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Gute Marktlage für Altkunststoffe und Rezyklate

Der 24. Internationale Altkunststofftag des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. erwies sich mit rund 300 Teilnehmern wieder als nationales und europäisches Branchentreffen.

Klärungsbedarf gab es reichlich in Anbetracht der aktuell unsicheren Wirtschaftslage. Beim traditionellen Pressegespräch am Rande der Tagung standen deshalb die Themen Märkte und Marktsituation, Internationale Verbringung, Ausbau des Kunststoffrecyclings und Rezyklateinsatzquoten im Mittelpunkt.

Die gegenwärtige Marktlage für Altkunststoffe und Rezyklate sei nach wie vor sehr gut, berichtete Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling. „Die Nachfrage ist hoch und die Lager sind leer.“ In der gegenwärtigen Krise überträfen die Preise für PE- und PP-Recyclingkunststoffe immer wieder die Neuwarepreise. Seinen Worten zufolge liegt dies zum einen am Angebot an Neuware, die nicht in ausreichender Menge verfügbar ist, und zum anderen an den hohen Kosten für Energie, Personal, Transport und Logistik. Auch Kunststoffabfälle werden teuer gehandelt.

„Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kunststoffrecycler schon jetzt aufgrund der allgemeinen Kriseneinflüsse teilweise mit erheblichen Margenproblemen zu kämpfen haben“, so Textor, der wegen der angezogenen Energiepreise in Deutschland eine Entwicklung in Richtung Rezession befürchtet. Er rief dazu auf, alle Anstrengung auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft auszurichten. Das bedeute auch, dass die Recyclinganlagen, wo immer das noch möglich sei, auf Energieeffizienz getrimmt werden müssen. „Wir werden über Jahre keine fallenden Energiepreise mehr erleben. Das muss allen Verantwortlichen klar sein“, betonte der Vorsitzende des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling.

Einsatzpotenziale für Rezyklate
In diesem Zusammenhang stellte der Redner fest, dass Krisen das Erreichte auf den Prüfstand stellen. Laut der Conversio-Studie 2020 wurden 2019 von den in Deutschland angefallenen Kunststoffabfallmengen rund 2,9 Millionen Tonnen werkstofflich recycelt. Die Gesamtmenge an eingesetzten Rezyklaten betrug mehr als 1,9 Millionen Tonnen. Nach den Angaben beträgt ihr Anteil an der Verarbeitungsmenge (14,2 Millionen Tonnen) insgesamt 13,7 Prozent; der Anteil von Recyclingkunststoffen aus Post-Consumer-Abfällen liegt bei etwa 7,2 Prozent (was rund einer Million Tonnen entspricht). Dabei ergänzen die aufbereiteten Kunststoffe aus dem Recycling die Neuware und können im Hoch- und Tiefbau Holz, Beton oder Stahl vorteilhaft ersetzen. Letzteres gilt vor allem für Mischkunststoffe.

Diese Mengen könnten aber den Mangel an Neuware nicht ausgleichen, konstatierte Dirk Textor und verwies auf die 2020 veröffentlichte BKV-Studie „Potenzial zur Verwendung von Recycling-Kunststoffen in der Produktion von Kunststoffverpackungen in Deutschland“. Je nach Modell wurden den Angaben zufolge Einsatzpotenziale von 0,96 Millionen Tonnen über 1,7 Millionen Tonnen bis hin zu 2,2 Millionen Tonnen angenommen. „Oder anders ausgedrückt, könnte unter Nutzen von Kunststoffabfällen aus Gewerbe und Industrie der Rezyklateinsatz um insgesamt etwa 1,9 Millionen Tonnen bis bestenfalls 4,4 Millionen Tonnen gesteigert werden“, so Textor. In einer ersten Abschätzung erscheine eine Erhöhung an Rezyklaten auf insgesamt 2,9 Millionen Tonnen bis 2035 realistisch zu sein, wenn hierfür die Voraussetzungen geschaffen würden. Er hält es für notwendig, weitere Quellen für die Rezyklatherstellung zu erschließen.

