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Altpapier: Hoher Bedarf und positive Aussichten

Dass Altpapier ein zukunftsträchtiger Rohstoff ist und bleiben wird, unterstrich einmal mehr der 23. Internationale Altpapiertag, den der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. wegen der Pandemie in diesem Jahr digital und im TV-Format durchführte.

Der Verbrauch von Altpapier steigt seit Jahren, konstatierte Werner Steingaß, Vorsitzender des Fachverbandes Papierrecycling im bvse, in seinem Impulsvortrag. Weltweit seien mehr als 250 Millionen Tonnen dieses Sekundärrohstoffs verarbeitet worden; dies zeige, dass Altpapier der wichtigste Rohstoff der Papierindustrie ist.

Allerdings seien die zurückliegenden Jahre für die Altpapierunternehmen nicht einfach gewesen, schilderte der bvse-Vizepräsident die aktuelle Situation. So habe sich die Branche auf den Strukturwandel in den asiatischen Märkten einstellen müssen, was für die exportierenden Unternehmen eine große Herausforderung gewesen sei. „Nun erleben wir seit Anfang dieses Jahres die Auswirkungen des Lockdown, der die Altpapiererfassungsmengen deutlich reduziert hat.“ Damit einhergehend habe dies zu einem drastischen Angebotsrückgang von Altpapier und zu Preisbewegungen geführt, die die Branche in diesem Ausmaß noch nie registriert habe.

Seiner Ansicht nach sind die Branchenunternehmen aber in der Lage, auf diese Entwicklung zu reagieren, denn sie seien professionell aufgestellt, international gut vernetzt und könnten sich auf Veränderungen schnell einstellen, betonte Werner Steingaß. Um weiterhin erfolgreich arbeiten zu können, sei der Wirtschaftszweig jedoch auf die richtigen politischen Rahmenbedingungen angewiesen. So vertritt der bvse die Position, dass qualitativ aufbereitetes und normiertes Altpapier als wichtiger Sekundärrohstoff aus dem Abfallbegriff herausgenommen werden sollte. Es sei auch wichtig, dass der freie weltweite Handel mit Altpapier weiterhin erlaubt sei. Gleichzeitig müsse die Bürokratie beim grenzüberschreitenden Handel abgebaut werden.

Auf der Wunschliste des Fachverbandes Papierrecycling stehen ebenfalls weltweit bessere Altpapier-Sammelstrukturen. Um die Versorgung der internationalen Papierindustrie mit qualitativ hochwertigem Altpapier sicherzustellen, müsse der sekundäre Rohstoff getrennt von anderen Materialien erfasst werden. Steingaß zeigte sich davon überzeugt, dass angesichts der wachsenden Weltbevölkerung der Bedarf an Verpackungen und damit an Altpapier stetig zunehmen wird. Sein Fazit: Altpapier hat Zukunft!

Die Märkte
Vor der Pandemie wurde in Europa mehr Altpapier gesammelt als die europäische Papierindustrie einsetzte. Von den erfassten rund acht Millionen Tonnen, für die es keine Abnehmer gab, wurde der Löwenanteil an die entsprechenden Branchen in der Volksrepublik China verkauft. Allerdings hat das asiatische Land mittlerweile seine Einfuhrpolitik geändert. Ab Ende 2017 reduzierte China die Altpapierimporte und stoppte schließlich die Einfuhr des Sekundärrohstoffs.

Andreas Otto, Geschäftsführer der Melosch Export GmbH und Vorstandsmitglied des bvse-Fachverbands Papierrecycling, berichtete in einem Videobeitrag über die Folgen der neuen chinesischen Importpolitik. „Der Markt sackte zunächst ab, konnte sich aber schnell stabilisieren. Zwar zu niedrigeren Preisen, aber auskömmlich und damit konnten wir arbeiten.“ Laut bvse bedeutete diese Kehrtwende Chinas nicht nur für Melosch viel Arbeit, sondern auch für die europäischen Altpapierunternehmen, die ihre Ware nach China lieferten, denn für das überschüssige Altpapier mussten neue Märkte gefunden werden; Hauptabnehmer sind derzeit sowohl Indien als auch Indonesien, Malaysia, Vietnam und Thailand. Das Geschäft hat sich jedoch geändert. Während viele Jahre lang bewährte chinesische Kontakte berechenbare Geschäfte ermöglichten, mussten auf einmal neue Geschäftsbeziehungen aufgebaut und sich mit neuen rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut gemacht werden. „Das war mühsam und nicht einfach“, berichtete Andreas Otto, der auch als Vizepräsident der European Recovered Paper Branch (ERPA) im Dachverband EuRIC (European Recycling Industries’ Confederation) fungiert.

Nach der Pandemie erwartet er ein erneutes Anziehen der Sammelmengen. Ähnliches sagt er auch für den Seefrachtmarkt voraus, der aktuell unter einer erheblichen Containerverknappung leidet, die zu „historisch hohen Seefrachten“ geführt habe. Auch geht er davon aus, dass sich der Überseemarkt insgesamt erholen wird. „Verbunden mit einer sich deutlich steigernden Nachfrage infolge einer florierenden Papierindustrie in Übersee birgt die Entwicklung mehr Chancen als Risiken“, zeigte sich Andreas Otto mit Blick auf den Altpapierexport überzeugt.

