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Reifenrecycling: Entmineralisierungsverfahren für Carbon Black entwickelt

Das in Altreifen enthaltene Carbon Black wird nur zu geringen Anteilen recycelt, da es etwa 20 Prozent mineralische Asche enthält. Mit einem neuen Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP lässt sich diese Asche nahezu vollständig abtrennen. Sowohl das Carbon Black als auch die Mineralien aus der Asche können erneut genutzt werden.

Etwa drei Kilogramm Carbon Black – auch Industrieruß genannt – stecken in einem üblichen Pkw-Reifen. Für die Herstellung einer Tonne Carbon Black werden etwa 1,5 Tonnen fossile Rohstoffe und große Mengen Wasser gebraucht; bis zu drei Tonnen Kohlenstoffdioxid entstehen dabei. Bislang gewinnt man aus Altreifen – ebenso wie aus technischen Gummimaterialien – vor allem Öle als Energieträger für industrielle Prozesse. Das Carbon Black aus dem Pyrolyse-Verfahren bleibt größtenteils ungenutzt. Die mineralische Asche enthält vor allem silikatische Verbindungen und Zinkkomponenten.

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Oben, Primärprodukt von links nach rechts: Roh-rCB, Clean rCB (96+), perliertes Clean rCB (96+).
Unten, gewonnene Sekundärprodukte aus der Asche von links nach rechts: »Wasserglas«, gefälltes SiO2, gefälltes ZnSO4.

Forschende des Fraunhofer IBP in Valley haben im Auftrag der RCB Nanotechnologies GmbH aus München ein Entmineralisierungsverfahren entwickelt, über das sich das recycelte Carbon Black von seiner mineralischen Last befreien lässt. „Das so behandelte Recoverd Carbon Black ist nahezu frei von mineralischen Reststoffen; es lässt sich beispielsweise zu 100 Prozent für die Seitenteile von Reifen einsetzen – also ohne Beimischung von primärem Carbon Black. Es kann die ursprünglichen Industriematerialien somit vollständig ersetzen“, sagt Dr. Severin Seifert, Gruppenleiter am Fraunhofer IBP. Zum Vergleich: Ohne die Entmineralisierung lassen sich gerade einmal zehn Prozent des recycelten Carbon Blacks zum Primärmaterial zumischen. Außerdem: Bei dem Entmineralisierungsverfahren entsteht nicht nur hochwertiger Industrieruß. Auch die Mineralstoffe werden mit großer Reinheit wiedergewonnen und können industriell weiterverwendet werden.

Nasschemischer Prozess
Doch wie gelingt es den Forschern, das Carbon-Black-Asche-Gemisch, das beim Pyrolyse-Verfahren entsteht, entsprechend aufzureinigen? „Wir nutzen dazu einen nasschemischen Prozess“, erläutert Christian Kaiser, Projektleiter am Fraunhofer IBP. „Vereinfacht gesagt: Wir geben das Roh-Carbon Black-Asche-Gemisch zusammen mit verschiedenen Additiven in einen Reaktor, vermischen es mit Fluid und fahren eine definierte Druck- und Temperaturkurve. Dabei werden die einzelnen Stoffe selektiv aus dem Gemisch gelöst.“

Was sich zunächst einfach anhört, hat es durchaus in sich: Die Parameter und Additive müssen derart eingestellt werden, dass sich jeweils nur ein bestimmtes Mineral möglichst sortenrein aus dem Gemisch herauslöst. Zudem müssen Temperatur und Druck dabei so moderat bleiben, dass das Verfahren auch technisch ohne größere Einschränkungen umsetzbar ist. Auch dürfen nicht zu viele Additive zugegeben werden – schließlich gilt es, die wirtschaftlichen Aspekte mit im Blick zu behalten und den Prozess nicht zu teuer werden zu lassen.

Einen Teil der Additive gewinnen die Forschenden daher zurück und schließen auch hier den Stoffkreislauf. Das Ergebnis des Entmineralisierungsverfahrens: Recyceltes Carbon Black mit hohem Reinheitsgrad für den Einsatz in Reifen und anderen Gummiprodukten sowie als Farbmittel (Masterbatch) für Kunststoffanwendungen – Silikate, die etwa in der Baustoffindustrie oder für Farben eingesetzt werden können – sowie Zinksalze für unterschiedlichste Anwendungen.

Industrielle Anlage bereits im Bau
Eine Pilotanlage mit einem Reaktorvolumen von 200 Litern existiert bereits – und wird die nächsten zwei Jahre am Fraunhofer IBP in Valley für die weiterführende Forschung aktiv im Betrieb sein. Ziel ist es, das Recovered Carbon Black auch für weitere industrielle Anwendungen nutzbar zu machen. Der Grundprozess ist ebenfalls bereits patentiert, mit der RCB Nanotechnologies GmbH als exklusivem Lizenznehmer. Derzeit arbeitet die Firma daran, den Prozess in den industriellen Maßstab zu überführen: Die Produktionshalle ist bereits gebaut; das Reaktorvolumen für einen Produktionsstrang soll jeweils bei 4.000 Litern liegen. Das heißt: Ein Produktionsstrang wird pro Stunde 400 Kilogramm recyceltes Carbon Black von der Asche befreien – das sind 2.500 Tonnen pro Jahr. In der finalen Ausbaustufe soll die gesamte Anlage eine Kapazität von knapp 30.000 Tonnen pro Jahr haben.

Längerfristig soll der Prozess zudem von einem Batch-Prozess in einen kontinuierlichen Prozess überführt werden. Auch gibt es bereits Interessenten: „Unsere Partner bekommen mittlerweile mehr Musteranfragen, als wir bedienen können“, bestätigt Kaiser. „Schließlich stellt das so veredelte Recovered Carbon Black eine erste ernstzunehmende und nachhaltige Lösung für den Ersatz der technischen Industrierußen dar.“

www.fraunhofer.de [2]

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 44, Foto: Fraunhofer IBP)