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Schrottmarktbericht: Geringe Nachfrage trifft auf geringes Angebot

Im Berichtsmonat Juli bestimmten die schwache Nachfrage der Werke, ein schwaches Angebot des Handels und eine Kaufwelle der türkischen Schrottverbraucher im Tiefseemarkt das Geschehen. Die Verkaufsgespräche zwischen den Marktteilnehmern begannen wegen der stark unterschiedlichen Preisvorstellungen zäh.

Der parallel in Schwung kommenden türkischen Kaufwelle im Juli konnten sich die europäischen Verbraucher trotz einer ferienbedingt schwachen Nachfrage nicht entziehen. Während die Exporteure ihre Einkaufspreise frei Lager je nach Bedarf sukzessive um €40 bis €70 pro Tonne anhoben, einigten sich die inländischen Werke mit den Schrottanbietern auf eine durchschnittliche Preisreduzierung von €30 bis €50 pro Tonne. Die Abschläge waren bei später im Monat gekauften Mengen geringer und je nach Ausgangsbasis im Vormonat konnten in einzelnen Fällen unveränderte und positive Preise erzielt werden. Die Exportnotierungen lagen zum Beispiel beim Schredder-Schrott deutlich über den Inlandspreisen.

Die Werksseite startete die Monatsverhandlungen mit dem Hinweis, dass die Bevorratung mit Schrott gut und der Bedarf auf Grund der ferien- und betriebsbedingten Stillstandzeiten gering sei. Es gab zudem ungeplante Verlängerungen von Stillständen in einzelnen Werken um bis zu einer Woche. Ein Werk arbeitete wegen der schwierigen Auftragslage kurz. Der Handel agierte sehr vorsichtig und bot seinerseits den Werken reduzierte oder gar keine Mengen an, denn je nach Region war der Schrottzulauf stark rückläufig. Der befragte Handel bezifferte seinen Eingang an Altschrotten um 20 bis zu 70 Prozent niedriger gegenüber der für diese Jahreszeit üblichen Eingangsmenge. Ein Grund könnten die hohen Inlandspreisreduzierungen in den vergangenen drei Monaten sein, die die Sammelbereitschaft beeinträchtigt haben. Möglicherweise sind auch die Läger leer. Der Mangel an Altfahrzeugen ist auf die stark rückläufigen Neuanmeldungen zurückzuführen. Laut Angaben des Verbandes Der Automobilindustrie (VDA) sind im ersten Halbjahr 2022 mit 1,2 Mio. Neufahrzeugen gut 11 Prozent weniger Neufahrzeuge zugelassen worden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 besteht sogar ein Absatzdefizit von 33 Prozent.

Entwicklung in den Regionen
Im Norden und Nordwesten Deutschlands war der von den Verbrauchern signalisierte Bedarf unter anderem wegen ferien- und/oder bedingter Stillstände oder suboptimaler Auslastung stark reduziert. Die anziehenden Preise frei Exportlager boten einigen Lieferanten jedoch eine alternative Absatzmöglichkeit. Ein Verbraucher im Norden, der am Monatsbeginn Abwehrpreise angeboten hatte, suchte bei Redaktionsschluss doch noch Material. Die Nachfrage im Osten Deutschlands war bei den Werken ohne Sommerstillstand normal. Die Preisreduzierungen bewegten sich je nach Werk und Sorte bei €30 bis €55 pro Tonne. Verbraucher, die ihren Bedarf nicht decken konnten, wurden im letzten Monatsdrittel verhandlungsbereiter. Im Westen gab es für die Lieferanten der beiden Ruhrverbraucher, die ihren Bedarf frühzeitig vor dem nächsten Monatsbeginn eindecken, Preisreduzierung, die um €10 bis €30 pro Tonne über den später ermittelten, durchschnittlichen Abschlägen lagen. An der Saar war der Bedarf gut und je nach Verbraucher und Sorte blieb der Angebotspreis unverändert oder es mussten Abschläge bis zu €50 pro Tonne akzeptiert werden. Im Südwesten war das angebotene Preisspektrum je Lieferant und Abschlusszeitpunkt wieder breit gefächert und bewegte sich bei normalem Bedarf bei €35 bis €75 pro Tonne. Im Süden schien der Verbraucher zu Beginn des Monats Mengen zu suchen und bot Abschläge von €20 pro Tonne an, die er später auf bis zu €60 pro Tonne ausdehnte.

