Mit klaren Worten eröffnete bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die 23. Ausgabe der Veranstaltungsreihe am 3. und 4. Juni in Potsdam: „Die aktuelle politische Lage hinterlässt auch in unserer Branche deutliche Spuren.“
Besonders die gescheiterte Novelle des ElektroG kritisierte Rehbock, denn aufgrund des Endes der Ampelkoalition wurde der Gesetzesentwurf nicht mehr im Bundestag behandelt – ein Rückschlag, denn gerade dieser Entwurf sah die fachgerechte Annahme von Altgeräten an Wertstoffhöfen durch geschultes Personal vor: Eine Maßnahme, die dringend gebraucht werde, um brandgefährliche Akkus auszusortieren. Hier sei die neue Bundesregierung gefordert. Das Thema dürfe nicht weiter aufgeschoben werden, denn die Zahl der Brände durch falsch entsorgte Batterien steige. Auch wenn belastbare Zahlen fehlen, gehen Schätzungen mittlerweile von Schäden in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro jährlich aus. Die Verbindung zur zunehmenden Verbreitung von akkubetriebenen Geräten liegt auf der Hand.
Ein massives Sicherheitsrisiko
Der bvse fordert deshalb von der künftigen Bundesregierung klare gesetzliche Rahmenbedingungen, um Sicherheit, Ressourcenschutz und ein funktionierendes Recycling zu gewährleisten. Bernhard Jehle, bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling, hob kritisch das Problem der Einweg-E-Zigaretten hervor. Ihr Marktanteil liegt bei rund 30 Prozent des stark wachsenden E-Zigarettenmarkts – mit dramatischen Folgen: Die enthaltenen Lithium-Ionen-Akkus bergen selbst nach Gebrauch noch bis zu 70 Prozent Restenergie. Ohne Rücknahmesystem oder Aufklärung durch die Hersteller stellen sie ein massives Sicherheitsrisiko dar. Jehle kritisierte das Schweigen der Hersteller scharf und forderte ein Verbot oder zumindest ein verpflichtendes Pfandsystem, um Mensch und Umwelt zu schützen.
Doch der Blick richtete sich nicht nur auf Gefahren, sondern auch auf Chancen. Mit den Schlagworten „Mehr Geräte. Bessere Qualität. Mehr Umweltschutz.“ betonte Jehle, dass die Sammlung von Elektroaltgeräten sowohl in der Menge als auch in der Qualität verbessert werden müsse. Während einige Kommunen bereits gute Sammelergebnisse erzielten, zeigten sich andernorts deutliche Defizite. Um hier gegenzusteuern, brauche es einen starken Vollzug bestehender Regeln, transparente Best-Practice-Beispiele und gezielte Verbraucherinformation mit Umweltfokus. Nur durch ein nachvollziehbares und attraktives Rücknahmesystem könnten Ressourcen gesichert und die Umwelt geschützt werden.
Praxisferne Regelung
Ein weiteres Thema, das auf dem Altgerätetag kontrovers diskutiert wurde, war die sogenannte „Open Scope“-Regelung des ElektroG. Sie führt dazu, dass selbst Produkte wie beleuchtete Möbel, Textilien oder Blutzucker-Pins formal als Elektroaltgeräte gelten. Jehle kritisierte diese gesetzliche Ausweitung als praxisfern und forderte dringend eine Überarbeitung der entsprechenden Bestimmungen, um Fehlwürfe und unnötigen Mehraufwand zu vermeiden.
Wie wichtig effizientes Recycling für die Zukunft ist, betonte auch Christian Kitazume vom Umweltbundesamt. Er hob hervor, dass die Abfallwirtschaft eine zentrale Rolle für die Dekarbonisierung und Ressourcensicherung spielt. Allein aus der Sammlung von Elektroaltgeräten ergibt sich ein hochwertiges Kunststoffrecyclingpotenzial von etwa 70.000 Tonnen jährlich. Die Recyclingbranche sei in diesem Bereich bereits sehr effizient unterwegs, wie die UBA-Studie zum Kunststoffrecycling eindrucksvoll zeige.
Ein zentrales Werkzeug zur Verbesserung
Christian Eckert vom ZVEI e. V. stellte in seinem Beitrag dar, wie zirkuläre Produkte und deren Recycling durch neue gesetzliche Rahmenwerke wie den Circular Economy Act oder die PPWR, gefördert werden sollen. Er betonte die Bedeutung von Rezyklaten, vor allem bei Kunststoffen, sowie den Umgang mit kritischen und seltenen Rohstoffen. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft seien klare Normen, Standards und ein starker Fokus auf Digitalisierung – etwa durch den digitalen Produktpass – unerlässlich. Auch Pilotprojekte und eine enge Zusammenarbeit aller Stakeholder seien notwendig, um Qualität und Verfügbarkeit sicherzustellen.
Diese Ansicht teilte auch André Rückert von der Ecologicon GmbH. Er sieht im digitalen Produktpass ein zentrales Werkzeug zur Verbesserung von Rückverfolgbarkeit und Materialrückgewinnung, warnte jedoch vor Herausforderungen wie fehlender Standardisierung, hohen Kosten und offenen Datenschutzfragen. Für eine flächendeckende Einführung brauche es gemeinsame Anstrengungen von Industrie, Politik und Recyclingwirtschaft.
Um Wirkung zu entfalten
Ein praktisches Beispiel für die Rücknahmeverantwortung lieferte Olaf Dechow, langjähriger Abfallbeauftragter der Otto Group. Der Konzern nimmt in Deutschland jährlich rund 46.000 Tonnen Altgeräte zurück – als Händler, Plattformbetreiber und Quasihersteller in verschiedenen Rollen. Für Dechow ist klar: Ökologische Ansprüche, wirtschaftliche Realitäten und Umsetzbarkeit müssen im Einklang stehen, um in der Praxis Wirkung zu entfalten. Gemeinsam mit den Teilnehmern des 19. Forums Schrott wurden anschließend unter der Moderation von bvse-Referent Andreas Habel weitere politische Themen erörtert. Julia Ettinger, Generalsekretärin von EuRIC, warnte vor zunehmenden protektionistischen Tendenzen im Handel mit Schrott. Die Stahlindustrie treibe dies voran – mit potenziell gravierenden Auswirkungen auf die Recyclingwirtschaft und den europäischen Binnenmarkt. Ettinger machte deutlich: EuRIC und bvse treten entschlossen für offene Märkte, Ressourcenschutz und fairen Wettbewerb ein.
Zum Abschluss des bvse-Branchenforums setzte Sebastian Krauß vom BVMW ein markantes Statement zur Lage des Mittelstands: „Bürokratie ist ein Innovationskiller – und längst eine existenzielle Gefahr.“ Mit Verweis auf das letzte Bürokratieentlastungsgesetz, das nur einen Bruchteil der Vorschläge aus der Wirtschaft umsetzte, forderte er nicht nur gesetzliche Anpassungen, sondern einen echten Kulturwandel in der Verwaltung: weg von Kontrolle – hin zu Vertrauen und Ermöglichung. Ökologische Ansprüche, wirtschaftliche Realitäten und Umsetzbarkeit müssen im Einklang stehen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2025, Seite 6, Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de)