Recyclingquote für mineralische Ersatzbaustoffe, die durch Wiederaufbereitung von Baustoffen und aus Reststoffen gewonnen werden. Am 6. November 2020 tagte dazu der Bundesrat. Die Meinungen der Branche über den zukünftigen Erfolg der Verordnung in der jetzigen Form sind geteilt.

Noch im Vorfeld der Beratungen hatten der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Deutsche Abbruchverband (DA) die Empfehlungen des Umweltausschusses des Bundesrats zu den Neufassungen der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) abgelehnt. Ziel müsse sein, „für mehr Nachhaltigkeit im Bausektor zu sorgen, anstatt mit einseitig ausgerichteten Vorschriften das System der Kreislaufwirtschaft zu unterlaufen“, kritisierte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Man brauche auf der Baustelle praxistaugliche Regelungen, fügte HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel hinzu, sonst würde es „zu mehr Deponierung führen und das Bauen unnötig verteuern“. Die Branche benötige keine rigiden Beschränkungen zum Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen, sondern erhöhte Akzeptanz, betonte DA-Geschäftsführer Andreas Pocha.

„Praktikables Regelwerk“ erwartet
Positiv äußerten sich aber am Vortag der Bundesrats-Abstimmung der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung und Baustoff Recycling Bayern über die Berücksichtigung der Forderungen von Verkehrs-, Wirtschafts- und Wohnungsbauausschuss. Mit deren Empfehlungen insbesondere zur Ersatzbaustoffverordnung (EBV) und zur Einführung einer Länderöffnungsklausel seien „die unabdingbaren Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass mit der Ersatzbaustoffverordnung endlich ein rechtlich bundeseinheitliches, verständliches und auch praktikables Regelwerk geschaffen werden kann“, erklärte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.

„Ein richtiger Schritt“
Am 6. November – dem Tag der Abstimmung – bezeichneten der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), die Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe (BRB) sowie die Interessensgemeinschaft der Verwerter und Aufbereiter von Müllverbrennungsschlacken (IGAM) die Beschlüsse als „richtigen Schritt“ und als „pragmatische Entscheidung“. BDE-Präsident Peter Kurth sah darin ein Regelwerk, „das die Akzeptanz von Ersatzbaustoffen und Recyclingrohstoffen stärkt und die Problematik der teilweise regional bestehenden Kapazitätsengpässe bei Deponien nicht weiter verschärft“. Damit könnten Landesregelungen harmonisiert und der Vollzug vereinheitlicht werden. Allerdings appellierten die Verbände auch an die Bundesregierung und den Bundestag, die Beschlussfassung des Bundesrates „kritisch zu prüfen“.

Nachbesserungen notwendig
Die Bauverbände – ZDB, HDE und DA – blieben bei ihrer Kritik. Mit einer Verordnung in dieser Form seien eine sinkende Verwertungsquote bei mineralischen Abfällen und steigender Deponiebedarf vorprogrammiert, ebenso steigende Baukosten im Straßenbau. Nachbesserungen bei Länderöffnungsklauseln für Verfüllungen, eine Entstigmatisierung von Mineralabfällen und die Ausnahme von Recyclingbaustoffen von der Anzeige- und Katasterpflicht seien notwendig, um „Ressourcenschonung für mineralische Abfälle in der Mantelverordnung auch Wirklichkeit werden zu lassen“.

Ausformulierung noch nachschärfen
BDE-Präsident Peter Kurth sah das etwas anders: „Natürlich wollen wir einen stärkeren Einsatz von Recyclingmaterial bei Bauvorhaben. Mit Paragraf 45 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist eine entsprechende Forderung für die Kreislaufwirtschaft bereits verwirklicht. Auch wenn die Ausformulierung des Einsatzes von Recyclingmaterialien für die öffentlichen Beschaffer noch nachgeschärft werden sollte, umfasst dieses Gesetz geradewegs die erwünschte Forderung.“ Trotzdem der Bundesrat gegen eigenständige Regelungen der Länder zu Verfüllungen gestimmt habe, seien Möglichkeiten für örtliche Sonderregelungen gewährleistet. Und BRB-Vorstandsvorsitzender Michael Stoll sah in der Streichung des Einsatzes von Gleisschotter der Klasse GS-0 in Verfüllungen keinen Nachteil, da das Material vor allem in technischen Bauwerken Verwendung finden sollte.