Nachbarländer
Italienische Werke sind nach eigenen Angaben gut bevorratet und boten ihren deutschen Lieferanten Preisreduzierungen gegenüber dem Vormonat von €100 bis €150 pro Tonne an, was die Lieferbereitschaft stark belastete. Nachdem Verbraucher im zweiten Monatsdrittel doch noch Mengen kaufen wollten und ihre ursprünglichen Preisvorstellungen von €100 auf €50 pro Tonne reduziert hatten, kam es zu vereinzelten Abschlüssen. Möglicherweise steigt der Schrottzukaufbedarf ab September wieder an, denn laut der internationalen Fachpresse weist die Nachfrage nach italienischen Lang- und Flachstählen seit der vergangenen Woche eine gewisse Belebung auf. Der Zukaufbedarf der schweizerischen Werke war sehr übersichtlich und wer verkaufen wollte musste Abschläge von €80 bis €100 pro Tonne akzeptieren. Der große Stahlhersteller in Österreich reduzierte seine Einkaufspreise für alle Sorten um €70 pro Tonne. Der kleinere Produzent reduzierte seine Altschrottpreise um €90 pro Tonne und die Neuschrottpreise um €70 pro Tonne. In der Tschechischen Republik kauften die beiden wichtigen Verbraucher zu unterschiedlichen Preisen ein, während eines der Werke seine Einkaufspreise um €40 pro Tonne reduzierte, senkte der andere Verbraucher seine für Altschrotte um €10 pro Tonne und um rund €16 pro Tonne für Neuschrotte. Da die polnischen Stahlwerke im Juni die Preise stärker zurückgenommen hatten als die Werke in den Nachbarländern, reduzierten sie im Juli die Einkaufspreise je nach Sorte um €17 bis €27 pro Tonne. Mit diesem Angebot sollten mehr Mengen für die heimische Produktion im Land gehalten werden, da im polnischen Markt ebenfalls von einer Nachfragebelebung ausgegangen wird. Mit einem deutlich verminderten Bedarf gegenüber dem Vormonat hat der Verbraucher in Luxemburg mit Preisabschlägen von €50 bis €55 pro Tonne versucht Mengen im deutschen Markt zu beschaffen. Französische Werke reduzierten bei guter Nachfrage ihre Angebotspreise um bis zu €50 pro Tonne.

Gießereien
Der Schrottbedarf der Gießereien war je nach Produktionsprogramm zufriedenstellend. Händler berichteten, dass unter den russischen Sanktionen die Landmaschinenhersteller leiden, denen Aufträge weggebrochen sind. Die schwache Auslastung der Automobilhersteller auf Grund immer noch fehlender Halbleiter und sonstiger Bauteile belastet die zuliefernden Gießereien immer stärker, denn auch sie können nicht kontinuierlich produzieren. Gesucht waren im Juli schwarze Tiefziehgüter, die jedoch wegen der mangelnden Produktion der Automobilhersteller nicht im gewünschten Maß zur Verfügung gestellt werden können. Gießereien, die an keinen Preisindex gebunden sind, zahlten bis zu €30 pro Tonne weniger für den Schrott als im Vormonat. Einige Hersteller aus dem Westen waren ferienbedingt im Juli nicht im Markt, im kommenden Monat folgen die Verbraucher aus dem Süden und dem Osten Deutschlands.

