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EU-Parlament verschärft neuen Kreislaufwirtschafts-Aktionsplan

Die Europäische Union verspricht sich vom neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft „ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“. Was ist von der Version und ihren 132 Punkten zu halten, die das EU-Parlament am 10. Februar 2021 verabschiedete?

Am 11. März 2020 legte die EU-Kommission einen „Neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft – Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“ vor. Die darin aufgeführten Schlüsselmaßnahmen sahen diverse Legislativvorschläge für eine nachhaltige Produktpolitik vor, sollten zur Überprüfung zentraler Produkt-Wertschöpfungsketten wie zum Beispiel von Elektro- und Elektronikgeräten, Altfahrzeugen, Verpackungen und Mikroplastik führen, und traten für „weniger Abfall, mehr Wert“ durch Zielvorgaben zur Abfallreduzierung bestimmter Abfallströme oder Minimierung vorhandener besorgniserregender Stoffe ein.

Die politischen Maßnahmen sollten durch bereichsübergreifende Maßnahmen den Übergang zur Kreislaufwirtschaft unterstützen, sahen „Anstrengungen auf globaler Ebene“ vor und betonten die Überwachung der Fortschritte: durch „Aktualisierung des Überwachungsrahmens für die Kreislaufwirtschaft zur Berücksichtigung neuer politischer Prioritäten und Ausarbeitung weiterer Indikatoren für die Ressourcennutzung“. Der Übergang zu einer Circular Economy werde – so die Schlussfolgerung – „innerhalb und außerhalb der EU systemisch, tiefgreifend und transformativ sein“ und könne bisweilen zu Störungen führen.

Insgesamt 132 Einzelpunkte
Der Umweltausschuss debattierte den Aktionsplan im Oktober 2020 und nahm ihn am 27. Januar 2021 an. Das EU Parlament verabschiedete am 10. Februar das entsprechende Papier, das auf die Berücksichtigung und Einbeziehung einer Reihe bisheriger Pläne, Direktiven, Strategien, Resolutionen und Grundannahmen zur Kreislaufwirtschaft im weitesten Sinne hinwies. Insgesamt 132 Einzelpunkte gaben Auskunft über Vorhaben, Zielvorstellungen und Absichtserklärungen zu Sinn und Zweck des neuen Aktionsplans, in dem neben der Vorstellung eines übergreifenden, „nachhaltigen Produktpolitik-Rahmens“ im Einzelnen Elektronik, Batterien, Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, Mineralstoffe, Lebensmittel und Wasser zur Sprache kamen.

Die Vorschläge legten Gewicht auf langlebigere Produkte, bessere Rahmenbedingungen für die Reparatur sowie produktspezifische Ziele für den Anteil von Sekundärrohstoffen. Die Entwicklung einer Methode für die „Quantifizierung von Umweltauswirkungen digitaler Technologien, Strukturen und Dienstleistungen“ wurde angeregt. Und über die von der Kommission präsentierten Maßnahmen hinausgehend, forderten die Parlamentarier eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Rohstoffen durch Festlegung verbindlicher Ziele für Materialverbrauch und Kon­sumfußabdruck bis 2030. Allerdings formulierten sie keine konkreten Zahlen.

Klares Mandat übermittelt
Umweltorganisationen äußerten sich positiv zum Bericht des EU-Parlaments. Chloé Mikolajczak, Leiterin der Right to Repair Europe-Kampagne, fand, dass „wieder einmal das EU-Parlament Konsumenten und Umwelt in ihrem Kampf gegen Wegwerf-Produkte unterstützt“ und der EU-Kommission das „klare Mandat“ übermittelt habe, „ehrgeizige Maßnahmen zu entwickeln, um Reparatur und Wiederverwendung im Sinne einer wahren Kreislaufwirtschaft zu priorisieren“. Die Parlamentarier hätten umfangreiche Maßnahmen beschlossen, um die Lebensdauer von Produkten zu erhöhen, den Zugang zu Ersatzteilen zu steigern und die Konsumenten mit besseren Informationen zu versorgen.

Das fehlende Puzzleteil: Reduktionsziele
Meadhbh Bolger, Kampagnenleiterin für Ressourcengerechtigkeit beim Umweltnetzwerk Friends of the Earth Europe, wies darauf hin, wie mangelhaft der Vorschlag der EU-Kommission ohne Reduktionsziel gewesen wäre: „Stellen Sie sich den Aufschrei vor, wenn sie ein EU-Klimagesetz ohne ein Emissionsreduktionsziel vorgeschlagen hätten.“

Und auch Stephane Arditi vom Europäischen Umweltbüro betonte, dass „rechtlich bindende Ziele zur Reduktion von Materialnutzung und -verbrauch dringend notwendig waren“. Sie seien das fehlende Puzzleteil in den Vorschlägen der Kommission gewesen. Darüber hinaus hätten die Parlamentarier für die „absolute Reduzierung des Ressourcenverbrauchs“ plädiert und damit die Argumente der Kommission für „grünes Wachstum als eine Strategie der Nachhaltigkeit“ in Frage gestellt.

