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REA-Gips: Wie kann die Lücke geschlossen werden?

Das REWIMET Symposium 2021 am 25. und 26. August befasste sich unter anderem mit den Auswirkungen des Kohleausstiegs auf die Gipsversorgung in Deutschland.

Referent Dr.-Ing. Jörg Demmich vom Bundesverband der Gipsindustrie bezifferte in seinem Vortrag den Rohstoffbedarf der gipsverarbeitenden Industrie mit zehn Millionen Tonnen pro Jahr (Stand: 2019). Hauptprodukte sind Gips- und Gipsfaserplatten, Gipsputze und Fließestriche. Zu 54 Prozent wird Naturgips/Naturanhydrit verwendet und zu 44 Prozent REA-Gips, der aus den Rückständen von Rauchgasentschwefelungsanlagen zum Beispiel aus Kohlekraftwerken, gewonnen wird. Der Recyclinggips-Anteil (RC-Gips) beträgt gerade einmal zwei Prozent.

Jörg Demmich stellte eine Studie vor, die bis 2035 einen auf 10,7 Millionen Jahrestonnen leicht steigenden Gipsbedarf prognostiziert – bei hohem Sanierungsbedarf im Bestand und moderatem Neubauanstieg von Wohnraum. Nicht berücksichtigt sind der zusätzliche Gipsbedarf für die Herstellung von Calcium-Sulfo-Aluminat-Zement mit niedrigem CO2-Fußabdruck und die massiv steigende Nachfrage nach dem Öko-Düngemittel Naturgips. Infolge des Kohleausstiegs soll der REA-Gipsverbrauch von derzeit rund fünf Millionen Tonnen pro Jahr praktisch auf null sinken.

Warum so wenig RC-Gips eingesetzt wird
2019 wurden circa 170.000 Tonnen RC-Gips (davon 45.000 Tonnen aus dem Rückbau) als sekundäre Rohstoffe verwendet. Warum so wenig RC-Gips eingesetzt wird – „obwohl die Gipsindustrie bereits 2012 erstmals ihr Recyclingkonzept veröffentlicht hat“ –, begründete Demmich damit, dass nur Gipsplatten und -faserplatten nach Stand der Technik recycelbar seien. Große Mengen an Gipsabfällen in Deutschland würden deponiert und nach Tschechien verbracht. Für das Abfallende gäbe es keine einheitliche Regelung; die rechtlichen Rahmenbedingen seien unzureichend.

Demmich: „Da Gipsprodukte vornehmlich im Innenausbau verwendet werden, stehen die HSE-Parameter (Health, Safety, Environment) im besonderen Fokus. Hier fehlen noch klare Regelungen für eine hinreichende Rechtssicherheit. Den rund fünf Millionen Tonnen REA-Gips pro Jahr stehen somit 0,3 bis 0,5 Millionen Jahrestonnen RC-Gips gegenüber, und dies bei einer zunehmenden Nachfrage nach baubiologisch und bauphysikalisch besonders hochwertigen Gipsprodukten.“

Welche Alternativen bestehen?
Wie kann die Lücke bei REA-Gips geschlossen werden? Auf der Suche nach Alternativen stellt Phosphorgips keine Option dar. Weltweit liegen fünf bis sieben Milliarden Tonnen des überwiegend radioaktiv und mit Schwermetall belasteten Materials von zudem heterogener Zusammensetzung auf Halde oder müssen auf Sondermülldeponien entsorgt werden. Der Wassergehalt ist mit über 20 Prozent zehnmal höher als bei Naturgips. Gleiches gilt für den CO2-Fußabdruck. Die nadelförmigen Kristalle können schlecht entwässert werden. Für ein Recycling muss die Rest-Phosphorsäure neutralisiert werden. Der Rest-Phosphatgehalt (wasserlöslich) beeinträchtigt die Abbindezeit.

Das „WIR!-Projekt“ mit Beteiligung der Gipsindustrie erforscht die Rückgewinnung von Gips aus Abraumhalden, bei der Herstellung von Polyhalit und aus Kalirückstandshalden sowie die Abtrennung aus mineralischen Bauabfällen und aus Fließ-Estrichen. Außerdem werden alternative Baustoff-Verbundprodukte mit Gips unter dem Aspekt „Brandschutz“ untersucht. Gips brennt bekanntlich nicht und schützt leicht entflammbare Konstruktionsteile wie Holz. Fasermatten oder -platten aus Stroh, Hanf oder Holzspäne sind hierfür keine Alternative und im mehrgeschossigen Holzbau aufgrund der Brennbarkeit nur begrenzt einsetzbar. Nichtbrennbare Lehmwandplatten müssen vor Einsatz nachweisbar auch den weiteren Anforderungen der MHolzBauRL – Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise entsprechen. „So bleibt Gips weiterhin der wichtigste Partnerbaustoff des Holzbaus“, folgerte Demmich.

Recycling und Substitution allein reichen nicht aus
Der Experte zitierte daraufhin den Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) zum Ausstieg aus der Kohleverstromung (Januar 2019). Empfohlen wird, den fortschreitenden Wegfall an REA-Gips durch eine zusätzliche, umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips auszugleichen. Die Fortschreibung der Rohstoffstrategie der Bundesregierung vom Januar 2019 stellt zudem fest: „Mit der Reduktion der Kohleverstromung entfallen zukünftig auch große Kapazitäten zur Herstellung von REA-Gips […]. Gipsrecycling wird den zukünftigen Bedarf […] nur in begrenztem Maße decken können. Entsprechend ist die Ausweisung neuer Abbaugebiete für Naturgips erforderlich, um die benötigten Gipsmengen bereit zu stellen.“

Ähnlich begründet das die Stellungnahme der Länder zum Entwurf des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG), das am 14. August 2020 in Kraft trat und zuletzt im Juli 2021 geändert wurde: Recycling und Substitution allein reichten nicht aus, um die Lücke bei REA-Gips zu schließen. Auch Jörg Demmich und der Bundesverband der Gipsindustrie halten deshalb einen erhöhten Naturgipseinsatz für erforderlich. Ziel müsse eine umweltverträgliche heimische Gipsgewinnung sein. Dabei gelte es Transporte zu minimieren und die Wertschöpfung in den Gipsregionen zu erhalten.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2021, Seite 32, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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