Biomasse: Entlasten anderweitige Verwertungsverfahren die Umwelt?

Neben der Kompostierung und der Vergärung von Bioabfällen wurden in den vergangenen Jahren neue Verfahren entwickelt, die verschiedene stoffliche oder energetische Verwertungswege zum Ziel haben und zum Teil sehr spezifische Bioabfallströme im Fokus haben.

Eine im Rahmen des Ressortforschungsplans des Bundesumweltministeriums erstellte Studie untersuchte solche möglichen „anderweitigen“ Verwertungsverfahren auf die Menge der erwartbaren Emissionen.

Hydrothermale Carbonisierung
Unter hydrothermaler Carbonisierung (HTC) wird ein Verfahren zur thermo-chemischen Umsetzung von Biomasse in einer wässrigen Suspension bei 180 bis 230 °C und Drücken von 15 bis 60 bar verstanden. Der Prozess zielt auf eine Überführung der Biomasse in eine als HTC-Kohle bezeichnete Biokohle, die aufgrund ihrer braunkohle-ähnlichen Brennstoffeigenschaften als Substitut für fossile Energieträger Verwendung findet.

Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

Zwei Arten lassen sich unterscheiden: Primärer Koks entsteht durch Dehydratisierung und Decarboxylierung von Biomassebestandteilen wie Glucose, Stärke oder Glycerin und wird als Festbrennstoff oder Bodenverbesserer genutzt. Sekundärer Koks kann durch die Polymerisation der zuvor hydrolysierten Bestandteile der Biomasse gewonnen werden. Die größten Anlagen verfügen derzeit über theoretische Jahreskapazitäten von rund 10.000 Tonnen, die zumeist jedoch nicht erreicht werden, vor allem deshalb, weil keine der Anlagen in Deutschland ganzjährig durchgehend arbeitet. Die Aufbereitungskosten für das HTC-Verfahren liegen im Bereich von 10 bis 30 Euro pro Tonne.

Pyrolyse
In die Pyrolyse finden vor allem holzige Biomassen, aber auch Altreifen, Siebreste und Schlachtabfälle Eingang, um deren organische Substanz thermo-chemisch zu kohleartigen Feststoffen (Karbonisat) umzusetzen. Dabei erfolgt – in einem Temperaturbereich von 200 bis 600 °C und unter Ausschluss von Sauerstoff – eine thermische Abspaltung von Wasser, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und flüchtigen organischen Substanzen. Neben dem Karbonisat können auch direkt flüssige Phasen wie Teere oder Pyrolyseöle sowie aus den Gasphasen sekundäres Karbonisat mit erhöhtem Heizwert und geringeren flüchtigen Komponenten gewonnen werden. Zu unterscheiden sind Flash-Pyrolyse, mittelschnelle Pyrolyse, Verkohlung und Torrefizierung. Während die langsame Pyrolyse zur Herstellung von Bio- beziehungsweise Holzkohle seit Jahrtausenden Anwendung findet, werden Flash-Pyrolyse-Verfahren erst seit 30 Jahren erforscht und bislang größtenteils noch in Pilot- oder Demo-Anlagen betrieben. Das innovative Verfahren der Pyreg GmbH, von dem insgesamt rund 30 Module in Betrieb genommen wurden, kostet bei einer Brennstoffleistung von 500 kW rund 330.000 Euro, die zusätzlich benötigte Peripherie weitere circa 100.000 Euro. Der Marktpreis der daraus resultierenden EBC-Pflanzenkohle liegt bei circa 600 bis 800 Euro pro Tonne.

Hydrothermale Verflüssigung
Die hydrothermale Verflüssigung (HTV) beruhte ursprünglich auf einem Verfahren zu Umformung von Kohle, ist aber auch für andere Biomassen mit hohen Wassergehalten – beispielsweise Holzmehl, Holzschnitzel, Zuckerrübenschnitzel oder Schweinegülle – geeignet. In einer wässrigen Suspension zwischen 250 bis 350 °C und bei Drücken von 150 bis 240 bar findet eine thermo-chemische Umsetzung statt, die Biomasse in ein flüssiges, energiereiches Öl umwandelt, das sich als Flüssigkraftstoff lagern und thermisch nutzen lässt. Die Energie-Wiederfindungsrate von HTV-Öl bewegt sich zwischen 52 und 85 Masseprozent. Mittlerweile betreiben mehrere Universitäten und Unternehmen HTV-Anlagen; die größte bestehende Installation der Firma Licella in Australien verfügt über eine jährliche Kapazität von 10.000 Tonnen.

Umesterung
Die Umesterung zielt auf die Gewinnung von Biodiesel aus Pflanzenölen, aber auch Altspeiseölen und -fetten. Aus dem gereinigten und gepressten Öl entsteht nach Zugabe von Methanol oder auch Ethanol und einem Kataysator Fettsäuremethylester, den man anschließend in Glycerinphase und Produktphase mit darin enthaltenem Methylester trennt. Dieser Ester wird gesäubert und Wasser sowie Methanol-Reste durch Trocknung abgeschieden: Es entsteht Biodiesel. Die Aufbereitung der Glycerinphase führt zur Gewinnung von (Roh-)Glycerin, das als Pharmaglycerin oder technisches Glycerin Verwendung findet.

