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BDSV: Die Konjunktur ist merklich abgekühlt

Deutschlands Wirtschaft hat unter Energie- und Materialknappheit zu leiden. Davon ist auch die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen betroffen, die anlässlich der BDSV-Jahrestagung 2022 am 5. Oktober in Darmstadt Bilanz zog.

Die Konjunktur in der Stahlrecyclingbranche hat sich seit dem Sommer merklich abgekühlt. Bis dahin waren die Auftragsbücher noch gut gefüllt. Seitdem behindern anhaltende Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen sowie Vorprodukten die Produktion oder bringen Handelsströme zum Erliegen. Gleichzeitig schwächelt die Nachfrage aufgrund hoher Preise und einer globalen Konjunkturabschwächung. Daniela Entzian, Referentin für Betriebswirtschaft und Steuern beim BDSV, spricht von „einer Entwicklung, die uns Sorgen macht“.

Fünf Prozent weniger Rohstahl erzeugt
Die Stahlindustrie hat vielerorts mit massiven Pro­duk­tionskürzungen auf die hohen Energiepreise und die schwächere Nachfrage reagiert, sodass in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres in Deutschland knapp fünf Prozent weniger Rohstahl erzeugt wurden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der August sah zwei Prozent weniger produzierten Rohstahl als der Vorjahresmonat. Insbesondere die schrottintensive Elektrostahlproduktion hatte einen starken Rückgang um 8,6 Prozent zu verzeichnen, während die Oxygenstahlproduktion mit -0,1 Prozent nahezu konstant blieb. Im September dominierte nicht mehr die Frage um die Schrottpreise das Marktgeschehen, sondern die Frage nach Absatzmöglichkeiten, da immer mehr Stahlwerke die Produktion stoppen oder deutlich drosseln. Schlechte Absatzchancen führten in Folge für die Stahlschrottunternehmen zu volllaufenden Lagern. Sogar verkaufte Mengen konnten und können teilweise nicht mehr ausgeliefert werden, weiß Stephan Karle, stellvertretender BDSV-Präsident, aus eigener Praxis zu berichten.

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Foto: BDSV

Konjunkturverschlechterung prognostiziert
Bedenken hinsichtlich der kommenden Entwicklung drücken sich auch in einer Branchenumfrage des Verbandes aus. Hatten 2021 noch 60 Prozent der befragten Unternehmen eine gleichbleibende oder verbesserte Geschäftslage erwartet, prognostizierten in diesem Jahr 74 Prozent eine schlechtere Konjunktur. Insbesondere werden explodierende Kosten vor allem für Energie, eine hohe Inflationsrate und die unsichere wirtschaftliche Entwicklung dafür verantwortlich gemacht. Aber auch ein massiver Fachkräftemangel, insbesondere bei Lkw-Fahrern, dämpft die Erwartungen. Zu den weiteren Ursachen zählen unter anderem die zunehmende Cyberkriminalität, eine schwache digitale Infrastruktur, Konkurrenz durch digitale Handelsplattformen oder „closed loops“ von Stahlproduzenten und Industrie. Eine weitere Coronawelle könnte die Produktion lahmlegen. Als besonderer Risikofaktor gilt die Brandgefahr durch defekte Lithium-Ionen-Akkus. Nicht zu unterschätzen: Niedrigwasser, das im heißen Sommer anhaltend Logistikengpässe verschärfte und zu höherer Nachfrage nach Schienentransporten führte.

Vor großen Herausforderungen
Die explodierenden Strom- und Gaspreise in Europa stellen das Stahlrecycling vor große Herausforderungen und gefährden die ehrgeizig gesteckten Ziele in Bezug auf Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Wie viele andere Unternehmen laufen die BDSV-Mitgliedsunternehmen zunehmend in Gefahr, nicht mehr wirtschaftlich produzieren zu können. Sollte die Politik die Lage nicht schnell entschärfen, könnte dies den nachhaltigen Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten. Darüber hinaus bedrohen die steigenden Energiekosten und die nicht gesicherte Verfügbarkeit von Energie die Unternehmen der stahlerzeugenden und stahlverarbeitenden Industrie, was direkte negative Auswirkungen auf den Anfall von Recyclingrohstoffen hat.

