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Mantelverordnung: „Keine falschen Erwartungen wecken“

Nach einem Jahr Corona-bedingter Pause konnte in Filderstadt wieder der Recycling-Tag von ISTE und QRB mit 270 Teilnehmern aus Unternehmen, Politik, Verwaltung und Wissenschaft stattfinden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Mantelverordnung.

Laut Umwelt-Staatssekretär Dr. Andre Baumann MdL weist die ab 2023 gültige erste Fassung des Regelwerks noch Schwächen auf, die in einem Novellierungsverfahren korrigiert werden sollten. Die Landesregierung von Baden-Württemberg stellt dem QRB die weitere Anerkennung als Güteüberwachungssystem unter der Mantelverordnung in Aussicht.

Christa Szenkler, Vorsitzende der Fachgruppe Recyclingbaustoffe und Boden im ISTE, lobte insbesondere die Haltung der Landesregierung zu Neuaufschlüssen und Erweiterungen sowie zur Güteüberwachung durch das QRB. Gleichzeitig warnte sie vor falschen Erwartungen an die Mantelverordnung. Hier habe man versäumt, eine Aussage zu den Themen „Bauherrenverpflichtung“ sowie „Abfallende“ beziehungsweise „Produktstatus“ zu treffen. Dies müsse schnellstens nachgeholt werden. Szenkler ließ die weiteren Herausforderungen an die Branche jenseits der Mantelverordnung Revue passieren. Dazu gehören verschiedene Gesetze in Bund und Land, vor allem aber der Green Deal der EU.

Zahlreiche offene Fragen
Welche Änderungen die neue Verordnung konkret für die Branche enthält und wie diese in Baden-Württemberg umgesetzt werden sollen, erläuterte Dr. Bernd Susset. Er hat als Wissenschaftler der Universität Tübingen den Entwicklungsprozess der Verordnung anderthalb Jahrzehnte lang begleitet. Zusammen mit Peter Dihlmann, früher im Landesumweltministerium als Ministerialrat im Referat Kreislaufwirtschaft tätig, arbeitet er an einem „Handbuch Mantelverordnung“. Dieses soll Unternehmen, Bauherren und Behörden bei der praktischen Umsetzung des Regelungswerkes helfen. Dihlmann wies zudem auf zahlreiche offene Fragen und mögliche Fehlstellen in der Mantelverordnung hin. Diese seien sowohl auf die besondere Kompromiss-Situation als auch auf die erhebliche Komplexität der Verordnung zurückzuführen und sollten noch vor Inkrafttreten korrigiert werden.

Die gemeinsamen Bemühungen der Rohstoffindustrie und der Bauwirtschaft um klimafreundliches und nachhaltiges Bauen beschrieb Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. und Vorstandsvorsitzender des gemeinsamen Netzwerkes Solid UNIT. „Bauen und Abfälle vermeiden“ heiße die Devise. Solid UNIT sei ein gutes Beispiel für den Dialog zwischen Solid UNIT sei ein gutes Beispiel für den Dialog zwischen Partnern, obwohl diese gelegentlich unterschiedliche Interessen verfolgten. Ein solcher Dialog sei auch gesamtgesellschaftlich notwendig.

Dr. Daniel Laux vom Landesumweltministerium erläuterte, wie sich die Verwaltung auf die Umsetzung der Mantelverordnung in Baden-Württemberg vorbereitet. Auch er appellierte an die Unternehmerinnen und Unternehmer zur Zusammenarbeit. Anders könne man diese Verordnung nicht in die Tat umsetzen. Von Seiten der Verwaltung sollen in Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaften Handreichungen und Interpretationen erarbeitet werden.

Abfallbegriff: oft missverstanden und zu eng gefasst
Praktische Rechtsfragen der Kreislaufwirtschaft insgesamt stellte Rechtsanwalt Gregor Franßen von der Düsseldorfer Kanzlei Kopp-Assenmacher & Nusser vor. Viele Grundsatzfragen der Kreislaufwirtschaft können auch mit der Mantelverordnung nicht vollumfänglich gelöst werden. Klar stellte er heraus, dass in der Praxis der Abfallbegriff oft missverstanden und zu eng gefasst werde. Beispielsweise könnten rückgewonnene Steine aus Baustellen ohne jeglichen Belastungsverdacht auch ohne Weiteres in Verkehr gebracht werden und seien keine Abfälle. Auch er sieht angesichts einer Vielzahl von Detailregelungen Novellierungsbedarf.

Ein heißes Eisen für die gesamte Branche thematisierte Falk Fabian, Technischer Referent in der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW): Asbest. Um das Recycling von Baurestmassen weiterführen zu können, müsse eine Lösung gefunden werden. Bereits im Rahmen der Vorerkundung und des Rückbaus müssten Asbestanteile ausgeschleust werden, sodass asbesthaltiges Material gar nicht erst in den Recyclinganlagen ankommt. Eine Nullfaser-Strategie sei jedoch „weltfremd und unverhältnismäßig“, so Fabian. Aktuell behandle eine Länder-Arbeitsgemeinschaft dieses Thema. Er sei optimistisch, dass man eine gute Lösung zum Umgang mit asbesthaltigem Material finden werde, die eine nachhaltige Recyclingwirtschaft sicherstelle.

Einsatz von RC-­Baustoffen als Verpflichtung
Rund um das Thema „Recyclingbeton“ drehte sich die Abschlussdiskussion der Veranstaltung. Die Unternehmer Walter Feess (Heinrich Feess GmbH und Co KG), Hagen Aichele (Holcim Kies und Beton GmbH) und Thomas Karcher (Kies und Beton AG) äußerten sich grundsätzlich positiv zum Einsatz von Recyclingbetonen. Als Vorkämpfer für diese Art der Verwertung von Ausbaubeton mahnte Feess den Einsatz von Recyclingbaustoffen und Recyclingbeton als Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen ein. Das Baustoffrecycling trage dazu bei, Ressourcen von Primärrohstoffen zu schonen und deren Gewinnungszeiträume zu strecken.

Zusammen mit seinen Kollegen sprach er sich dafür aus, Normen flexibler zu gestalten und die Anteile von Recyclingmaterial in Betonmischungen deutlich zu erhöhen, wie es bereits in der Schweiz und in Österreich üblich sei. Aichele und Karcher sahen als Hersteller von Transportbeton die Verbringungswege des Materials als entscheidendes Problem für dessen Klimaverträglichkeit an. Es mache keinen Sinn, dieses ressourcenschonende Material über weite Strecken zu transportieren und so eine negative CO2-Bilanz zu erzeugen. Deshalb sei es wichtig, mehr Recycler für die Herstellung der rezyklierten Gesteinskörnungen für Beton zu gewinnen. Die Recyclinganlagen seien schließlich dezentral über das Land verteilt, was grundsätzlich eine optimale Versorgung der Betonwerke ermögliche. Wichtig seien insbesondere auch Zwischenlager für Bauabfälle in der Nähe der Ballungsgebiete. Alle drei Diskutanten sahen darin interessante Geschäftsmodelle für die Zukunft der ganzen Branche.

Als einen „Recyclingtag der klaren Worte“ lobte der QRB-Vorsitzende Michael Knobel die Veranstaltung. Er plädierte dafür, sich intensiv und in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten um die gesellschaftliche Akzeptanz von Recyclingbaustoffen zu bemühen, um sowohl Klimaschutz als auch Ressourcenschonung zu fördern.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2021, Seite 11, Foto: ISTE)

 

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