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Kunststoffrecycler lehnen „Greenwashing“ der europäischen Kunststoffindustrie ab

Die europäische Kunststoffindustrie startet eine neue Greenwashing-Kampagne, die man ihr nicht durchgehen lassen sollte. Das erklärte Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling.

Anlass dieser Kritik ist nicht die Forderung einer Rezyklat-Einsatzquote von 30 Prozent, sondern die gleichzeitig erhobene Forderung, das Kunststoffrecycling und die chemische Behandlung von Kunststoffabfällen gleichzusetzen. Dr. Dirk Textor: „Die chemische Aufbereitung von Kunststoffabfällen ist eigentlich ein alter Hut in der Branche, der immer mal wieder gezogen wird. Momentan wird sie unter dem Label des chemischen Recyclings gehypt.“

Es gibt nach Auffassung des bvse keinen Zweifel daran, dass das werkstoffliche Kunststoffrecycling eine wesentlich bessere Ökobilanz ausweist als die chemische Behandlung von Kunststoffabfällen: Es werde deutlich weniger Energie eingesetzt, der bei der chemischen Behandlung erforderliche Chemiecocktail nicht benötigt und die im Wege des Kunststoffrecyclings hergestellten Rezyklate seien für eine große Vielfalt von Kunststoffprodukten einsetzbar. Die CO2-Bilanz der chemischen Verwertung sei deutlich schlechter als beim werkstofflichen Recycling von Kunststoffen.

Gegenwärtig generierten die deutschen werkstofflichen Kunststoffrecycler eine Gesamtmenge von 2,04 Millionen Tonnen an Rezyklaten, die, bezogen auf die Kunststoffabfallmenge in Höhe von 6,28 Millionen Tonnen, immerhin 32 Prozent entspreche. Die damit verbundenen Einsparungen an Rohstoffen, Energie und Treibhausgasen zeigten die enorme ökologische und ökonomische Leistung der werkstofflichen Verwertung – also des bestehenden Kunststoffrecyclings. So würden hier Rezyklate erzeugt, die seit vielen Jahren etablierte Einsatzgebiete hätten und zu denen auch Anwendungen im Lebensmittelbereich gehörten.

Ein verändertes Erfolgsbild
Bei der Betrachtung der Rezyklat-Einsatzquote bezogen auf die post-consumer Abfälle, die in Höhe von 5,35 Millionen Tonnen anfielen, ergibt sich für den Verband ein verändertes Erfolgsbild. Hier würden immerhin 1,02 Millionen Tonnen an Rezyklaten in der Kunststoffindustrie verarbeitet, was einer Rezyklat-Einsatzquote von 19 Prozent entspreche. „Auch das ist ein bedeutender Erfolg bei den Verpackungsabfällen, die dem Verpackungsgesetz unterliegen“, urteilt Textor. „Aus den Erhebungen aus zurückliegenden Jahren wird deutlich, dass die gesamte Rezyklatmenge von 2017 zu 2018 um immerhin zehn Prozent gesteigert werden konnte. Das Wachstum resultierte insbesondere aus den gestiegenen Einsatzmengen aus post-consumer Abfällen, die um 200.000 Tonnen gesteigert werden konnten.“

Der Schlüssel heißt Design for Recycling
Das Problem sei aber klar zu beschreiben: „Es gibt immer noch viel zu viele Kunststoffverpackungen im Markt, die nach ihrer Gebrauchsphase nicht recycelbar sind.“ Dieses Problem sei lösbar: „Der Schlüssel heißt Design for Recycling. Es gibt inzwischen hervorragende Verpackungslösungen, die recycelbar sind. Aber sie machen erst einen Bruchteil der Verpackungen aus, die im Umlauf sind.“ Textor hält es für bedauerlich, „dass die Kunststoffindustrie jetzt auf eine seit Jahrzehnten vor sich hin dümpelnde Technologie – die chemische Verwertung – setzt, um sich vor einer Lösung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, nämlich dem Design for Recycling, zu drücken.“ Die Ansätze bei der chemischen Verwertung basierten heute auf dem Einsatz von Stoffströmen, die im werkstofflichen Recycling bereits seit vielen Jahren erfolgreich verwertet würden. Damit stünden im Fokus der chemischen Abfallbehandlung die getrennt gesammelten und sortierten Polyolefinfraktionen aus dem Verpackungsbereich.

„Wer auf die chemische Abfallbehandlung setzt, konterkariert sehenden Auges alle Bemühungen, Verpackungen nachhaltiger durch Design for Recycling zu gestalten. Chemische Abfallbehandlungsverfahren werden letztlich, vergleichbar mit der Müllverbrennung, den Stoffstrom der Kunststoffe beseitigen, anstatt diesen zu recyceln“, kritisieren unisono die Kunststoffrecycler im bvse. Wenn die notwendigen chemischen Prozesse durchlaufen seien, sei für die Herstellung „neuer“ Kunststoffe nur noch ein Bruchteil der eingesetzten Stoffe verfügbar – deutlich weniger als beim werkstofflichen Recycling.

Erstaunlich wenige Akteure
Für Dr. Dirk Textor ist auch völlig unverständlich, warum sich die Kunststoffindustrie auf den Abfallstrom der Kunststoffverpackungen fokussiert. Der Vorsitzende des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling betont, dass das Hauptproblem hinsichtlich Menge und Gewicht nicht etwa die Kunststoffverpackungen darstellen, sondern die Kunststoffströme, die beispielsweise in Elektrogeräten oder Fahrzeugen verbaut werden, die glasfaserverstärkten Kunststoffe oder die Compounds. Hier könnte sich die chemische Kunststoffabfallbehandlung tatsächlich zu einer – auch ökologisch – besseren Lösung als die bisher gängige Müllverbrennung entwickeln. Auf diesem weiten und wichtigen Feld tummelten sich aber erstaunlich wenige Akteure der chemischen Verwertung.

Das habe seinen Grund, schließt Textor: „Es ist technisch enorm anspruchsvoll, für die genannten Kunststoffabfälle einen industriell darstellbaren Verwertungsprozess zu entwickeln.“ Die einfache Müllverbrennung erweise sich als günstigere Alternative, sodass man tatsächlich den Eindruck gewinnen könne, dass die Kunststoffindustrie in Wahrheit nach wie vor an keiner Kreislaufwirtschaft interessiert sei, sondern an Lösungen der einfachen und billigen Entsorgung, die ihr Geschäftsmodell so wenig wie möglich tangiert.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2021, Seite 14 / Meinung, Foto: bnorbert3 / stock.adobe.com)