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Foto: BDSV

Bereits im ersten Halbjahr des Jahres 2022 sanken die Stahlschrott-Exporte in die EU 27-Mitgliedstaaten im Vergleich zum Vorjahr von 3.986.727 auf 3.453.358 Tonnen und damit um 13,4 Prozent. Die Ausfuhr in Drittländer reduzierte sich von 737.946 auf 593.571 Tonnen und damit um knapp ein Fünftel (-19,6 Prozent). Insgesamt entstand so ein Minus von 14,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum gingen die Importe von 2.152.469 auf 2.061.925 Tonnen und somit um 4,2 Prozent zurück. Allerdings stiegen die Importe aus Drittländern um 13,6 Prozent – aus dem Vereinigten Königreich sogar um über 200 Prozent. Daraus resultiert ein weiteres Minus von 1,9 Prozent.

Unter erschwerten Bedingungen
Auch wenn – wie es die BDSV ausdrückt – „der klimafreundliche und ressourcenschonende Rohstoff aus dem Recycling weltweit gefragt ist“: Der Handel mit Stahlschrott muss sich auf ein schwieriges letztes Quartal einstellen. Erschwerend kommen – neben Personalmangel, den steigenden Energiepreisen und anhaltenden Logistikproblemen auf der Straße, den Schienenwegen und den Wasserstraßen in Deutschland – einige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen hinzu. So droht nach Ansicht der Bundesvereinigung durch die Revision der EU-Abfallverbringungsverordnung eine Einschränkung des Handels sowie des Zugangs zu internationalen Märkten und die damit einhergehende Abschottung der Endmärkte. Die vorgeschlagenen Exportbeschränkungen müssten durch eine Unterscheidung zwischen Rohstoffen aus dem Recycling und unbehandelten Abfällen modifiziert werden. Angesichts der ausgelasteten Lager seien unbürokratische genehmigungsrechtliche Ausnahmen bei Erhöhung der Kapazitäten notwendig, damit Annahmestopps vermieden werden können und der Recyclingkreislauf nicht unterbrochen wird. Kritikfähig sei auch der Entwurf des BMUV zur Änderung der Abwasserverordnung, der weit über die Eins-zu-eins-Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen gehe, unnötig erhöhte Anforderungen stelle, keine Referenzwerte aufweise und keine angemessenen Übergangsfristen festlege. Ebensowenig seien die Fristen in behördlichen Anordnungen zur Umsetzung der neuen TA-Luft akzeptabel.

22 Prozent gaben Pläne auf
Kritisiert werden auch die langwierigen Genehmigungsverfahren, die geplante Investitionen in Zukunftstechnologien und Investitionsprojekte wie die Einführung neuer Recyclingverfahren, den Bau neuer Aufbereitungsanlagen, BImSchG-Genehmigungen, Erweiterungen der bestehenden Genehmigungen, Änderung der Lagerflächen und den Bau von Lager- beziehungsweise Produktionshallen behindern. Wie die BDSV-Branchenumfrage zeigt, planen 34 Prozent der Unternehmen mittelfristig höhere Investitionen – ein Wert, der sich im Vergleich zur letzten Umfrage deutlich verringert hat. Gut ein Viertel der befragten Mitgliedsunternehmen kalkuliert mit mittelfristig geringeren Investitionen. Hinzu kommt, dass 22 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen – knapp ein Viertel – angibt, Investitionen aufgrund langwieriger Genehmigungsverfahren aufgegeben zu haben.

Die Dekarbonisierung ist gescheitert
Ohnehin sind Prognosen zurzeit schwierig oder – nach Ansicht von Stephan Karle – nicht möglich. Es gebe „Schwankungen wie noch nie“. Die Branche müsse angesichts volatiler Preise kreativ sein. Schrott sei ein Produkt der Zukunft, das höhere Qualitäten braucht. Gesucht werde ein Qualitätsschrott als Rezyklat, der hochwertig auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt ist. Dann werde es möglich sein, Hochofenprozesse mit deutlich mehr Schrott zu fahren, um weltweit dieses Qualitätsprodukt als „Schrott made in Germany“ vermarkten zu können.

Wird der Schrotthandel zukünftig in bessere Aufbereitungstechniken investieren? BDSV-Präsident Andreas Schwenter bringt es auf den Punkt: „Im Moment ist die Dekarbonisierung gescheitert.“ Umweltfreundlicher Strom in der erforderlichen Menge werde absehbar nicht verfügbar sein. Selbst 30.000 Windräder hätten Flauten, sodass 100 Gaskraftwerke in der Größenordnung von 500 MW zur Überbrückung notwendig wären. Es fehlen strikt 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2022, Seite 22, Foto: FreeProd / stock.adobe.com)

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