Tiefseemarkt
14 Wochen lang hatten türkische Verbraucher lediglich sporadisch Mengen im Tiefseemarkt gekauft und damit die Schrottpreise weltweit unter Druck gesetzt. Vom höchsten Preisniveau Ende März in Höhe von US-$650 pro Tonne für die EU-Sorte HMS 1/2 (80:20) CFR Türkei fiel der Preis bis Ende Juni um US-$330 auf US-$319 pro Tonne. Mit einer Kaufwelle Anfang Juli begann sich der Preis bis Mitte Juli um rund US-$85 pro Tonne zu erholen und beeinflusste neben dem europäischen zum Beispiel auch den indischen Markt. Nach einer Schätzung des bvse konnten vom Kontinent mindestens 8 Schiffsladungen an türkische Werke verkauft werden. Von Mitte Juni bis Ende Juni hatten die Exporteure in den Tiefseehäfen der Nordsee ihre Annahmepreise von €310 pro Tonne auf €220 pro Tonne reduziert. Nachdem das türkische Kaufinteresse wieder aufflammte, erhöhten sie ihre Eingangspreise auf €310 bis €330 pro Tonne frei Lager. Die Schrottbeschaffung war schwierig, und dass obwohl die Exportpreise über den Inlandsnotierungen lagen. Die Schrottverfügbarkeit ließ jedoch im Juli wie oben erwähnt sehr zu wünschen übrig. Für Nutzer von Binnenschiffen erschwerte das Niedrigwasser eine zeitnahe Belieferung der Exporteure. Die letzten Verkäufe vor dem Redaktionsschluss aus Nordamerika weisen bereits wieder schwächere Notierungen auf. Inwieweit die europäischen Exporteure der türkischen Seite preislich entgegenkommen können und wollen, ist noch unklar. In einer eher kurzen Zeitspanne im Juni und Juli erfreuten kaufwillige indische Verbraucher den Schrotthandel mit Preisen, die deutlich über denen der inländischen Werke lagen.

Schlussbemerkungen
Die aktuellen logistischen Herausforderungen in Form von mangelndem Frachtraum egal bei welchem Transportmittel belasten die Schrottwirtschaft erheblich. Das Thema Fahrer/Fachkräftemangel hat sich zusätzlich durch die stark angestiegenen Fallzahlen der COVID-Infektionen verschärft. Das Niedrigwasser am Rhein und seinen Nebenflüssen verteuert und verzögert nicht nur die Transporte, es wird in einigen Regionen immer schwerer Frachtraum zu buchen. In der Renaissance der Kohlekraftwerke ist eine neue Konkurrenz um den ohnehin knappen Frachtraum erwachsen. Die Versorgung der Kohlekraftwerke an der Rheinschiene hat Vorrang und deren Betreiber zahlen den Frachtführern so hohe Preise, dass sich für sie sogar Leerfahrten lohnen. Nun versuchen die Kraftwerke wegen der reduzierten Belademöglichkeiten auch noch zusätzlich auf die Schiene auszuweichen. Die Bahn ist jedoch längst hoffnungslos überlastet und hat bereits Stillstände bei der Industrie zu verantworten, weil die produzierten Waren nicht abgeholt wurden und die Lager überquollen. Über die Entwicklung im August kann wegen der vielen unsicheren Parameter, die das Marktgeschehen bestimmen und die Marktteilnehmer beunruhigen, nur spekuliert werden. Kurz vor dem Redaktionsschluss kam die Meldung, dass das Gas aus Russland – wenn auch in geringerem Umfang – fließt. Sollte dies so bleiben, könnte sich die Lage etwas entspannen und die Stahlnachfrage anziehen und mir ihr der Schrottverbrauch. Im kommenden Monat werden noch einige Verbraucher Werksferien haben, sodass der Bedarf angepasst sein wird. Möglicherweise ändert sich dies im September, denn die Auftragslage ist eigentlich vielversprechend.

Redaktionsschluss 21.07.2022, BG-J/bvse, Foto: Andi Karg