Geforderte Einsatzquoten und die Realität
Dr.-Ing. Herbert Snell, Vizepräsident des bvse, betonte, dass produktbezogene Rezyklateinsatzquoten an der Wirklichkeit vorbeigehen. Im Lebensmittelbereich sei es bislang nur bei Recycling-PET (r-PET) gelungen, die Vorgaben der EFSA (Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit) für die lebensmittelrechtliche Zulassung zu erfüllen. Vor dem Hintergrund der Aussagen verschiedener Markenartikler hinsichtlich des zu verwendenden Anteils an Recyclingkunststoffen (bis zu 100 Prozent) und der in vielen europäischen Ländern mangelhaften Erfassung der gebrauchten PET Verpackungen, ist seiner Meinung nach nicht von einer ausreichenden Menge an r-PET auszugehen, um die gegenwärtig diskutierten Quoten auch nur annäherungsweise erfüllen zu können.

Für Polyolefine wie PE und PP, die bei Verpackungen (unter anderem für Kosmetik und Reinigungsmittel) ebenfalls zum Einsatz kommen, gibt es seinen Worten zufolge noch keine EFSA-Regularien, um ihre Verwendung im direkten Lebensmittelkontakt zu ermöglichen. „Die bürokratischen Prozesse behindern schon heute die Zulassung“, unterstrich Herbert Snell. „Mit der vorgelegten Novelle der Verordnung wird sich dies noch weiter verschlechtern.“ Produktbezogene Quoten seien eine enge Lösung, die aus Verbandssicht durch das werkstoffliche Recycling schwer umsetzbar ist.

Der bvse plädiert deshalb für eine „weite Lösung“, die aus „polymerspezifischen Einsatzquoten“ besteht. Dieses Modell lasse sich so erweitern, dass auch die Kunststoff­erzeuger einbezogen werden können, „beispielsweise ergänzt um ein Handelssystem mit Zertifikaten“. Ein solcher Zertifikathandel gewährleiste, „dass Investitionen in das Recycling dort stattfinden, wo sie die höchste ökonomische Wertschöpfung generieren“. Vorteil: Der Gesetzgeber könne den Anteil von Recyclingkunststoffen am Gesamtmarkt ohne Vorgaben gezielt steuern. „Durch die Selbstregulierung des Marktes findet die Steigerung des Rezyklateinsatzes zunächst in den Anwendungen statt, in denen die rechtlichen, technischen und ökonomischen Hürden am geringsten sind“, zeigte sich Snell überzeugt.

Altkunststoffe und internationaler Handel
Dr. Thomas Probst, Referent des Fachverbandes Kunststoffrecycling im bvse, unterstrich die Notwendigkeit, den internationalen Handel nicht zu unterbinden. Deutschland, das im vergangenen Jahr 766.200 Tonnen an Kunststoffabfällen exportierte (Vorjahr: 1,0 Millionen Tonnen) und 476.200 Tonnen (Vorjahr: 481.300 Tonnen) aus dem Ausland bezog, zeige, dass die werkstoffliche wie auch thermische Kunststoffverwertung zunehmend im Land erfolge. „Um das ins rechte Bild zu rücken: Deutschland hat ein so starkes Kunststoffrecycling aufgebaut, dass die hier anfallenden Abfälle nicht die bestehenden Kapazitäten auslasten“, sagte Thomas Probst. Altkunststoffe seien nachgefragt wie selten zuvor. Die Neuordnung der internationalen Verbringung von Kunststoffabfällen bedeute, dass diese in Europa verarbeitet werden sollten, was nach Meinung des bvse richtig sei. „Allerdings ist auch zu beachten, dass nur durch europäische und internationale Märkte die jeweils gültigen Preise und Qualitäten ermittelt werden“, gab er zu bedenken. Der internationale Austausch von Kunststoffabfällen und Rezyklaten sei wichtig, um das durch gesetzliche Vorgaben bedingte Kunststoffrecycling den freien Märkten gegenüberzustellen.

„Die gegenwärtigen Beschränkungen in der Verbringung von Kunststoffabfällen bedeuten letztlich auch, dass PET-Getränkeflaschen, die in Tunesien, Ghana oder Kenia gesammelt werden, kaum noch in die europäischen Märkte gelangen können.“ Auch in diesen Ländern sollten Sammelstrukturen aufgebaut werden, um diese gebrauchten Verpackungen dann anschließend dort in geeigneten Anlagen zu recyceln oder sie in den weltweiten Handel zu geben. Auf diese Weise lasse sich nicht nur ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft auf internationaler Ebene leisten, sondern auch eine wichtige Wertschöpfung und die Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen forcieren.

www.bvse.de [1]

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2022, Seite 14, von Brigitte Weber, Foto: luckakcul / stock.adobe.com)

 

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