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31. Dresdner Verpackungstagung: Verpackungsrecycling ist Vorreiter für eine Circular Economy

„Der Kreislauf nimmt Fahrt auf“ lautete das Motto der 31. Dresdner Verpackungstagung am 2. und 3. Dezember 2021. Jeweils 250 Teilnehmende täglich folgten der online-Veranstaltung und den Vorträgen, die sich vielfach auf das Thema Recycling bezogen.

Die Recycling-Situation auf dem Prüfstand
Einen Einblick in den Stand der Recyclingtechnologie und unterschiedliche Recyclingverfahren gab Joachim Christiani (cyclos-HTP). Er hält Recyclingquoten von 50 Prozent, die das Verpackungsgesetz in Bezug auf die Brutto-Sammelmenge fordert, insbesondere für das Jahr 2022 für „sehr sportlich“. Hauptsächliche Ursache hierfür sei der hohe Anteil von durchschnittlich 30 Prozent an Fehlwürfen. „Hier müssen Rezyklat-Produktion und Rezyklat-Applikationen maßgeblich ausgebaut werden“, fordert der cyclos-Geschäftsführer. Bislang habe man vor allem diejenigen Materialien, die sich gut vermarkten lassen, in der Produkt­ausbeute maximiert und die entsprechenden Prozesse hochskaliert. LDPE hingegen gelte als Sorgenkind, da es sehr dünnwandig, oft bedruckt, meist verschmutzt sowie in der Aufbereitung relativ teuer sei.

Christiani sieht daher in einer vernetzten, sich schrittweise der besten Lösung annähernden Optimierung den Schlüssel zum Erfolg. Und er hält „eine Schaffung von Pullmärkten für Rezyklate zur Stabilisierung der Recyclinginfrastruktur und als Innovationstreiber für unbedingt erforderlich“. Eine Bevorzugung von Rezyklateinsatz mit ausschließlicher Fokussierung auf Kunststoffverpackungen werde hingegen den Ökomarketing-Trend zu „Weniger Plastik“ durch Wechsel zum Beispiel auf faserbasierte Verbundstrukturen verstärken und sich innovationshemmend auswirken.

Praxiserfahrungen mit Einsatz von Rezyklaten
Michael Düsener (Compo GmbH) bereitet es Sorge, dass der Handel sich zunehmend seine eigene Versorgung mit Rezyklat sichert, dabei an seinen Vorlieferanten vorbeiarbeitet und tiefer in die Wertschöpfungskette eindringt: „Es droht ein Ausverkauf der Kapazitäten.“

Als Ausweg biete sich an, Partnerschaften zu suchen und Partner langfristig zu binden. Was die Einsatzfähigkeit von Rezyklaten betrifft, ist der Head of Purchase der Compo GmbH überzeugt: „Die Weiterverarbeitung der Produkte bei der abfüllenden Industrie ist mit wenigen Ausnahmen bei allen Materialfraktionen unproblematisch und vergleichbar mit den Qualitäten aus Neuware.“ Hinsichtlich Neuware gab Düsener aber auch zu bedenken, dass es vielleicht auch mal gut sein müsste, Neuware in den Verkehr zu bringen, wenn diese zu 100 Prozent recycelbar sei. Das könne einen positiven Einfluss auf die Mengenstruktur-Problematik haben.

Gute Sammelquoten, gegenläufige Entwicklungen
Gundula Rachut (Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister) – von dvi-Geschäftsführer und Moderator Winfried Batzke als „Grande Dame der Materialströme“ vorgestellt – informierte die Tagungsteilnehmer über den Sachstand des Recyclings im dualen System.

Für das Jahr 2020 meldete sie einen Anstieg in allen Sammelgruppen. Dennoch werde die Quotenerfüllung für 2022 eine große Herausforderung darstellen, nicht zuletzt aufgrund gegenläufiger Tendenzen. Dazu gehören laut Rachut ein hoher Anteil von gut verwertbaren Verpackungen, die in das Pfandsystem wechseln, eine Zunahme von schwer verwertbaren Verbunden und die Tendenz von Handelshäusern, für verwertbare Verpackungen die Eigenrücknahme zu starten. Kritisch sieht Rachut auch faserbasierte, aber beschichtete Verpackungen sowie Verbunde. „Im gelben Sack nimmt das Papier nicht zuletzt durch Restfüllgüter Feuchtigkeit auf und fängt an zu schimmeln.“ Das erschwere das Recycling. Was Neuregistrierungen bei der Zentralen Stelle betrifft, beobachtet die Verpackungsspezialistin einen Boom, der zur Hälfte aus Deutschland und zur Hälfte aus China kommt, wohinter sie neue Regelungen für Marktplätze vermutet.

