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Nicht nur „Energiesparlampen“ droht das Aus

In der Europäischen Union belief sich 2015 der jährliche Stromverbrauch von Lichtquellen und separaten Betriebsgeräten auf schätzungsweise 336 TWh beziehungsweise 132 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent an Treib­hausgasemissionen. Durch effizientere Lichtquellen soll der Energieverbrauch bis 2030 jährlich um 34 TWh und durch Einsparung bestimmter Leuchtmitteltypen sogar um 41,9 TWh gesenkt werden können. Aber wie?

Nach Angaben des Altlampen-Entsorgers LightCycle dürfen ab dem 1. September 2021 die vor zwölf Jahren von der EU angepriesenen „Energiesparlampen“ – Kompaktleuchtstoff-Lampen mit integriertem Vorschaltgerät (u. a mit Sockel E14 oder E27) – in der EU nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Das trifft auch auf lineare Halogenlampen (mit Sockel R7s > 2.700 lm) und Niedervolt-Halogenlampen (u. a. mit Sockel GU4, GU 5.3) zu. Zum 1. September 2023 müssen auch lineare T8-Leuchtstofflampen und die meisten Typen der heute noch erlaubten Halogenlampen (u. a. mit Sockel G9, G4 und GY6,35) vom Ladentisch.

Bessere Produkte, weniger Energieverbrauch
Der Impuls kommt von der Europä­ischen Union, aktuell der Verordnung (EU) 2019/2020 vom 1. Oktober 2019. Nach Darstellung von Christoph Mordziol, Spezialist für Energieverbrauch von Beleuchtungen beim Umweltbundesamt, beabsichtigt die EU, Beleuchtungsprodukten eine umweltfreundliche Gestaltung aufzuerlegen, ihren Energieverbrauch zu kennzeichnen und gegebenenfalls zu verringern und die Verwendung gefährlicher Stoffe zu drosseln. Produktgestaltung und Energieverbrauch wurden bereits in den Verordnungen 244/2009 für Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht, 245/2009 für Leuchtstofflampen ohne eingebautes Vorschaltgerät, Hochdruckentladungslampen sowie Vorschaltgeräte und Leuchten sowie 1194/2012 für Lampen mit gebündeltem Licht, LED-Lampen und dazugehörige Geräte festgelegt, aber durch eine jeweils neue Verordnung abgelöst: 2019/2020/EU und 2019/2015/EU.

Auch öffentliche Beleuchtung betroffen
Regelungsentwürfe der EU-Kommission zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe sehen nun eine Ausphasung mehrerer Leuchtstofflampentypen vor. Gleichzeitig erlöschen auch Genehmigungen für Lampen, die bisher trotz hoher Quecksilbergrenzwerte ausnahmsweise noch auf den Markt gebracht werden durften, sowie für viele bislang in der Öffentlichkeit verwendete Leuchtstofflampen: Kompaktleuchtstofflampen ohne eingebautes Vorschaltgerät mit Stiftsockel (G23, G24-d1, G24-q3, 2G7 etc.) sowie Leuchtstofflampen mit 16 und 26 Millimeter Durchmesser beziehungsweise mit G5- oder G13-, 2G13- und 2GX13-Sockel. Damit ist bis schätzungsweise Ende 2022 zu rechnen, falls die EU-Kommission bei ihrer bisherigen Einstellung bleibt und EU-Parlament und -Rat diese teilen.

Von mehreren Faktoren abhängig
Die Rechtstexte zu Produktgestaltung und Verwendung gefährlicher Stoffe beziehen sich aber nur auf das Inverkehrbringen bestimmter Lampentypen, nicht auf deren Betrieb. Zudem gibt es für Quecksilber-haltige Beleuchtungskörper Ausnahmen, die einen weniger strengen Grenzwert und eine zeitliche Limitierung vorsehen. Wann welche Lampentyen vom Markt weichen müssen, hängt von weiteren Faktoren ab:

Daraus lässt sich prognostizieren, dass einzelne Typen von Kompakt- sowie Leuchtstofflampen mit 16 und 26 Millimeter Durchmesser zum 1. September 2013 aus den Verkaufsregalen genommen werden müssen. Stabförmige Leuchtstofflampen mit einem Durchmesser von 26 Millimetern dürfen zum 1. September 2023 nicht mehr in den Handel kommen, im Gegensatz zu solchen mit 60, 120 oder 150 Zentimetern Länge. Zusätzlich müsste dann – so das Vorhaben der EU-Kommission – mit Hinblick auf die Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe der Verkauf aller sonstigen Kompaktleuchtstofflampen ohne eingebautem Vorschaltgerät und stabförmigen Leuchtstofflampen mit einem Durchmesser von 16 Millimetern untersagt sein – von Sonderausführungen abgesehen.

