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Corona-Masken: Umweltmüll oder Wertstoff?

Die Corona-Pandemie führt nicht nur zu einer Reihe von Infektionen und Todesfällen – sie verursacht auch eine Menge Abfall. Ein Sprecher der Landeshauptstadt Stuttgart klagte bereits über die zunehmende „Vermüllung des öffentlichen Raums“. Wie ist den „Müllbergen durch Einwegmasken“, wie es ein Fernsehbeitrag des WDR nannte, beizukommen?

Darüber, wie viele Masken jeden Tag benutzt werden, gibt es diverse Spekulationen. Das Online-Magazin e-waste geht von – allgemein empfohlenen – täglich zwei Stoffmasken oder 13 medizinischen Einwegmasken aus, die sich aufs Jahr umgerechnet auf 624 Masken summieren. Mit 83 Millionen multipliziert, wären das 51,8 Milliarden Stück. Die Umweltorganisation Bracenet rechnet mit einer FFP2-Maske á zehn Gramm pro Tag. Das würde 5.600 Tonnen Müll in der Woche machen und nach zwei Wochen das Gewicht des Eiffelturms erreichen. Laut BUND-Umweltschutzreferent Fritz Mielert benötigen die elf Millionen Baden-Württemberger bei einmaligem Tragen pro Tag theoretisch rund 78 Tonnen Masken; demnach würden übers Jahr alle Einwohner Deutschland 123.525 Tonnen benötigen.

Enorm zugenommen
Das Neue Deutschland zitiert den Cradle-to-Cradle-Spezialisten Michael Braungart, der aus den Daten des Bundeswirtschaftsministeriums einen Jahresbedarf in Höhe von zwölf Milliarden Atemschutzmasken und zusammen mit Einweghandschuhen und weiterer Schutzkleidung eine zusätzliche Abfallproduktion von 1,1 Millionen Tonnen errechnet. Was in etwa sieben Prozent des jährlichen Hausmüllsaufkommens in der Bundesrepublik gleichkommt. Festzuhalten ist, dass durch die Covid-Pandemie die Abfallmengen nicht nur in Europa enorm zunahmen. Eine internationale Studie vom Februar 2021 belegt, dass die medizinischen Abfälle in Frankreich von 40 auf 50 Prozent und in den Niederlanden von 45 auf 50 Prozent stiegen. Ähnliche Trends wurden in Indien und im Iran beobachtet.

Nur eine kleine Fraktion
Forscher am Turiner Polytechnikum sprachen im April 2020 – also zu Beginn der Pandemie – davon, dass die italienischen Unternehmen eine Milliarde Gesichtsmasken pro Monat benötigen werden, zusätzlich zu 456 Millionen Handschuhen, 2,1 Million Thermometern und 250.000 Haarnetzen. Wenn davon nur ein Prozent falsch entsorgt würde, könnten monatlich zehn Millionen Masken in die Umwelt gelangen – bei einem Gewicht von vier Gramm insgesamt 40.000 Kilogramm an Plastik.

OceansAsia, eine in Hong-Kong beheimatete Organisation zur Erhaltung der Meere, rechnete sogar damit, dass die Ozeane 2020 mit geschätzten 1,56 Milliarden Gesichtsmasken – umgerechnet 4.680 bis 6.240 metrischen Tonnen an Kunststoffabfällen – geflutet werden. OceansAsia-Forschungsleiter Dr. Teale Phelps Bondaroff, Herausgeber des 79-Seiten-starken Reports „Masks on the Beach: The Impact of COVID-19 on Marine Plastic Pollution”, räumt jedoch ein, dies sei „nur eine kleine Fraktion der geschätzten acht bis zwölf Millionen metrischen Tonnen von Plastik, die Jahr für Jahr in unsere Meere gelangen“.

WtE spielt maßgebliche Rolle
Zwar konnte die thermische Verwertung in Deutschland nach Darstellung von CEWEP und Ecoprog eine „maßgebliche Rolle“ bei der sicheren Entsorgung von in der Pandemie zahlenmäßig häufiger auftretenden medizinischen Abfällen spielen. 31 Prozent der Anlagenbetreiber im Waste-to-Energy-Sektor berichteten 2020 über einen Anstieg solcher Abfälle, weswegen einige schon in den Monaten vor dem September zusätzliche Maßnahmen umgesetzt hätten. Und dank der guten Entsorgungsinfrastruktur seien auch in den meisten Teilen Europas diese Abfälle umweltgerecht und verlässlich in WtE-Anlagen behandelt worden. Aber: „Dies war und ist in vielen anderen Regionen der Welt, die über solche Kapazitäten nicht verfügen, deutlich anders.“ Das könnte beispielsweise auf die chinesische Provinz Hubei zutreffen, wo der Anteil medizinischer Abfälle um 600 Prozent von 40 auf 240 Tonnen wuchs und – wie eine „Mini-Review“ zum Thema verdeutlichte – die bestehende Transport- und Entsorgungs-Infrastruktur überschwemmte.

