Diesel oder alternativ: Was treibt zukünftige Abfallfahrzeuge an?

Als Folge des Dieselskandals drohen Fahrverbote in den Innenstädten. Daher müssen sich auch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsunternehmen Gedanken darüber machen, ob sie weiterhin mit Dieselfahrzeugen ihrer Aufgabe nachkommen können. Oder ob sie mittel- oder langfristig auf andere Antriebssysteme für ihren Fuhrpark umsteigen sollten.

Für Pkw kam der ADAC im Jahr 2015 zu folgender Aussage: „In der unteren Mittelklasse zeigt das Elektroauto einen geringen Wettbewerbsvorteil; erneuerbare Energien erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit des Elektroautos in der Klimabilanz.“ Elektrofahrzeuge lägen knapp vor dem Plug-in-Hybrid und dem Hybrid-Modell; Erdgas, Diesel, Autogas und Benziner würden mit Abstand folgen. In der oberen Mittelklasse zeige der Diesel die beste Umweltbilanz vor Elektrofahrzeug, Plug-in-Hybrid und Benziner.

Weitere Antriebssysteme verfügbar

Der Nachteil dieser und einer ähnlichen Untersuchung im März 2018: Die Studien beschränken sich auf die CO2-Bilanz gängiger Antriebstechniken. Eine „Ökobilanz“ – das weiß auch der ADAC – müsste alle Emissionen von der Rohstoffproduktion über die Herstellung, den Betrieb und die Wartung bis hin zur Entsorgung eines Fahrzeuges berücksichtigen. Zudem – räumt der Verkehrsclub ein – gebe es nicht „das“ beste Konzept für den Antrieb, da sich Einsatzzweck und Jahreslaufleistung jeweils unterscheiden. 95 Prozent des deutschen Lkw-Bestands ist mit Dieselmotoren bestückt. Davon sind 99 Prozent zu schweren Lkw und insbesondere Sattelzugmaschinen zu zählen, weist eine umfassende Studie der Shell Deutschland Oil GmbH aus. Alternative Antriebe – in erster Linie Benzinmotoren – finden sich vor allem bei leichten Nutzfahrzeugen mit weniger als einer Tonne Nutzlast oder Transportern und Sprintern bis zwei Tonnen Kapazität. Dennoch stehen prinzipiell noch weitere Antriebssysteme für Lkw zur Verfügung: Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEVs: Fuel Cell Electric Vehicles), batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs), Fahrzeuge mit Plug-in-Hybridantrieb (PHEV), Motoren für komprimiertes Erdgas (CNG: Compressed Natural Gas) sowie für verflüssigtes Erdgas (LNG: Liquefied Natural Gas).

HPEVs und BEVs

Die Shell-Studie bescheinigt HPEVs und BEVs bei leichteren Lkw der Fahrzeugklassen N1 und N2 eine technologische Reife, wobei durch weiterentwickelte Batterien die Speicherdichte erhöht wie auch die Kosten gesenkt werden könnten. Noch schlagen unterschiedliche Preise für Dieselkraftstoff und Strom sowie die wesentlich höheren Anschaffungskosten für Batterien zu Buche. Für den Nutzer bieten Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge im überregionalen Einsatz überdies deutlich mehr Vorteile als batterieelektrische Fahrzeuge, während reine Elektrofahrzeuge sich bereits für Kurzstrecken eignen – insbesondere bei planbaren täglichen Fahrleistungen und Einsätzen in einem festgelegten Einsatzgebiet. Die Prognose: „Mittelfristig werden sich E-Nutzfahrzeuge zu einer Anwendungsnische entwickeln. Batterieelektrische Fahrzeuge kommen nahezu ausschließlich für den regionalen Einsatz in Frage, Plug-in-Hybride sind dagegen in der Lage, das Reichweitenproblem zumindest teilweise zu überbrücken.“ Regulative gesetzliche Vorgaben könnten den städtischen und regionalen Verkehr mit elektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen stärken.

BEVs, CNG und LNG

Auch Brennstoffzellen haben die technische Erprobung gemeistert und könnten langfristig einen Beitrag zu emissionsfreier Mobilität leisten, vermochten dies jedoch vorerst nur in Pilotprojekten – vor allem beim Einsatz in Stadtbussen – nachzuweisen. Anwendungshindernisse bestehen in den Kosten der Brennstoffzelle, der Lebensdauer der Aggregate und einem noch zu aufgelockerten Tankstellennetz. „Informationen zu realen Nutzerkosten liegen für Nutzfahrzeuge mangels Fahrzeugangebot noch nicht vor“, bilanziert die Studie. Für Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse verfügt der Gasantrieb bereits über eine hohe technologische Reife. Darüber hinaus besteht für Erdgas in Form von verdichtetem Erdgas (Compressed Natural Gas, kurz: CNG) mit etwa 900 öffentlichen Zapfpunkten ein relativ flächendeckendes Tankstellennetz, das noch optimiert werden könnte. Für verflüssigtes Erdgas (LNG) müsste die Infrastruktur erst noch eingerichtet werden. Insgesamt wird Gasantrieben im Nutzfahrzeugbereich eine Chance als Nischentechnologie eingeräumt.

