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Schrottforum des bvse: „CO2-Einsparung ist für die Schrottwirtschaft keineswegs neu“

Die mittlerweile weltweit diskutierte Frage, wo und wie man Kohlenstoffdioxid (CO2) einsparen kann, sei für die Schrottbranche seit vielen Jahrzehnten geübte Praxis.

Mit dieser Bewertung unterstrich Sebastian Will, stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling im bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs. „Wir sammeln Metall- und Stahlschrott, sortieren ihn und bereiten ihn qualitätsgesichert auf, um ihn dann der Stahl- und Metallindustrie als direkten Einsatzrohstoff zur Verfügung zu stellen. Diesen Prozess hat die Branche über permanente technische Innovationen und Know-how-Akkumulierung verfeinert“, betonte er beim Forum Schrott im Rahmen des bvse-Branchenforums im Juni, das aufgrund der Pandemie online stattfand. Als eine der leistungsfähigsten Industrien sei die Branche in der Lage, weltweit die Nachfrage nach einsatzfähigen Industrierohstoffen zu befriedigen.

In seinen Ausführungen wies Sebastian Will darauf hin, dass bei der Erzeugung von einer Tonne Rohstahl aus Primärrohstoff 1,6 Tonnen CO2 entsteht. Werde der Sekundärrohstoff Schrott zur Rohstahlproduktion verwendet, sei es lediglich eine halbe Tonne Kohlendioxid. In diesem Zusammenhang zeigte er sich davon überzeugt, dass die Schrottwirtschaft ein „extrem wichtiger Baustein“ für die CO2-Einsparung ist, um das vorgegebene Klimaziel in der EU bis 2050 zu erreichen.

In der aktuellen Diskussion werde dieser Aspekt mittlerweile in der Politik zwar anerkannt, trotzdem hätten es die Politiker – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene – bisher nicht geschafft, in der Gesetzgebung auf stoffstrombezogene Unterschiede einzugehen. Das sei sehr problematisch, weil dies zu kritischen, nicht umkehrbaren Fehlentscheidungen führen könne, die bestehende Märkte und Stoffströme nachhaltig schädigten oder sogar ganz zerstörten. „Weltweit gehandelte Sekundärrohstoffe dürfen nicht mit problematischen Abfällen gleichgesetzt werden. Wir fordern von der Politik daher eine Unterscheidung zwischen unserem direkt wieder einsetzbaren Rohstoff und nicht recycelbaren Abfällen.“

Die EU-Ansätze zur „Circular Economy“ und des „Circular Economy Action Plan“ seien von der Schrottbranche eigentlich positiv aufgenommen worden. „Diese Ansätze verkommen jedoch vor dem Hintergrund massiver Lobbyarbeit unserer Abnehmerindustrien zu einem zerstörerischen und durchaus gefährlichen Wirtschaftspartikularinteressenpaket“, urteilte Will und schilderte einige Beispiele, die aus Verbandssicht das Ziel haben, den Schrottexport zu behindern. Der bvse fordere daher, den ungehinderten Warenverkehr für die internationale Handelsware Metallschrott nicht durch unnötige Gesetzgebung zu beschränken. Außerdem werde Schrott auf der Basis nationaler und internationaler Standards gehandelt. „Sobald der Preis, der sich international bildet, seiner Lenkungsfunktion beraubt wird, gehen Sammel- und Aufbereitungsleistung zurück und es wird zu Gegenreaktionen in den früheren Empfängerländern kommen.“ Sebastian Will erwartet daher von der Politik faire Rahmenbedingungen und keine Marktzugangsbeschränkungen unter dem „Deckmantel des Umweltschutzes“.

Drohender „Verordnungs-Tsunami“
Die EU-Kommission bringe im Rahmen des Green Deals derzeit einen regelrechten Gesetzes-Tsunami ins Rollen, berichtete Julia Blees, Senior Policy Officer des europäischen Recycling-Dachverbandes EuRIC. Als einer seiner wichtigsten Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 nehme der „Circular Economy Action Plan“ (CEAP) derzeit verstärkt wichtige Produktwertschöpfungsketten ins Visier, um deren Übergang in eine Kreislaufwirtschaft in der EU zu forcieren.

Der Prioritätenkatalog innerhalb des neuen CEAP für die Recyclingindustrie verfolge nach der EuRIC-Bewertung einen grundsätzlich richtigen Ansatz. Zielvorgaben für Rezyklatanteile, wie sie bereits in der Einweg-Kunststoff-Richtlinie der EU (Single-Use Plastics Directive = SUP) verankert wurden, sollen künftig auch für weitere Abfallkategorien gelten. Verstärkt richte sich der Blick aus Brüssel auch auf die Produktpolitik der Hersteller. Den Angaben zufolge sind Ökodesign für Reparatur und Recycling als wichtige Eckpfeiler für mehr und besseres Recycling in den CEAP als zukunftsorientierte Agenda für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa aufgenommen.

