- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Personalentwicklung: Stärker in Circles einbeziehen

Ein Unternehmen ist immer nur so gut wie seine Mitarbeiter. Deren Aus- und Weiterbildung ist ein entscheidender Faktor auch für die Betreiber von thermischen Abfallbehandlungsanlagen. Das verdeutlichten drei Beiträge auf der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz am 24. Juni.

Die Anforderungen an Anlagenfahrer sind vielschichtig und hoch, machte Ernst Michael Zille vom Bildungsträger KWS Energy Knowledge deutlich. So verlangt die Prüfung Anlagentechnologie die Gebiete Wärmelehre, Chemie, Dampferzeuger, Turbinen, Hilfs- und Nebenanlagen, Rohrleitungen und Armaturen, elektrische Anlagen, Leittechnik, Anlagen-Aufbau und -betrieb sowie Umweltschutz. Für die Prüfung Anlagenbetrieb kommen hinzu: Abfall-Aufbereitung, -Behandlung und -Verwertung, Förderanlagen, Brandschutz, Prozessdampfverarbeitung und -weiterverarbeitung, Wasseraufbereitung, Umweltschutz, Arbeitsschutz, Rauchgasreinigungsanlage, elektrotechnische Anlagen sowie Leittechnik. Bei ausgebildeten Kraftwerkern werden spezielle Sachkenntnis, Organisationsfähigkeit und Führungsqualitäten für den Betrieb von Abfall- und Sonderabfall-Verbrennungsanlagen sowie Ersatzbrennstoff-Kraftwerken erwartet.

Tool-, Skill- und Mind-Set
In beiden Betätigungsfelder herrschen ständig sich verändernde Produktions-Strukturen, -Methoden und -Organisationen, bedingt durch wirtschaftliche, technische, gesetzgeberische oder personelle Umstellungen. Sie haben Auswirkungen auf die technisch-logistische Ausstattung – das sogenannte Tool-Set -, die Entwicklung der Kompetenzen – das Skill-Set – und die Motivation der betreffenden Führungskräfte und Mitarbeiter – das Mind-Set. Dabei gilt es zu bedenken, dass für das vorhandene Personal die Umstellung von lange erfolgreichen Arbeits- und Verhaltensweisen auf neue Herausforderungen schwerer zu bewerkstelligen ist als mit neuen Mitarbeitern.

Nur generationenübergreifend fruchtbar
Hinzu kommt, dass – wie eine Aufstellung der FW Management Consulting GmbH zeigt – auf dem Arbeitsmarkt momentan vier verschiedene Altersstufen anzutreffen und in den betrieblichen Alltag zu integrieren sind: die Babyboomer im Alter zwischen 56 und 76 Jahren mit hoher Sozialkompetenz, Teamgeist und Hilfsbereitschaft; die Generation X mit 41 bis 55 Jahren und einer antiautoritären Haltung, materialistischer Orientierung und Offenheit hinsichtlich neuer Technologie; die Generation Y, 25 bis 31 Jahre alt, gut ausgebildet, und in digitalen Techniken bewandert und flexibel, was Planung, Arbeitsplatz und Arbeitszeit anlangt; und schließlich die Generation Z im Alter bis 25 Jahren, mit Digitaltechnik großgeworden, ambitioniert und leistungsorientiert.

Um die bei diesen vier Gruppen unterschiedlichen Niveaus im Fach-, Methoden-, Prozess-, Beziehungs- und Organisationswissen fruchtbar zu machen, rät das Consulting-Unternehmen zu einem ganzheitlichen sozialen System mit einer generationenübergreifenden, „kooperativen Wissenskultur“, die die Potenziale der unterschiedlichen Teammitglieder sich entfalten und gegenseitig wertschätzen lässt.

Qualifikationen erhöhen
In diesem Zusammenhang spielt die Weiterbildung der bestehenden Mannschaft eine wichtige Rolle. So berichteten Frank Schumacher (Zweckverband Restmüllheizkraftwerk Böblingen) und Hans Gärtner (Managementberater, Roser & Gärtner), dass beim Böblinger Unternehmen der erforderliche Anteil an technisch-fachlichen Qualifikationen noch nicht erreicht ist und erhöht werden muss. Das Schichtpersonal – also Kraftwerksmeister, Kesselwärter, Kraftwerker und Anlagenbediener – muss in den Bereichen Dampferzeugung, Rauchgasreinigung und Turbinen fitter werden. Anlagenmechaniker brauchen weitere Kenntnisse in Schweißaufsicht und sollen zu Spezialisten für Hydraulik, Getriebe und Pumpen werden, während ausgebildete Elektroniker in Prozess-, Immissions- und Umrichtertechnik zusätzlich geschult werden. Alles in allem sollen Schichtmitarbeiter über „Aufbauqualifikationen mit ständiger Auffrischung“ verfügen, während gleichzeitig Aufgaben zwischen Schicht- und Instandhaltungsarbeiten neu verteilt und flexibel gehandhabt werden. Das bedeutet wachsende Aufgabenfülle und Zuwachs an fachlicher wie organisatorischer Kompetenz – für die eigenen wie auch die noch einzustellenden Mitarbeiter.

Silodenken vermeiden
Das Ziel dieser Neuordnung der Arbeitsteilung sind laut Frank Schumacher und Hans Gärtner „die stärkere Vernetzung der Bereiche in der Wertschöpfungskette“ und die Steigerung des Produktivitätspotenzials. Um „Silodenken“ und „Abteilungsegoismen“ zu vermeiden, soll die Zusammenarbeit der einzelnen Bereiche vernetzt und verbessert werden. Dazu werden bestimmte Entscheidungskompetenzen auf die Arbeitsebene delegiert, um langfristig durch Mitwirkung der jeweils unteren Ebene die Qualität der meisten Entscheidungen zu erhöhen, die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme zu stärken und die Motivation der Mitarbeiter zu steigern – kurz: bessere Leistungsergebnisse zu erzielen. Der Zweckverband Restmüllheizkraftwerk Böblingen plant daher ein „duales Betriebssystem“, das die Vorteile der klassischen Hierarchie nutzt, diese aber mit einer latenten Arbeits- und Entscheidungsstruktur namens Circle Organisation ergänzt, in der die Beteiligten in jeweiligen Zirkeln (Projektcircles) freiwillig einbezogen werden.

Dieser Umstellung könnte sicherlich auch das Human Resources-Unternehmen Empleox zustimmen, denn es vertritt die Meinung: „Alle innovativen Ideen, alle Patente oder auch einfach Vertriebserfolge gehen letzten Endes auf Mitarbeiter zurück. Das bedeutet: bessere Mitarbeiter = besseres Unternehmen.“

Die zitierten Beiträge sind nachzulesen in Mineralische Nebenprodukte und Abfälle 9 [1], hrsg. S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D. G. Senk, H. Wotruba, H. Antrekowitsch, R. Pomberger, Neuruppin 2022, ISBN 978-3-944310-58-9.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2022, Seite 20, Foto: O. Kürth)