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Fachbeitrag: Lithium-Ionen-Akkus – Brandrisiko für Recycler

Smartphones, Schuhe, Zahnbürste, E-Scooter, Fahrräder: Lithium-Ionen-Akkus sind weit verbreitet. Mittlerweile sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Allein 2018 wurden rund 202 Millionen Lithium-Ionen-Akkus nach Deutschland importiert – eine Vervierfachung gegenüber 2012.

Viele von diesen Akkus werden am Ende ihres Produktlebens über die entsprechenden Rücknahmesysteme fachgerecht entsorgt. Doch die kleinen Kraftpakete können auch – spätestens wenn sie fehlerhaft in den Entsorgungskreislauf gelangen – massive Probleme verursachen. Die Herausforderung: Wenn Akkus zu brennen beginnen, geschieht dies schlagartig. Außerdem sind sie äußerst schwer zu löschen. Bei einem Recyclingbetrieb treffen sie zudem für gewöhnlich auf große Mengen brennbarer Stoffe.

Eine „tickende Zeitbombe“
Das Brandrisiko für die Entsorgungswirtschaft beginnt bereits im Moment der falschen Entsorgung. Schon aufgrund der Möglichkeit von Kurzschlüssen, die durch das Zusammenwirken mit anderen Abfällen entstehen können, oder durch das Verpressen der Abfälle im Sammelfahrzeug können Brände entstehen. Werden die Fahrzeuge dann auf dem Hof abgekippt, kommt dieser kleine Entstehungsbrand mit viel Sauerstoff in Kontakt und kann voll durchzünden. Aber auch bei den nächsten Prozessschritten eines Recyclers kann es zur Entzündung kommen. Häufig sind die Akkus so klein, dass sie im Haufwerk nicht durch Sichtkontrolle identifiziert werden können. Gelangen sie in den Vorzerkleinerer/Schredder, dann kann die mechanische Einwirkung zu einem Brand führen.

Neben diesen Gefahren sind beschädigte Akkus auch ohne weitere mechanische Einwirkung eine „tickende Zeitbombe“. Da sich Akkus ab etwa 50 Grad entzünden können, entstehen bei Außentemperaturen von 35 Grad wie in diesem Sommer in Kombination mit entsprechendem Druck im Inneren des Müllbergs schnell Temperaturen, die zu einem Brand führen können. In Verbindung mit dem brennbaren Material kann bereits ein sehr kleiner Akku im Haufwerk einen großen Brand mit Millionenschaden verursachen.

Was den Betrieb nachhaltig gefährden kann
Die dadurch verursachten Zerstörungen haben in der Folge häufig sehr hohe Schadenssummen, da das Feuer leicht auf weitere Gegenstände überspringen kann und Schäden an Gebäuden und Maschinen verursacht. Neben dem Sachschaden kann die mögliche Betriebsunterbrechung existenzgefährdend sein. Gerade in der heutigen Weltlage (Corona, Lieferketten, Sanktionen) können beispielsweise für speziell angefertigte Maschinen lange Wartezeiten für den Ersatz entstehen; in denen die Produktion ruht oder nur durch erhöhten manuellen Aufwand oder mit reduzierter Qualität betrieben werden kann. Zwar kann eine entsprechende Betriebsunterbrechungs- oder Mehrkostenversicherung den finanziellen Schaden abfangen; allerdings schützt diese nicht vor Auftragsverlusten und Reputationsschäden. Zudem haben in der Feuerversicherung für Entsorgungsunternehmen nahezu alle Versicherer ihr Angebot aufgrund der Vielzahl und Größe der Schäden in den vergangenen Jahren eingestellt oder gekürzt. In der Folge ist der Versicherungsschutz für die Betriebe der Entsorgungswirtschaft gefährdet und für schadenbelastete Risiken teilweise auch nicht mehr darstellbar. Mit reduziertem oder fehlendem Versicherungsschutz gehen Probleme in der Finanzierbarkeit einher, was den Betrieb nachhaltig gefährden kann.

Organisatorischer Brandschutz – eine gute Basis
Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist dann gegeben, wenn der Betrieb großen Wert auf den Brandschutz legt. Klassisch wird der vorbeugende Brandschutz in die Säulen organisatorischer, technischer und baulicher Brandschutz eingeteilt. Baulichen Brandschutz im Bestand umzusetzen, ist häufig nicht möglich. Dies liegt einerseits am (nicht) vorhandenen Platz wie auch an geänderten Regeln für behördliche Genehmigungen (Stichwort: Immissionsschutz).
Technische Brandschutzsysteme können im Bestand nachgerüstet werden; allerdings gibt hier das bestehende Objekt den Rahmen vor. Für Sprinklersysteme muss die Statik gegeben sein. Zudem muss es eine Stellfläche für Löschwasserbevorratung und eine adäquate Löschwasserrückhaltung geben. Ferner sind die Systeme häufig sehr kostenintensiv und benötigen für Planung und Errichtung längere Vorlaufzeiten. Was sich jedoch in der Regel sehr schnell und auch zu überschaubaren Kosten umsetzen lässt, ist der organisatorische Brandschutz. Bezogen auf die von Lithium-Akkus ausgehende Gefahr sind das zum Beispiel:

Aus Sicht eines auf Recycling-Versicherung spezialisierten Versicherers wie der Hübener Versicherung, sind solche Maßnahmen dann eine gute Basis, um das Gespräch über Versicherungsmöglichkeiten aufzunehmen. Dabei eignen sich diese Maßnahmen jedoch nicht zur Prämieneinsparung, sondern es geht primär darum, überhaupt Versicherungsschutz zu behalten oder wieder zu erlangen. Begleitet durch das Risk Engineering des Versicherers, können dann konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen entwickelt werden, die sukzessive implementiert werden. Mit Blick auf die typischen Brandschutzrisiken eines Recyclingbetriebs können dies auch Thermaldetektion und automatische Löschsysteme sein. Der organisatorische Brandschutz bleibt gleichwohl immer die wesentliche Basis und kann durch technischen Brandschutz nicht ersetzt werden.

Autor: Dietmar Linde, Vorstand Hübener Versicherungs AG, www.huebener-ag.eu [2]

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2022, Seite 30, Foto: andrey / stock.adobe.com)

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