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Schraubverschlüsse von Getränkeflaschen: „Kleinvieh macht auch Mist“

18 Milliarden PET-Getränkeflaschen wurden 2019 in Deutschland benutzt. Da der Schraubverschluss einer solchen Flasche rund zwei Gramm wiegt, entstanden binnen eines Jahres insgesamt 36.000 Tonnen an Kunststoffabfällen. Was geschah und geschieht mit diesem Stoffstrom?

Grundsätzlich besteht das Problem beim Recycling von Getränkebehälter-Verschlüssen darin, dass sie überwiegend aus anderem Kunstharz als die Getränkehülle gegossen wurden. Die meisten Deckel bestehen aus Polypropylen (PP, Kunststoff #5), einige bei Sportgetränken aus hochdichtem Polyethylen (HDPE, Kunststoff #2), während Getränkebehälter typischerweise aus PET (Kunststoff #1) gefertigt werden. Hinzu kommt, dass ihre Erfassung sowie die weitere Behandlung vom Flaschentyp abhängen. Bei Mehrwegflaschen werden im Rücklauf die Deckel separat erfasst, als Kunststoff recycelt und das Recyclingmaterial zu gänzlich neuen Produkten verarbeitet. Eine Wiederverwendung des alten Verschlusses ist nicht möglich – sagt CocaCola –, weil bei der ersten Öffnung der Flasche das „original-verpackt“-Siegel am Schraubverschluss reißt und später damit nicht wieder versiegelt werden kann.

Deckel drauflassen
Bei Einweg-Flaschen hingegen wird den Verbrauchern empfohlen, den Deckel auf der Flasche zu lassen. Das erleichtere das Pressen im Supermarkt sowie den Transport in die Recyclinganlage. Dort zerkleinert ein Schredder Flasche samt Verschluss. Da beide aus unterschiedlich dichten Kunststoffen bestehen, lassen sich die Materialien bereits durch ein Schwimm-Sink-Verfahren einfach trennen: Die Flaschen sinken zu Boden, während der Deckel schwimmt. Zur Entsorgung von Deckeln für Getränkekartons empfiehlt Verpackungsspezialist Lizenzero, das Teil abzuschrauben und in den Gelben Sack zu werfen. Im weiteren Verlauf kann dann das HDPE der Schraubverschlüsse vom PE/Aluminium-Strom getrennt werden.

Noch scheint sich hierzulande kaum jemand um das potenzielle Recyclingmaterial zu kümmern. Von speziellen kommerziellen Sammlungen dieses Materials ist nichts bekannt. Lediglich Remondis berichtete 2017 von rund 150 Millionen und damit insgesamt 300 Tonnen Flaschendeckeln, die der Verein „Deckel drauf“ im Rahmen der Rotary-Kampagne „End Polio now“ im Verlauf von zwei Jahren sammelte und an die Kunststoffverwertung von RE Plano in Lünen und von Rhenus PET-Recycling in Lüneburg verkaufte.

Ansonsten dürfte der Rücklauf von Kunststoffdeckeln und Schraubverschlüssen mehr oder weniger regelmäßig durch Getränkeunternehmen oder über den Gelben Sack erfolgen. Noch 2019 betonte Krzysztof Krajewski, Leiter Verpackungsinnovation bei der vormals Reckitt Benckiser Deutschland GmbH, dass behandeltes Polypropylen als rPP das Potenzial hat, „wirklich nützlich zu sein“. Aber bisher hätten es „nur wenige Unternehmen eingesetzt“.

Aus 100 Prozent rPP
Zu den wenigen Firmen, die sich über die weitere Behandlung von Getränkeflaschen-Deckeln Gedanken gemacht haben, zählt zweifelsfrei Werner & Mertz. Bereits im September 2017 wurden die Anstrengungen ihrer Recyclat-Initiative belohnt. Die Entwicklung von Klappdeckel-Verschlüssen aus 100 Prozent recyceltem Polypropylen (rPP) aus dem „Gelben Sack“ wurde mit dem Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnet. Die Jury lobte die Produktentwickler von Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH: „Sie haben es geschafft, aus