In Deutschland setzen mehrere hundert Anlagen Umesterungs-Verfahren ein. Deren Gesamtkapazität beträgt hierzulande rund 3.780.000 Tonnen jährlich, die der größten Anlage der ADM in Hamburg alleine 580.000 Tonnen pro Jahr. Die Kosten der Biodieselproduktion hängen von Ausgangsmaterial und Aufbereitungsaufwand ab. Die Gestehungskosten werden auf rund 750 Euro pro Tonne Biodiesel taxiert. Die enzymatische Umesterung von Pflanzenölen befindet sich derzeit noch in der Erforschung. Trotz stofflicher und energetischer Vorteile konnte sich die großtechnische Verwendung dieser Biokatalysator-Technik aufgrund hoher Kosten der Enzyme bislang jedoch nicht durchsetzen.

HEFA-Verfahren
Durch Hydrierung und anschließende Isomerisierung von Pflanzenölen beziehungsweise Triglyceriden lassen sich hydrierte Ester und Fettsäuren (engl. Hydroprocessed Esters and Fatty Acids, HEFA) erzeugen, die dem Verfahren den Namen geben. Die Prozesstemperaturen der Hydrierung liegen bei 280 bis 340 °C und der Druck bei 50 bis 100 bar. Die darauffolgende Isomerisierung erfolgt bei Temperaturen zwischen 280 und 400 °C und Drücken von 30 bis 100 bar.

Cracken spaltet die entstandenen Alkanketten auf entsprechende Länge; der Einsatz von Katalysatoren wie Zeolithe oder Aluminiumoxide optimiert die Isomerisierungsraten sowie die Länge der Alkanketten. Beim Prozess auftretende, kurzkettige Kohlenwasserstoffverbindungen wie Methan, Butan und Propan können aufbereitet und als Brenngas thermisch genutzt werden. Die schließlich resultierende flüssige Phase besteht aus einem Kraftstoffgemisch, aus dem Diesel, Kerosin und Naphtha separiert werden können.

Weltweit stehen zur Herstellung von HEFA-Kraftstoffen Anlagen-Kapazitäten von 4,8 Millionen Tonnen, davon in Euro 2,7 Millionen Tonnen zur Verfügung; die größte mit einer Kapazität von einer Million Tonnen ist im niederländischen Rotterdam in Betrieb. Laut Studie belaufen sich Investitionskosten für eine Anlage mit einer Kapazität von jährlich 200.000 Tonnen Kraftstoff auf circa 211 Millionen Euro. Die Gestehungskosten zur HEFA-Produktion hängen zu 80 bis 90 Prozent von den Marktpreisen der eingesetzten Rohstoffe ab. 2017 wurden für die Behandlung von Altspeiseölen Gestehungskosten von rund 1.520 Euro pro Tonne geschätzt.

Milchsäurefermentation
Die Milchsäurefermentation oder auch Milchsäuregärung baut pflanzliche Kohlenhydrate unter anaeroben Bedingungen bakteriell zu Milchsäure ab. Die Umwandlung senkt den pH-Wert, reduziert Bakterien und Pilze und erhöht dadurch die Haltbarkeit von Lebens- oder Futtermitteln. Zunehmend gewinnt Milchsäure auch als Plattform-Chemikalie vor allem für die Herstellung von Bio-Kunststoffen an Bedeutung. Dabei werden – kurz gesagt – aus Milchsäure Pre-Polymere erzeugt, diese durch Thermo-Katalyse zu Laktiden umgewandelt, um schließlich in Form von Polylaktiden (engl. poly lactic acid, PLA) als Ersatz für erdölbasierte Thermoplaste bei Folien und Lebensmittelverpackungen oder in der Medizintechnik Verwendung zu finden.

Dieses Gewinnungsverfahren wird aber erst ab einer Anlagenkapazität von circa 20.000 Tonnen PLA pro Jahr als finanziell rentabel angesehen. Schätzungen zufolge beläuft sich die globale Produktion von Milchsäure auf 450.000 Tonnen jährlich. Die weltweite Produktionskapazität für Biokunststoffe wurde im Jahr 2017 auf rund 2,27 Millionen Tonnen veranschlagt. Hiervon entfielen mit 0,24 Millionen Tonnen rund 10,5 Prozent auf PLA-basierte Kunststoffe, für die bis zum Jahr 2022 ein Anstieg auf rund 0,81 Millionen Tonnen prognostiziert wird. Der Marktpreis für Polylaktide lag im Jahr 2016 bei 1,3 bis 2,3 Dollar pro Kilogramm.