In solchen und ähnlichen Fällen könnten sich die Befürchtungen von Teale Phelps Bondaroff hinsichtlich Meeresbelastung durch Corona-Müll bewahrheiten. So fand eine Ende November 2021 veröffentlichte Studie heraus, dass ein lang anhaltender Einfluss von der Pandemie geschuldeten Abfall-Freisetzungen in die Ozeane zu verzeichnen ist. Am Ende des Jahrhunderts – so die Forscher – legt das Modell offen, dass fast aller Kunststoff, der mit der Pandemie zu tun hat, entweder zu 28,8 Prozent in die See oder zu 70,5 Prozent an Strände und Ufer gelangt und potenziell dem benthischen Ökosystem schadet.

Unbedingt in den Restmüll
In der Regel bestehen FFP2-Masken aus Spinnvlies (spun bond) als Filtermaterial – durch Heißpresse verbundene Fasern oder geschmolzener Kunststoff oder Kunststofffolie – und Schmelzblas-Vlies (melt blown) – Micro- oder Nanofasern aus geschmolzenen und extrudierten Polymeren. Hinzu kommen unter Umständen ein metallener Nasenbügel, die Haltegummis und optional ein Ausatemventil. Auch professionelle Mund-Nasen-Masken bestehen typischerweise aus Vliesstoff, der aus drei Lagen von – spinngebundenem, schmelzgeblasenem und spinngebundenem – Laminat plus Gummihalterung. Diese Materialien sind nach Gebrauch möglicherweise belastet, verkeimt und außerdem weder zu reinigen noch zu recyceln. „Getragene Masken gehören unbedingt in den Restmüll“, meint daher Fritz Mielert vom BUND.

Bis zu 210-mal verwendbar
Außer, die Maske ist so konstruiert, dass sie aufbereitet werden kann. Das Krefelder Textilunternehmen Feld, bislang Hersteller von jährlich 70.000 Stoffmasken, beschichtet beispielsweise seine Produkte seit der Pandemie mit einem bestimmten Biozid, das Bakterien tötet und Viren inaktiviert. Diese dreilagigen „Grimasken“ sind bis zu 30-mal wasch- und wiederverwendbar. Das sollen auch die Invida-Produkte aufgrund ihrer Nano-Silber-Ionen-Partikel Technologie sein, deren Gewebeschicht für eine effiziente Abscheidegrad-Filter-Leistung von bis zu 94 Prozent verfügt. Die 5log-Maske zerstört Organismen durch eine sogenannte Livinguard-Technologie: Sie verhindert, dass das Vlies durch gefährliche Mikroorganismen besiedelt werden kann, muss viel seltener gewaschen werden und kann bis zu 210-mal verwendet werden.

100 Prozent biologisch abbaubar
Zu den waschbaren Produkten gehört die Topaz Mehrweg-Schutzmaske ebenso wie die aus Bio-Baumwolle gefertigte ISKO-Vital-Mundschutzmaske. Die VivaMask der Viotrade GmbH geht noch einen Schritt weiter: Der Maskenstoff und die Ohrbügel seien zu 100 Prozent biologisch abbaubar, sagt der Hersteller, während das Hauptmaterial aus Zellstoff aus Buchen- oder Eukalyptusholz besteht, also schnell nachwachsenden Rohstoffen aus FSC-zertifizierten Plantagen. Und da auch alle anderen Bestandteile der Maske wie Verpackung, Beipackzettel und Drähte Stoffe für biologische und/oder technische Kreisläufe bilden, erfülle die Maske „die Anforderungen des Cradle-to-Cradle-Prinzips“.

Mit Plasmavergasung
Wer diesen Umgang mit gebrauchten Corona-Schutzprodukten für zu unsicher hält, der sei an Pavel Domarev verwiesen, einem Forscher am Institut für Thermophysik der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk. Der von ihm entwickelte thermische Plasma-Reaktor verwandelt medizinische Abfälle in technisch verwendbare Gase. Dabei sind pro Stunde 6.000 Masken einer Temperatur von 1.200 bis 1.400 °C ausgesetzt, wodurch sich chemische Elemente in einfachere Substanzen oder Synthesegase zersetzen. Anorganische Teile kommen in eine Hochtemperatur-Kammer, wo sie geschmolzen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2022, Seite 14, Foto: lufeethebear / stock.adobe.com)

 

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