- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit bergen auch Zielkonflikte

„Design for Recycling“ sollte nicht alleine wegen des europäischen Green Deals bei allen Beteiligten des Papierkreislaufs ganz oben auf der Agenda stehen. Diese Ansicht vertraten Experten auf dem zurückliegenden 23. Internationalen bvse-Altpapiertag.

Wie Dr. Carl Dominik Klepper in seinem Vortrag verdeutlichte, bergen in der Novelle der Verpackungsrichtlinie, mit der die EU-Richtlinie 2019/904 in deutsches Recht umgesetzt werden soll, die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit Zielkonflikte. Der im Gesetzentwurf angedachte Vorschlag von 95 Prozent Recyclingfähigkeit bis 2030 klinge zwar gut, sagte der Geschäftsführende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt (AGVU), könnte aber in Zielkonflikt mit anderen ökologischen Vorgaben wie beispielsweise der Ressourcenminimierung geraten. So sei gut recycelbares Monomaterial häufig schwerer als mehrschichtig aufgebautes Verpackungsmaterial. Auch gelte es, Fehlanreize durch ehrgeizige Zielvorgaben zu vermeiden.

Wiederverwertung muss Ziel sein
„Der Einsatz von faserbasierten Verpackungen ist ein sehr sinnvoller Mega­trend im Zuge der Ökologisierung der Gesellschaft“, erklärte Philipp Kosloh, Chief Operating Officer des Papier- und Verpackungsherstellers Progroup. Die hohe Altpapierverwertungsquote von 90 Prozent und der exzellent aufgebaute Recyclingkreislauf für Verpackungen seien Treiber dafür, dass circa 25 Prozent der Kunststoffverpackungen in Zukunft durch faserbasierte Produkte ersetzt würden.

„Wichtig ist jedoch, dass es kein Trend zum Greenwashing wird“, warnte Kosloh. Mittlerweile sei zu beobachten, dass der Anteil papierbasierter Verpackungen, in die Barriereschichten aus Kunststoff integriert seien, zunehme. Diese seien jedoch nur schwer oder gar nicht recycelbar und führten zu Verunreinigungen im Altpapier, die mit drei bis vier Prozent heute schon zu hoch seien. Kosloh: „Es ist keinesfalls das Ziel, von gut recycelbaren Monoverpackungen wegzukommen und auf Verbundverpackungen umzusteigen.“ Beim Produktdesign müsse die Recyclingfähigkeit im Blick behalten und darauf fokussiert werden, dass der Verbraucher die Verpackung eindeutig einer Fraktion für eine sortenreine Sammlung zuordnen kann. Die Verbraucher würden sensibler und den Markt weiter in Richtung Nachhaltigkeit treiben.

Die optimale Rezeptur finden
Wichtig im Kontext des Verpackungsrecyclings sei eine klare, europaweit harmonisierte Definition für das Testen der Recyclingfähigkeit. Dafür sprach sich Lydia Tempel, Head of Department Recycling and Digitalisation in der PTS Papiertechnischen Stiftung, aus und verwies auf eine von der CEPI erarbeiteten Bewertungsmethode, die bald zur Anwendung kommen werde.

Der Forschungsbedarf sei weiterhin hoch, führte die Referentin aus, nicht jede Verpackung eigne sich für ein hochwertiges stoffliches Recycling, und Design for Recycling sei entsprechend wichtig im frühestmöglichen Stadium. Die Forschung könne hier mit Daten über die jeweiligen Materialien und über die Prozesse unterstützen, sodass eine flexible Sortierung und Aufbereitung in Abhängigkeit vom Material möglich werde. Dabei könne die digitale Transformation und Datenübermittlung zwischen den Stakeholdern eine unterstützende Rolle spielen. Auch die Erkennung der Altpapierzusammensetzung bei der Eingangskontrolle werde sich weiter entwickeln, um frühzeitig die optimale Rezeptur für die Papiermaschine durch Auswahl der Ballen erreichen zu können. Dabei könne in der Zukunft auch künstliche Intelligenz eine Rolle einnehmen.