Hochwertiges Rezyklat ausverkauft
Hinsichtlich Verfügbarkeit von Rezyklaten machte Christian Schiller (cirplus GmbH) darauf aufmerksam, dass hochwertiges Rezyklat bei acht von zehn Lieferanten auf drei Monate ausverkauft ist. Es gebe aktuell einen Verkäufer-Markt, auf dem Anbieter alles, was in vertretbarer Qualität vorliege, verkauften könnten.

Als Gründer und Geschäftsführer der cirplus GmbH, einer digitalen Beschaffungsplattform für Rezyklate, lieferte er eindrückliche Beispiele für seine Aussagen. So habe sich der Preis für rPET seit Januar 2021 um 74 Prozent verteuert und LDPE in Folienqualität um 66 Prozent. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage habe sich im gleichen Zeitraum von 80:20 auf 35:65 verändert. Eine wichtige Rolle im sich verändernden Markt prophezeite Schiller der neuen DIN SPEC 91446 als Standard für Recyclingkunststoffe. Diese habe man gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Normung, mit Wissenschaft, Forschung und Unternehmen entwickelt, und sie werde „einen Schub für das Kunststoffrecycling bringen, denn es gehe um Vertrauen: Vertraue ich dem Anbieter und vertraue ich dem Material?“

Hebel für die Verpackungswende
Laura Griestop (WWF Deutschland) präsentierte eine jüngst veröffentlichte Studie mit dem Titel „Verpackungswende jetzt! So kann ein Systemwandel hin zu einer Circular Economy für Kunststoffe in Deutschland funktionieren“. Ihrer Darstellung nach schätzt der WWF Verpackungen „als Vorreitersektor für eine funktionierende Circular Economy“ ein. Auf drei von in der Studie ausgeführten sieben zentralen Hebeln mit Einspar- beziehungsweise Veränderungspotential ging die WWF-Managerin für Nachhaltige Wirtschaft und Märkte gesondert ein: Eliminierung und Minimierung von Verpackungen könnte den Kunststoffverbrauch um acht Prozent senken. Der vermehrte Einsatz von Mehrweglösungen könnte den Kunststoff-Verpackungsabfall um 23 Prozent reduzieren. Und Design for Recycling wäre in der Lage, beispielsweise durch die Abschaffung von Multilayern den Closed Loop im Kunststoffrecycling um 30 Prozent zu erhöhen.

Chemisches Recycling
Dem Chemischen Recycling standen die Experten reserviert gegenüber. Für Laura Griestop stellen sich beispielsweise Fragen nach dem Energieverbrauch, dem Entstehen und Eliminieren von Schadstoffen und dem Erreichen von Stoffreinheit. Auch Gundula Rachut gab zu bedenken: „Wenn ich mit relativ viel Energie aus Monomeren Polymeren mache, um danach mit viel Energie aus Polymeren Monomere zu machen, dann stellt sich die Frage, ob das lohnt? Beim Verbrennen nutze ich zumindest das gesamte Energiepotential. Mit Stoffströmen aus reinem PET und PP wäre Chemisches Recycling gut vorstellbar, aber genau diese Stoffe kann ich auch so gut recyceln.“

Andererseits seien Materialien, die im klassischen Recycling schwierig sind, auch im Chemischen Recycling problematisch. Joachim Christiani war ebenso skeptisch. Er prognostizierte, dass das Verfahren wohl teuer werden wird, passende Stoffströme zu finden auf Schwierigkeiten stoßen dürfte, und die Praxis erst noch beweisen müsse, dass es funktioniert.

Etiketten tragen zur Kreislaufwirtschaft bei
Der letzte Vortrag der 31. Dresdner Verpackungstagung stammte von Marika Knorr, bei der CCL Label Meerane GmbH für Nachhaltigkeit und Kommunikation zuständig. Sie präsentierte aktuelle Etikettierungs-Lösungen wie Shrink Sleeve, Pressure Sensistive Label und Stretch Sleeve – darunter das mit dem Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnete EcoStretch – und zeigte damit, wie Etiketten zur Kreislaufwirtschaft beitragen können. Denn ihr Credo lautet, dass sich 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten bereits in der Designphase entscheiden. Als weltweiten Spitzen-Trend in der Materialauswahl bezeichnete Knorr den Wechsel von Multi- zu Monomaterialien aufgrund der besseren Recyclingfähigkeit, die Zunahme kompostierbarer Verpackungen, die hohe Nachfrage nach Bio-PP sowie eine wachsende Nachfrage nach Bio-PET.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2022, Seite 38, Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de)

 

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