Hannah Zhao von Fastmarkets RISI konstatierte, dass die chinesischen Altpapierimporte von 28,5 Millionen Tonnen im Jahr 2016 auf weniger als sieben Millionen Tonnen in 2020 gesunken sind. Die europäischen Lieferungen gingen 2019 um 39 Prozent zurück und reduzierten sich im vergangenen Jahr um weitere 33,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahmen die Importe aus Nordamerika um 16 Prozent auf etwa fünf Millionen Tonnen ab; als Grund nannte sie den hohen Faseranteil in nordamerikanischer Kaufhausware (OCC = old corrugated containers). Ende 2020 hat China Altpapierimporte ganz gestoppt.

Infolge dieser Politik hat sich die chinesische Papierindustrie neu ausgerichtet. Um die entstandene „Faserlücke“ zu schließen, nutzten die Papierfabriken mehr Holzfasern, die entweder importiert oder im Land hergestellt wurden. Hinzu kamen neue Zellstoffprojekte. Außerdem importierte das Land im vergangenen Jahr verstärkt mehr Recycling-Zellstoff (recycled pulp); im Jahresvergleich (Januar/Februar 2021) erhöhten sich die Einfuhren von Recycling-Zellstoff um etwa 40 Prozent. Darüber hinaus verbesserte sich die inländische Altpapiererfassung. Chinesische Firmen investieren zudem in Papier- und Kartonkapazitäten in Südostasien, charakterisierte Hannah Zhao die Entwicklung auf dem chinesischen Markt.

Wegen des Fasermangels hat die Volksrepublik die Produktion von Zeitungsdruckpapier und Karton zurückgefahren. Um den Bedarf zu decken, importierte das Land von 2018 bis einschließlich 2020 deutlich mehr Wellpappenrohpapiere (containerboard), wobei die Quellen hauptsächlich asiatische Staaten waren. Aus Europa bezog China 350.000 Tonnen im Jahr 2019 und 1,4 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr. China werde mit den Importen von Recycling-Zellstoff und Containerboard für seine Standorte die globalen Altpapiermärkte auf alle Fälle weiterhin wesentlich beeinflussen, hob die Referentin hervor.

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Abb.: bvse Webseite

Mittlerweile konzentrierten sich die Altpapierausfuhren aus den USA und Europa auf die wachstumsorientierten Länder in Südostasien und Indien, bestätigte der Präsident der Global Recycling Foundation, Ranjit S. Baxi. Der Schwerpunkt seines Vortrags war Indien, dessen Bevölkerung Schätzungen zufolge bis 2035 um 250 Millionen Einwohner auf mehr als 1,4 Milliarden Menschen angewachsen sein wird. Die Papiernachfrage ist seinen Angaben zufolge in den zurückliegenden Jahren beständig angestiegen. Der Grund dafür ist laut Baxi nicht nur die zunehmende Bevölkerung, sondern auch der steigende Konsum infolge der wirtschaftlichen Entwicklung. Die jährliche Papierproduktion der mehr als 600 indischen Papierfabriken im Umfang von derzeit 18 Millionen Tonnen soll bis zum Jahr 2025 auf rund 23 Millionen Tonnen zunehmen, informierte Baxi. Der Papierverbrauch dürfte weiter steigen und 25 Millionen Tonnen erreichen. Außerdem sagte der Fachmann voraus, dass Indien auch ein wichtiger Markt für Neupapiere sein wird. Faserimporte würden auch weiterhin von Bedeutung sein; 2010 betrug die eingeführte Menge etwa zwei Millionen Tonnen, heute seien es fünf Millionen Tonnen. Das Land leide wie auch andere asiatische Länder unter einem Fasermangel. Um dem chinesischen Bedarf an Kraftpapieren für Verpackungen entgegenzukommen, exportiere Indien – wie auch andere Länder in der Region – Wellpappenrohpapiere in die Volksrepublik.

Kelly McNamara, Senior Market Analyst bei Numera Analytics, informierte über die Verschiebungen auf dem nordamerikanischen Altpapiermarkt, der zu einer Balance geführt hat, zumal der gestiegene inländische Verbrauch die weggebrochenen Exportmengen nahezu ausgeglichen hat. Zudem hob sie mit Blick auf den künftigen Bedarf von Kaufhausware (OCC) hervor, dass es weltweit zwischen 2020 und 2023 zu Kapazitätsausweitungen in den Bereichen Recycling-Zellstoff und Wellpappenrohpapiere um etwa 12,5 Millionen Tonnen kommen soll. Nach ihrer Einschätzung wird die steigende OCC-Nachfrage Druck in Richtung einer Preissteigerung ausüben.

In den aufstrebenden Wachstumsmärkten boomt der e-Commerce. Und mit ihm die Nachfrage nach Wellpappenrohpapieren für Verpackungen, konstatierte der bvse in diesem Zusammenhang. Beschränkungen und Verbote für Einwegkunststoffe und -verpackungen heizten die Nachfrage nach papierbasierten Verpackungslösungen in den neuen Hauptabnehmerländern zusätzlich an.

Ulrich Leberle vom europäischen Verband CEPI (Confederation of European Paper Industries) unterstrich, dass sich die europäische Altpapierbranche in den Höhen und Tiefen mit großen Schwankungen am Markt als resilient erwiesen habe. Jedoch seien noch viele Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den wachsenden Verpackungsmarkt, zu meistern. Essenzieller Schlüssel zum Erfolg sei ein gemeinsames Verständnis in der EU für die Erfassung, Sortierung und Qualität von Altpapier, betonte der CEPI-Direktor für Rohstoffe.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2021, Seite: 18, Autorin: Brigitte Weber, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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