Bis ans Ende der Kette denken
„Das Kunststoffbashing führt dazu, dass Konsumgüterverpackungen zu sehr in die Papierverpackung gedrängt werden, obwohl dies auch aus Ökobilanzsicht nicht immer sinnvoll ist“, beklagte Henry Forster, Mitglied des geschäftsführenden bvse-Präsidiums und Vorsitzender des bvse-Kreislaufwirtschaftsausschusses. Ein großes Manko sei zudem, dass die Recyclingfähigkeit bei der Produktion der Verpackung festgestellt wird und nicht etwa nach deren Gebrauch. Eine ungünstige Handhabung, wie beispielsweise das Aufbringen von Aufklebern oder die intensive Verwendung von Paketklebeband für den Transport, könnten dazu führen, dass die Verpackungen am Ende für das Recycling nur noch stark eingeschränkt oder ganz unbrauchbar sind, schilderte Forster.

Welches Erfassungssystem?
Mit der Zunahme kunststoffbasierter Barriereschichten in Papierverpackungen spiele zudem die Wahl des richtigen Erfassungssystems eine entscheidende Rolle. Die Altpapierbranche kämpfe schon bislang mit einer zunehmenden Verschlechterung von Qualitäten, stellte Forster fest. Die erreichten hohen Standards im Papierrecycling-Kreislauf dürften nicht verwässert werden. Weder das Szenario, dass minderwertige Verbundverpackungen in einem hochwertigen Altpapiersammelsystem (blaue Tonne) landen, noch jenes, dass hochwertige Fasern in der Gelben Tonne/Gelben Sack verschwinden – und damit unwiderruflich für das Altpapierrecycling verloren gehen – seien im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft akzeptabel, hob Forster hervor.

„Die Kunststoff-Barriereschicht lässt sich durch eine trockene Sortierung bislang nicht von der Faser trennen. Und da Papierfabriken strenge Grenzwerte für papierfremde Bestandteile vorgeben, ist es denkbar, dass es zunehmend zu Akzeptanzproblemen im Rahmen der Altpapiereingangskontrolle in den Fabriken kommen wird“, ergänzte bvse-Geschäftsführer Thomas Braun die Problematik der Aufbereiter. Dies ließe sich zwar durch den Einsatz von zusätzlicher, aufwändiger Aufbereitungstechnik in den Sortierbetrieben vermeiden. Nur stelle sich die Frage, wer die Kosten dafür trägt und wohin denn dann mit den aussortierten Barriereverpackungen?

An einem Strang ziehen
Die Entwicklung kreislauffähiger Packstoffe erfordere das Zusammenspiel aller an der Kreislaufwirtschaft Beteiligten. Industrie, Behörden und Verbände müssten sich ebenso wie Sammler, Recycler und Verbraucher gleichermaßen verantwortlich in diesen Prozess involvieren und an einem Strang ziehen. Dazu rief Martin Luh, Global Packaging Base Material Management (Paperboards) bei Nestlé in Österreich, auf. Als Unternehmen versuche man, Prozesse, Rohstoffe und Verpackungen klimaneutral zu gestalten. Eine große Herausforderung sei, Widersprüche zwischen politischen Wünschen und technischen Möglichkeiten unter einen Hut zu bringen und einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Der Hauptfokus bei der Entwicklung alternativer Packstoffe liege vordergründig auf der Substitution von Materialien, die nicht oder nur schwer recyclingfähig sind. Dazu zählten verschiedene Verbunde. Die Betrachtung der Verpackung dürfe nicht isoliert geschehen, „sondern man muss das verpackte Produkt und seinen Schutzbedarf in seiner Umgebung sehen. Danach lässt sich die Verpackung denken.“ Einen restlosen Austausch von Kunststoff gegen faserbasierte Materialien sieht Luh nicht „top on the list“ und folgerte: weil eine Reihe von Kunststoffen recyclingfähig seien und sie Barriereeigenschaften mit sich brächten, die dem Produktschutz dienten und somit der Vermeidung von Lebensmittelverlust. Als global agierendes Unternehmen ziele Nestlé auf eine weitläufige Recyclingfähigkeit ab, nicht auf eine rein regionale Lösung.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2021, Seite: 10, Foto: jacqueline macou / pixabay.com)

 

[1]

Anzeige