„Eine Rolle rückwärts“
Für den bvse ist laut Pressemitteilung am 9. November die Mantelverordnung „so noch nicht auf der Zielgeraden“. Unter anderem bedeute es „eine Rolle rückwärts“, dass alle Ersatzbaustoffe künftig wieder dem Abfallregime unterliegen sollen. Jürgen Weber, bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Mineralik, befürchtet zudem, dass ohne Länderöffnungsklausel die Genehmigungsbehörden keine Einzelfall-Genehmigungen jenseits von Z0/Z0* erteilen. Mangels ausreichender DK0-Deponien steuere man „unweigerlich auf einen Entsorgungsengpass insbesondere für Millionen von Tonnen Aushubmaterialien zu“. Und ohne ein einheitliches Analyseverfahren für Recycling, Verfüllung und Deponierung von mineralischen Abfällen und Reststoffen seien „Fehlinterpretationen, Unsicherheiten und nicht kalkulierbare Risiken in der Angebotslegung von Entsorgungsleistungen vorprogrammiert“.

„Kritikpunkte nicht so gravierend“
Solche Befürchtungen hegten jene Verbände und Intitutionen nicht, die am 12. Januar einen Brief an Bundesinnenminister Seehofer schrieben. Sie hielten die „verbliebenen Kritikpunkte an der Mantelverordnung“ für „nicht so gravierend“, als dass sie die Verabschiedung der Verordnung verhindern sollten. Zwar müssten zukünftig einige der zurzeit verwerteten Sekundärstoffe deponiert werden, aber dadurch sei kein Deponienotstand zu befürchten. Die Einschränkungen würden durch neue Verwertungsmöglichkeiten kompensiert, sodass lediglich mit einer begrenzten Zunahme zusätzlich zu deponierender Sekundärstoffe zu rechnen sei. Nach zwei Jahren solle ein Stoffstrom-Monitoring erfolgen, um möglichen Fehlentwicklungen schnell begegnen zu können. Die Unterzeichner des Briefes sind sich einig in der Einschätzung, dass die Mantelverordnung in der vom Bundesrat beschlossenen Fassung verabschiedet werden sollte. Sie stelle „eine gute Kompromisslösung“ mit ausgewogener Balance zwischen Umwelt- und Medienschutz auf der einen Seite und einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft auf der anderen Seite dar und biete die tragfähige Chance, „den Umgang mit dem größten Abfallstrom in Deutschland bundeseinheitlich zu regeln“.

Keine zweite Chance
Außerdem – so BDE-Präsident Kurth – werde die Verordnung seit 15 Jahren intensiv diskutiert und „eine zweite Chance dürfte auf lange Sicht nicht wiederkommen“. Dieser Meinung schlossen sich neben dem BDE auch BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), VCI (Verband der Chemischen Industrie), ITAD (Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland), BRB (Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe), bbs (Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden), IGAM (Interessengemeinschaft der Aufbereiter und Verwerter von Müllverbrennungsschlacken), die Wirtschaftsvereinigung Stahl sowie das Institut für Baustoffforschung (FEhS) an.

„Wir stehen zum Baustoff-Recycling!“
Vierzehn Tage später meldeten sich Bauindustrie sowie das Bau-, Abbruch- und Recyclinggewerbe noch einmal zu Wort. Nach Darstellung von bvse, DA, HDB und ZDB unterstütze man zwar „ausdrücklich eine bundeseinheitliche Verordnung, die nicht auf reinen Absichtserklärungen zu mehr Ressourcenschutz beruht, sondern die Weichen sehr deutlich in Richtung einer Stärkung des Baustoffrecyclings stellt“. Doch lasse der Bundesratsbeschluss diese Konsequenz leider vermissen. Die vorliegende Fassung „hemmt Recycling, aber auch die sonstige stoffliche Verwertung und führt zu einem erheblichen Anstieg der Deponierung von wertvollen Bauabfällen“.

Für HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel erschwere die Verordnung mit ihren primär auf Boden- und Grundwasserschutz ausgerichteten Regelungen die Verwertung mineralischer Abfälle. Die Konsequenz: „Viele komplizierte Regelungen und bürokratische Anforderungen werden im praktischen Baugeschehen im Ergebnis zu weniger Verwertung, mehr Deponierung und damit höheren Entsorgungskosten führen.“ Und DA-Hauptgeschäftsführer Andreas Pocha schlussfolgert: Vollzugsprobleme bei Bauherren, Abfallerzeugern und Anlagenbetreibern sind vorprogrammiert. Die unter dem Motto „Wir stehen zum Baustoff-Recycling!“ vereinigten Verbände legen der Bundesregierung daher nahe, „ihre berechtigten Bedenken bei der Beratung zur Mantelverordnung zu berücksichtigen“.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2021, Seite 10, Foto: O. Kürth)

 

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