ABE-Fermentation
Die Aceton-Butanol-Ethanol (ABE)-Fermentation wird zur biologischen Produktion dieser drei Alkanole aus Kohlenhydraten eingesetzt. Das Verfahren setzt nach etlichen Vorbehandlungsstufen zunächst den in der ursprünglichen Biomasse enthaltenen Mehrfachzucker frei, der sich in der folgenden Hydrolyse zu Einfachzucker enzymatisch aufschließen lässt. Eine Filtration trennt unlösliche Feststoffe von der flüssigen, zuckerhaltigen Phase, die den Einfachzucker fermentiert und nach rund 100 Stunden in Butanol, Acerton und Ethanol im Verhältnis 6:3:1 zerlegt. Die Produkt­ausbeute beträgt 8,6:3,3:0,4 Prozent des Biomasse-Inputs. Zwar verdrängen seit 1950 andere petrochemische Verfahren die industrielle ABE-Fermentation, doch erscheint diese im Hinblick auf die Entwicklung der Erdölpreise zunehmend interessant. Das Verfahren kam in den letzten Jahren aber vor allem im Labormaßstab oder Pilotanlagen zum Einsatz – mit Ausnahme einer umgebauten Ethanolproduktions-Anlage in den USA.

Umesterung: für Altspeiseöle hochrangig
Was die Mengen anlangt, gingen die Wissenschaftler bei Umesterung und HEFA-Verfahren, in denen Altspeiseöle behandelt werden, von einer Jahreskapazität von je 250.000 Tonnen aus. Für die Pyrolyse zur Behandlung von holzigem Grüngut setzten sie pauschal einen jährlichen Durchsatz von 1,0 Millionen Tonnen an. Für die restlichen Anlagen (einschließlich der Vergleichsverfahren) wurde ein Durchsatz von je 10,4 Millionen Tonnen pro Jahr angenommen. Diese Menge entspricht derjenigen an Bio- und Grünabfällen, die nach Angabe des Statistischen Bundesamtes 2017 getrennt erfasst wurde.

Bei der Aufbereitung von Altspeiseölen sorgt die Umesterung neben der Schonung fossiler Ressourcen für deutliche Entlastungen und wird uneingeschränkt als hochrangiges Verfahren hierfür eingestuft. Das HEFA-Verfahren hingegen sorgt zwar für einige belastende Emissionen; als nachteilig erweist sich insbesondere der höhere Strombedarf. Bei der Bearbeitung geeigneter holziger Biomasse wie holzigem Grüngut bringt die Pyrolyse – abgesehen von Eutrophierung – eine Entlastung der Umwelt und wird nach dem heutigen Stand ebenso als ein hochwertiges Verwertungsverfahren eingestuft.

Mit Vor- und Nachteilen
Das Bild ändert sich bei den Verfahren zur Behandlung von Bioabfall beziehungsweise bioabfallähnlicher Biomasse. Hier kann nach Einschätzung der Studienautoren keines der anderweitigen Verfahren die Umweltentlastungseffekte der Standardverfahren für haushaltsnah getrennt erfasste Bioabfälle erreichen oder überbieten. Dennoch: Das HTC-Verfahren weist insgesamt sehr geringe Belastungen auf und kann – vor allem bei besonders feuchten Biomassearten – unter Umständen zumindest gegenüber der Kompostierung Vorteile aufweisen. Die Pyrolyse kann als hochwertig gelten, wenn dadurch stofflich nutzbare Materialien gewonnen werden; als nachteilig erweisen sich die zu geringe Verfügbarkeit von Anlagen und die unsichere Kondensat-Entsorgung.

Im Gegensatz dazu benötigt die Hydrothermale Verflüssigung viel Strom und kann – nach Anrechnung von produziertem Rohöl als Substitut – nur hinsichtlich fossiler Ressourcen für Entlastungen sorgen. Die Milchsäurefermentation zur Herstellung „regenerativer“ Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen oder Substraten gilt als interessante Alternative; ob sich hierfür der Einsatz von Bioabfällen aus der Biotonne eignet, ist noch unklar. Ähnliches gilt für die ABE-Fermentation in Bezug auf die „regenerative“ Herstellung von Aceton, Butanol und Ethanol; allerdings schlägt ein hoher Strom- und Wärmebedarf negativ zu Buche.

Verbräuche und Kosten reduzieren
Insgesamt kommt die Studie zum Schluss: „Bei allen genannten anderweitigen Verfahren ist davon auszugehen, dass durch technische Optimierungen und Skalierung der Anlagentechnik die spezifischen Verbräuche und Kosten (zum Teil erheblich) reduziert werden können.“ Dies gilt insbesondere dann, wenn besonders ungünstige Brennstoffe wie Stein- und Braunkohle 1:1 ersetzt werden können.

Die Studie „Ermittlung von Kriterien für hochwertige anderweitige Verwertungsmöglichkeiten von Bioabfällen“ kann unter www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-01-18_texte_09-2021_verwertung_bioabfaelle.pdf heruntergeladen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2021, Seite 28, Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de)