Binnen- und Außenhandel
Ebenfalls wichtig ist ein gut funktionierender EU-Markt für hochwertige Sekundärrohstoffe. Voraussetzung hierfür wäre eine gesicherte, aber dennoch praxistaugliche Abfallverbringungsmöglichkeit, so die Fachfrau. Das habe die EU-Kommission erkannt und die Überarbeitung der Abfallverbringungsverordnung in den Vordergrund geschoben. „Hierin soll beispielsweise eine Vereinfachung der Verschiffung im Binnenmarkt mit der Einführung elektronischer Verfahren in der Notifizierung erfolgen. Dies begrüßen wir im Interesse unserer Unternehmen sehr.“

Positiv beurteilt Julia Blees auch die Absicht, verschärft gegen illegale Abfallverbringung vorzugehen und zu sanktionieren. „Jedoch nur, wenn die ‚illegale Abfallverbringung‘ tatsächlich auf das verbotene ‚Abfalldumping‘ ausgelegt wird. Administrative Unzulänglichkeiten wie Tippfehler in Dokumenten sollten nicht dazu führen, dass ansonsten legale Abfallverbringungen als illegal deklariert und verhindert oder bestraft werden.“

Kritisch zu sehen seien überdies die Bestrebungen der EU-Kommission, Abfallexporte in Länder außerhalb der EU einzuschränken. „Egal ob zum direkten Einsatz bestimmter Sekundärrohstoffe, wie Stahlschrotte oder demgegenüber schlecht zu recycelnde Kunststoffgemische – es besteht die Tendenz, alles in einen Topf zu werfen.“ Diese seien rechtlich gesehen Abfall, wies sie auf das Problem hin. Hier müsse aber stärker differenziert werden, ob es sich bei dem zu verbringenden Material um Abfall oder eine internationale Handelsware wie Stahlschrott handele, denn der freie internationale Handel sei und bleibe notwendig.

Kohlenstoffdioxid-neutrale Stahlproduktion
Dr.-Ing. Markus Dorndorf, Vizepräsident Eisen- und Stahlerzeugung bei Tenova Deutschland, informierte über neue Herstellungsverfahren. Der aktuell diskutierte Transformationsprozess in der Stahlerzeugung bedeute einen Technologiewechsel, denn über die Hochofen-Route seien die Ziele hinsichtlich der CO2-Minderung nicht zu realisieren. Beim Technologiewechsel gehe es um die Elektrifizierung der Stahlherstellungsprozesse; dabei spiele der Einsatz von Wasserstoff und Elektrolyse sowie von Elektrolichtbogenöfen und Schrott eine Rolle. Trotzdem wolle die Industrie Produkte in höchster Qualität herstellen. Dabei sei auch die Flexibilität bei den Einsatzstoffen ein großes Thema; gleiches gelte auch für die Ressourcenoptimierung bei Energie, Medien (zum Beispiel Sauerstoff) wie auch Neben- und Abfallprodukten. Wie weit die Lösungen zur Kohlendioxid-Reduktion in der Stahlindustrie gediehen sind, schilderte der Experte anhand von Projekten; hier sind zwei Beispiele:

Im Stahlwerkseinsatz gelte Schrott als CO2-neutral, informierte Dr.-Ing. Markus Dorndorf und unterstrich damit die Bedeutung dieses Sekundärrohstoffs, der bei der angestrebten Umstellung der Produktionsprozesse in größerer Menge und hoher Qualität benötigt wird. Das Problem sei aber die Verfügbarkeit. Als Folge der steigenden Nachfrage geht er von anziehenden Schrottpreisen aus. Entsprechend der langfristigen Projektionen für die Stahlproduktion und das Schrottaufkommen werde deutlich, dass die verfügbare Schrottmenge lediglich die Hälfte des benötigten Materialbedarfs abdecken könne. Dabei seien Dichte, Konzentration und Begleitelemente (Verunreinigungen) die entscheidenden Kriterien. Problematisch sei unter anderem der steigende Anteil von Verunreinigungen – durch Kupfer, aber auch Schwefel, Chrom, Nickel und Molybdän – im Schrott. Diese ließen sich (wie Kupfer) oft nicht aus dem Schrott entfernen, seien mit hochwertigen Stahlsorten nicht kompatibel und müssten durch die Zugabe von neuem Eisen verdünnt werden, um die benötigte Stahlqualität zu erreichen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 38, Autorin: Brigitte Weber, Foto: The Cheroke / stock.adobe.com)

 

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