Haushaltsverpackungsabfällen ein Polypropylen-Re-Granulat zu fertigen, das die sehr hohen Anforderungen an einen Klappdeckelverschluss im Spritzgussherstellungsprozess wie auch in der Anwendung und hier insbesondere hinsichtlich der Festigkeit des Scharnierbandes und der Fallbruchfestigkeit erfüllt.“ Und Immo Sander, Leiter der Verpackungsentwicklung bei Werner & Mertz ergänzte: „Mit der Verwendung von Rezyklaten aus Polypropylen für unsere Verschlüsse, die vollständig aus dem ‚Gelben Sack‘ gewonnen werden, konnten wir einen weiteren Schritt in der Entwicklung nachhaltiger Verpackungen gehen.“ Im Februar 2019 stellte Werner & Mertz außerdem einen vollständig recycelfähigen Standbodenbeutel vor, bei dem Ausgießöffnung und Deckel aus einem Stoff, nämlich Polyethylen, bestehen. Dieses Monomaterial soll sich durch Recycling zu einem Rezyklat in nahezu gleicher Qualität wie das Ausgangsmaterial verarbeiten lassen.

Tube wie Deckel aus HDPE
Albéa, einer der weltweit größten Produzenten von Kosmetik-Verpackungen, hat vor kurzem ein neues recycelbares Material entwickelt und auf den Markt gebracht. Das nicht näher bezeichnete HDPE wird sowohl für die Herstellung von Kunststoff-Tuben wie auch deren hochziehbaren Schnappdeckeln genutzt. Es liefert ein Recyclingmaterial, das per Blasform-Verfahren zur Herstellung von qualitativ hochwertigen Anwendungen wie Flaschen mit einer 25-prozentigen Konzentration genutzt werden kann.

Eine Laboranalyse des Instituts für Kunststofftechnologie und -recycling (IKTR) in Weißandt-Gölzau ergab, dass das Material vollständig kompatibel mit dem RecyClass Recyclability Evaluation Protocol for HDPE Containers ist. Der Vorteil des neuen Kunststoffs soll darin bestehen, die weitverbreitete Verwendung von PP-Deckeln auf HDPE-Tuben zu reduzieren und damit die Qualität des Hartplastik-Recyclingstroms zu verbessern.

Neue Regel ab Juli 2024
In den Vereinigten Staaten haben Bundesstaaten wie California, Massachusetts, New Jersey, North Carolina und Pennsylvania Gesetze erlassen, die das Recycling von Kunststoff-Flaschen vorschreiben. Aber sie enthalten keine Angaben über Deckel oder Kappen. Das online-Magazin Thought.Co merkt an, dass in den USA etliche Recyclingprograme Plastikverschlüsse akzeptierten, aber normalerweise nur, wenn sie vollständig vom Behälter getrennt wurden und als separate Charge vorliegen. Die meisten Recycler würden es lieber vermeiden, beides zusammen anzunehmen.

In Deutschland hingegen bestimmt die Verordnung zur Kennzeichnung von Einwegkunststoff, dass Verschlüsse und Deckel von Getränkebehältern aus Kunststoff ab Juli 2024 fest mit dem Getränkebehälter verbunden sein müssen. Die neue Regel soll nach Ansicht des Umweltbundesamtes verhindern, dass die abgetrennten Verschlüsse und Deckel in der Umwelt landen.

Entsorgung für 242 US-Dollar?
Bis zum Inkrafttreten der Verordnung liegt es hierzulande am Verbraucher, gemäß den Empfehlungen der Getränkeunternehmen die Verschlüsse auf den Flaschen zu belassen oder sie über den Gelben Sack dem Recycling zuzuführen. Keineswegs sollten sie sich auf zusätzliche Entsorgungswege einlassen, wie sie beispielsweise TerraCycle anbietet. Das Unternehmen gibt vor, zugesandte Getränkeflaschen-Deckel mechanisch und/oder manuell in Metalle und Kunststoffe zu trennen, erstere fürs Recycling einzuschmelzen und letztere zu extrudieren und zu pelletieren, um sie in neue Kunststoffprodukte zu gießen. Bekanntermaßen hält sich das Unternehmen aber traditionell sehr bedeckt bei Informationen darüber, auf welche Art und Weise konkret bezeichnete Endprodukte aus seinem Recycling resultieren sollen. So auch in diesem Fall. Dennoch regt das Unternehmen an, Getränkeflaschen-Deckel zu sammeln und in einer sogenannten Zero-Waste-Box an TerraCycle zu schicken: Der kleinste Karton soll 102 US-Dollar, der größte 242 US-Dollar kosten.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2021, Seite: 21, Foto: Blisko_Przyrody / pixabay.com)

 

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