Warnungen vor vorzeitigem Verkaufsstopp
Nicht auszuschließen ist, dass sich der Zeitplan mit Hinblick auf die Verordnung zur umweltfreundlichen Produktgestaltung und die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe bestimmter Lampentypen noch verzögern könnte. Schon Anfang 2018 forderten 18 Hersteller- und Betreiberverbände die Regulierungsbehörden zu mehr Pragmatismus und Realismus auf, indem die festgelegten Wartungs- und Reparaturzyklen der Endbenutzer berücksichtigt, im Bedarfsfall Spezialprodukte zugelassen und die Beiträge aller Interessengruppen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ins Kalkül gezogen werden. Und Lighting Europe, das Sprachrohr der Beleuchtungsindustrie, kritisierte im Juli 2020, dass ein vorzeitiger Verkaufsstopp zu Verwirrung auf dem Markt, Risiken der Nicht-Konformität, Lagerbildung konventioneller Produkte und die Schaffung unnötiger und vermeidbarer Abfälle aus gut funktionierenden Beleuchtungskörpern und Lampen führen könnte.

Weder Abfallstopp noch -schwemme
Welche Auswirkungen das Verschwinden verschiedener Leuchtmittel-Produkte – so es denn Gesetz wird – auf den Recyclingmarkt haben dürfte, ist nur schwer abzuschätzen. Zum einen bewirkt das Ende des Inverkehr-bringens neuer Produkte weder Stopp noch Schwemme von Abfällen. Zum anderen diversifizieren die unterschiedlichen Ausphasungs-Zeiten den Rücklauf an gebrauchten Lampen und Leuchten. Und schließlich lässt die jeweils spezifische materielle Zusammensetzung der Leuchtkörper-Abfälle nur bedingt Hochrechnungen zu.

Hinzu kommt, dass auch die offiziellen Zahlen wenig Handhabe für Hochrechnungen bieten. Lediglich das Bundesumweltministerium lieferte in den letzten Jahren zu „Beleuchtungskörpern“ im Allgemeinen und „Gasentladungslampen“ im Besonderen genauere Angaben. Danach wurden 2011 in Deutschland 896 Tonnen Beleuchtungskörper und 9.311 Tonnen Gasentladungslampen gesammelt und die Mengen fast vollständig im Inland behandelt. Auch 2015 erfuhr von 1.514 beziehungsweise 8.379 Tonnen an gesammeltem Material fast alles in Deutschland eine Behandlung. 2018 umfasste die Sammlung von Gasentladungslampen bereits 13.858 Tonnen, und die von Lampen ohne Gasentladung übertraf sogar die 15.000 Tonnen-Marke, wovon man allerdings 435 Tonnen in einem anderen EU-Mitgliedstaat bearbeitete.

Einschätzung schwierig bis unmöglich
Für 2019 ist nach Umstellung der Kategorien durch die WEEE-Richtlinie zwar noch bekannt, dass die Gesamtmenge an Lampen, die zur Verwertung vorgesehen waren, 7.469 Tonnen betrug und eine Quote von 93,9 Prozent erreichte. Zur Wiederverwendung und für das Recycling wurden 7.349 Tonnen vorbereitet; ihre Umsetzung lag bei 92,4 Prozent. Eine weitere Aufschlüsselung nach Lampentypen erlaubt diese neu gefasste Statistik jedoch nicht. Da hilft es auch nicht zu wissen, dass gemäß verschiedener Quellen, auf die Christoph Morziol verweist, der Glasanteil bei Kompaktleuchtstofflampen bei bis zu 46, der Metallanteil bei bis zu 17 und der Kunststoffanteil bei bis zu 32 Prozent betragen kann. Restliche Inhaltsstoffe wie Keramik, Leuchtstoffe und Quecksilber addieren sich zu höchstens sieben Prozent, während die RoHS-Richtlinie den Quecksilbergehalt auf 2,5 bis 15 Milligramm pro Lampe je nach Leistung limitiert. So trifft die Einschätzung des UBA-Experten völlig zu, es sei „wohl eher schwierig bis unmöglich, das AUS für bestimmte Energiesparlampen aus der statistischen Erfassung zu den Elektro(alt)-geräte-Daten herauszulesen“.

Außerordentliche Recyclingmengen und -routen sind aber dennoch kurzfristig nicht zu erwarten, da das Recycling für alle Lampentypen in Deutschland fest etabliert ist und die fünf Erstbehandlungsanlagen schon jetzt auch Kompaktleuchtstofflampen in größeren Mengen behandeln.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2021, Seite 6, Foto: Lightcycle Retourlogistik und Service GmbH)

 

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