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Frühjahrstagung des BIR: Restriktionen verkomplizieren den Handel mit sekundären Rohstoffen

Während der Frühjahrstagung des Bureau of International Recycling (BIR), die wegen der Pandemie auch dieses Mal online abgehalten wurde, waren Restriktionen sowohl im Export als auch im Import ein wichtiges Thema nicht nur der Metall-Fachsparten.

Schon am ersten Tag der internationalen Tagung des Weltrecyclingverbands bildeten die Überlegungen der Europäischen Kommission, die Regeln für die grenzüberschreitende Abfallverbringung zu ändern, einen Schwerpunkt bei der Sitzung des Internationalen Umweltrats. Geplant ist unter anderem eine Ausfuhrbeschränkung für Materialien, die als „Abfall“ bezeichnet werden. Der Vorschlag der Kommission sieht auch vor, dass Empfänger in importierenden Ländern im Hinblick auf menschliche Gesundheit und Umweltschutz unter weitgehend gleichwertigen Bedingungen ihren Betrieb führen sollen wie die Unternehmen in der EU. Julia Blees vom europäischen Verband EuRIC (European Recycling Industries‘ Confederation), die über die geplanten Änderungen berichtete, schlug in diesem Zusammenhang vor, bei Exporten zwischen Ländern, die der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) angehören, und Nicht-OECD-Staaten zu unterscheiden, zumal die erstgenannte Gruppe ähnliche Standards einhalte wie jene, die in der EU gelten.

Olivier François (Galloo Group, Belgien), Vorsitzender des Internationalen Umweltrats, vermutet, die Absicht der EU-Kommission, die Exportrestriktionen zu verschärfen, könnte schädlich für die Ausfuhrströme von vielen Recyclingmaterialien sein. In Anbetracht des in Europa vorhandenen Überschusses an Sekundärrohstoffen, die vom europäischen Markt nicht aufgenommen werden können, befürchtet er internationale Spannungen, weil viele Entwicklungsländer die Rohstoffe benötigen.

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Foto: Marc Weigert

Gastredner Aurelio Braconi vom europäischen Stahlverband Eurofer zeigte sich dagegen besorgt, dass sich das Gefälle von Praktiken und Standards in Europa und dem Rest der Welt vergrößern könnte. Seinen Worten zufolge ist es wichtig, dass für Schrott einführende Länder gleichwertige Bedingungen gelten, zum Beispiel hinsichtlich der umweltgerechten Behandlung von Abfällen. Schrott sei ein wesentlicher Rohstoff. Die Industrie möchte größere Mengen dieses sekundären Rohstoffs einsetzen und ihre Ressourceneffizienz erhöhen. Viele Hersteller suchten Wege, um ihr Produkt-Portfolio aus Schrott zu vergrößern. Um dies zu erreichen, spielten nicht nur Angebot und Nachfrage eine Rolle, sondern auch die Qualität.

Prognose: Chinas Bedarf steigt
Auch während der Sitzung der Fachsparte Eisen & Stahl waren die Pläne der EU-Kommission ein Thema. Die Wurzel des Problems sei, dass Stahlschrott in Europa als Abfall definiert werde, obwohl er die Anerkennung als „recyceltes Rohmaterial“ verdiene, argumentierte Fachspartenpräsident Gregory Schnitzer (Sims Metal Management, USA).

Mit Blick auf das Marktgeschehen berichteten Tom Knippel (SA Recycling, USA) und Denis Reuter (TSR Recycling GmbH & Co. KG, Deutschland), dass sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa die Generierung von Produktionsabfällen („prime scrap“) signifikant geringer ausfällt. Verantwortlich dafür seien Fertigungsprobleme in der Automobilbranche.

Die Volksrepublik China, die bis vor kurzem drastische Importbeschränkungen verhängt hatte, öffnet sich wieder langsam. Laut dem Gastredner Lee Allen, Reporter beim Informationsdienst Fastmarkets, liegt das an der im 14. Fünfjahresplan festgeschriebenen Politik, die Rohstahlproduktion des Landes zurückzufahren und den Einsatz der schrott-intensiven Elektrolichtbogenöfen gegenüber der traditionelleren Hochofen-Route zu intensivieren. Dieser Politikwechsel bedeute, dass das Land seine Abhängigkeit von Eisenerz reduziere und den Import von Schrott und Stahlknüppeln steigere. Seiner Einschätzung zufolge könnte der Schrottbedarf der Volksrepublik in diesem Jahr um weitere 20 Millionen Tonnen nach oben schnellen. Manche Experten nähmen an, dass die Importmenge des Landes sogar bis auf etwa zehn Millionen Tonnen steigen könnte. Bei Fastmarkets herrsche jedoch der Glaube vor, dass die chinesische Rohstahlproduktion 2022 ihren Höchststand erreichen werde.