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Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

Kein Enddatum für Deponierung
Kritik am fehlenden konkreten Enddatum für die Deponierung von Siedlungsabfällen übte Hildegard Bentele als Mitglied des Umweltausschusses. „Das wäre das richtige Signal gewesen, doch dafür fehlten Kommission und Parlament leider die Kraft“, wird die EVP-Abgeordnete zitiert. Die Europäische Union müsse jetzt beim Design von Produkten ansetzen und beim Einsatz von Rohmaterialien, der bislang nur zu zwölf Prozent aus recycelten Materialien gedeckt wird. Dieser Prozentsatz sei deutlich zu erhöhen.

Zusätzlich müssten jedoch auch die Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe auf ein vertrauensvolles Niveau angehoben werden. In ähnlicher Weise reagierte die Umweltorganisation Greenpeace: Sie interpretierte den Bericht zwar als einen ersten Schritt in Richtung eines klimafreundlichen Konsums und Einsatzes von Ressourcen, jedoch sei der Plan bisher sehr vage.

Deponierungsverbot bis spätestens 2031
Negative Anmerkungen kamen von Zero Waste Europe, deren Vertreter bereits im Zuge der Abstimmung im Umweltausschuss darauf aufmerksam gemacht hatten, dass die Abgeordneten die Verbrennung von Abfällen weiterhin erlauben wollen. Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft monierte hingegen insbesondere die Vorschläge zur Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle und Energierückgewinnung.

Zwar begrüßte er die Positionen des Parlaments zu öffentlicher Auftragsvergabe, verpflichtendem Recyclinganteil und innereuropäischen Transporten als „trendsetzend“ beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Doch „wir brauchen ein Deponierungsverbot für recycelbare und rückgewinnbare Abfälle bis spätestens 2031“, betonte BDE-Präsident Peter Kurth. „Auch wenn das Verbot in der jetzigen Resolution nicht geregelt wurde, ist es von zentraler Wichtigkeit und wird auf der Agenda bleiben.“

Maßnahmen wirksam um- und durchsetzen
Auch der Europäische Abfallwirtschafts-Verband FEAD befürwortet die Resolution des EU-Parlaments, unter anderem wegen verpflichtender Recyclinggehalte, obligatorischer Vorgaben zur öffentlichen Beschaffung, verstärkter Getrenntsammlungen und selektiver Sortiersysteme, vorgeschriebener Öko-Design-Regeln hinsichtlich Recycelbarkeit, festzulegender Recycling- und Rückgewinnungsziele für wichtige Produkt-Wertschöpfungsketten sowie der Einführung sicherer und effizienter Abläufe bei Abfallexporten. Allerdings hält der Verband die Deckelung von Restmüll-Mengen (Paragraph 96) für überflüssig, wenn Recyclingziele vorhanden sind, und als undurchführbar in der Praxis. Auch führe die Forderung nach „Verminderung der Verbrennung“ (Paragraph 104) in die falsche Richtung, da die Energierückgewinnung aus Abfällen ein notwendiger Schritt zur Behandlung nicht-recycelbarer Abfälle darstellt. Und schließlich spricht sich die FEAD auch gegen eine EU-weite Harmonisierung der Getrenntsammlung (Paragraph 105) aus, da auf lokaler und nationaler Ebene die jeweils besten treibenden Kräfte für den Erfolg des geeignetsten und effizientesten ökologisch sowie ökonomischen Sammelsystems gefunden werden können. Denn „der Abfallwirtschaftssektor ist ein wichtiger Beitrag zur Decarbonisierung der EU-Wirtschaft“, argumentiert FEAD-Präsident Peter Kurth und fordert von der Politik: eine signifikante Steigerung der Rezyklat-Nachfrage, öffentlich unterstützte Investitionen in Getrenntsammlung sowie Kapazitäten für nicht recycelbare Abfälle und parallel dazu wirksame Maßnahmen in Einklang mit der Abfallhierarchie. „Um die Ziele des Kreislaufwirtschafts-Aktionsplans zu erfüllen, sind eine wirksame Um- und Durchsetzung dieser Maßnahmen unumgänglich.“

Schon in der Plenardebatte hatten die Abgeordneten betont, dass das Erreichen der Ziele des europäischen „Green Deal“ nur möglich sein wird, wenn die EU auf ein Kreislaufwirtschaftsmodell umstellt, und dass dieser Wandel neue Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten schaffen wird. Sie hoben ebenfalls hervor, dass die bestehende Abfallgesetzgebung gründlicher umgesetzt werden müsse.

Die Parlamentsresolution kann unter www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0040_EN.html [2] eingesehen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2021, Seite 6, Foto: hkama / stock.adobe.com)

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