 

 

Die Lockerung der chinesischen Einfuhrbeschränkungen hat dazu geführt, dass nach den Angaben von Fastmarkets allein im März dieses Jahres über 31.000 Tonnen Stahlschrott – mehr als 65 Prozent der importierten Menge – aus Japan bezogen wurden. Als Grund nannte Lee Allen, dass Japan gesuchte Schrotte (plate and structural scrap) in relativ geringen Tonnagen liefern könne, die sich für Testlieferungen eigneten. Jiak Lim (Zhejiang Metals and Materials, Singapur) wies in diesem Zusammenhang auf die kurze Transportzeit von Japan, aber auch Südkorea, hin. Außerdem sei die Wahl Japans als Lieferant von der Tatsache beeinflusst, dass viele japanische Großunternehmen über Büros in China verfügten. Des Weiteren geht Jiak Lim davon aus, dass aufgrund der aktuellen chinesischen Politik die Schrottpreise weltweit anziehen werden. In Asien hätten sich die Importpreise für Stahlschrott fast verdoppelt.

Verschärfungen im NE-Bereich
In der Sitzung der Fachsparte NE-Metalle standen Handelshemmnisse durch Einschränkungen beim Im- und Export ebenfalls im Mittelpunkt.

Laut Eric Tan, Gründer und Präsident der Malaysia Non-Ferrous Metals Association (MNMA) sowie Direktor von SDM Specialty Chemicals Sdn Bh, könnte in Malaysia der Entwurf für neue Importrichtlinien die Einfuhr von beispielsweise isoliertem Kupferdraht, Zorba, Edelstahlschrott und Gussbruch gefährden. Die vom Standard & Industrial Research Institute of Malaysia (SIRIM) entworfenen Richtlinien würden nicht nur Mindestwerte für den Metallgehalt festlegen, sondern auch Maximalwerte für andere Materialien, die viele der bestehenden Importe ausschlössen. Gefordert würden auch Inspektionen vor und nach dem Transport – ein Kontrollniveau, das noch nicht einmal das Basler Abkommen für gefährliche Abfälle verlange. Wie er betonte, verhandelt die MNMA mit den malaysischen Behörden hinsichtlich der vorgeschlagenen Verschärfung der Importkontrollen. Ziel sei es, einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu erreichen und zu verhindern, dass Malaysia Nachteile gegenüber anderen Ländern in Südostasien hat. Gemäß den geplanten Veränderungen werde die malaysische NE-Metallindustrie beispielsweise die höheren Inspektionskosten und die möglicherweise höheren Prozesskosten der ausländischen Lieferanten wohl bezahlen müssen.

Auch die Pläne der EU bereiten der Branche Sorgen. Murat Bayram (European Metal Recycling) hob die zunehmenden Bestrebungen in Europa hervor, den Abfluss von Materialien der Recyclingindustrie einzudämmen. Sollten Exportrestriktionen eingeführt werden, würde dies zum Kollaps der bestehenden „grünen“ Recycling-Infrastruktur führen, die auf den ungehinderten Zugang zu den Endmärkten überall auf der Welt angewiesen sei, warnte er. „Wenn wir wirklich Recycling weltweit forcieren wollen, waren, sind und werden Exporte wichtig.“ Die Kreislaufwirtschaft mache nicht an den europäischen Grenzen Halt.

Edelstahlindustrie sorgt für Nickel-Nachfrage
Bei der Sitzung des Komitees Rostfreie Stähle & Speziallegierungen ging es dagegen um die Marktveränderungen im Schrottbereich angesichts eines sich verändernden Nickeleinsatzes. Die von Gastredner Olivier Masson, Analyst des Londoner Marktforschungsunternehmens Roskill, präsentierten Daten reflektierten, dass sich China und Indonesien zu „Angelpunkten“ in der globalen Entwicklung im Edelstahlbereich gewandelt haben. Mittlerweile sei der Anteil dieser Länder an der Produktion rostfreier Stähle von 52 Prozent im Jahr 2015 auf 64 Prozent im vergangenen Jahr angewachsen. Da beide Länder in erster Linie Primär-Nickel verwenden, ist die weltweite Schrottrate in der Edelstahlerzeugung im gleichen Zeitraum von 42 Prozent auf 37 Prozent im Jahr 2020 gesunken. Den durch die Pandemie bedingten Rückgang im weltweiten Edelstahlkonsum bezifferte er mit 2,4 Prozent. Stärkere Einbrüche im Jahresvergleich in den USA (minus 17 Prozent), Europa (minus neun Prozent) und Japan (minus sechs Prozent) seien weitgehend durch den um sechs Prozent gestiegenen Verbrauch in China ausgeglichen worden.

Wie Olivier Masson hervorhob, hat sich die Edelstahlindus­trie im allgemeinen gut von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie erholt und werde wahrscheinlich der führende Treiber im Hinblick auf die Nickel-Nachfrage bleiben. Als zweitgrößten Verbraucher dieses Metalls identifizierte er den Batterie-Markt für Elektroautos.

Auch Alina Racu, Analystin für den Nickel-Markt bei Nornickel, erwartet langfristig einen zunehmenden Nickelverbrauch im Batteriesektor. Ihrer Schätzung zufolge kann sich der Bedarf bis zum Jahr 2030 um den Faktor vier oder fünf erhöhen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 18, Autorin: Brigitte Weber, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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