Komprimiertes Erdgas: 65 Prozent Anteil

Die Prognose für das Jahr 2040 macht deutlich, welche Potenziale sich für die unterschiedlichen Antriebsarten eröffnen könnten. Dabei unterscheidet die Shell-Studie zwei Szenarien: ein Trendszenario, das von stabilen Rahmenbedingungen und langfristigen Trends ausgeht, und ein Alternativszenario mit massiven politischen Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit und Ökologie. Nach dem Trendszenario werden bis 2040 Nutzfahrzeuge der Klassen N2 (3,5-12 Tonnen) und N3 (12+ Tonnen) zu 96,5 beziehungsweise 99,4 Prozent von Dieselmotoren angetrieben. Laut Alternativszenario setzt sich dann die Klasse N2 aus Dieselantrieben (88,4 Prozent), aber auch zu wenigen Prozent aus Plug-in-Hybrid-betriebenen, batterie-elektrischen sowie komprimiertes Erdgas-verwendenden Fahrzeugen zusammen. Die Klasse N3 greift zu 54,8 Prozent auf Dieselmotoren, aber zu 45,2 Prozent auf Aggregate für verflüssigtes Erdgas zurück. Fahrzeugzulassungen sollen 2040 ein ähnliches Bild bieten: Der Dieselanteil in der Klasse N2 wird zugunsten der anderen Antriebe auf 77,6 Prozent zurückgehen; in der Klasse N3 wird sich der Anteil Diesel zu komprimiertem Erdgas auf 35 zu 65 Prozent verschieben.

Auf Versuche angewiesen

Foto: Andi Kard

Die Frage ist, ob sich diese Prognosen auf Abfalltransport-Fahrzeuge übertragen lassen. Denn deren Leistungsbilanz bemisst sich nicht nach fiskalischen und ökobilanziellen Kosten pro gefahrenen Kilometer. Sondern pro abgeholter Tonne Abfall. Denn nur ein geringer Teil des für die Abholung und Abtransport investierten Treibstoffs verwendet der Motor auf die Fahrstrecke. „Meist fahren die Autos zehn oder 15 Meter. Sie beschleunigen, verbrauchen viel Kraftstoff, bremsen wieder ab und laufen im Standgas“, wird Reinhold Schäfer zitiert, fahrzeugtechnischer Berater der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH.

Welcher Fahrzeugantrieb für diese spezifische Aufgabe der geeignete Typ ist, lässt sich nicht aus entsprechenden Leistungsbeschreibungen der Automobilhersteller ersehen. Und nicht aus deren Katalogen bestellen. Zumal dort auch kaum Angaben zur Ökobilanz der täglichen Abfuhr-Praxis zu finden sein dürften. Daher sind die Betreiber von Sammelfahrzeugen auf Versuche angewiesen.

So wurden schon im Oktober 2013 an drei Betriebshöfen der Berliner Stadtreinigung 150 gasbetriebene Müllfahrzeuge an eigenen Tankstellen mit Gas aus dem eigenen Netz betankt. Seit einigen Jahren setzt Hessen laut eigener Aussage verstärkt Hybridfahrzeuge bei der kommunalen Müllentsorgung ein, die sowohl mit Erdgas wie auch mit Strom angetrieben werden: 2016 wurde zumindest der Testlauf eines Hybrid-Müllfahrzeugs für insgesamt 650.000 Euro angekündigt, das für die Fahrt ins Wohngebiet einen Erdgasmotor nutzt, während dann an Ort und Stelle der Betrieb elektrisch läuft. Noch im Juni 2018 wartete die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH auf die Fertigstellung dieses Erdgas-Hybrid-Fahrzeugs. Ein rein elek­trisch betriebenes Fahrzeug wäre ihr zwar lieber, weil leiser und umweltfreundlicher gewesen, meldete die Frankfurter Neue Presse. Doch hätten die dafür nötigen Batterien die Lademenge von zehn auf sechs Tonnen geschmälert.

Der Motorenmarkt für Abfallfahrzeuge scheint sich schon jetzt zu öffnen; die Weiterentwicklung leistungsfähiger, leichter Batterien wird zweifelsohne Einfluss darauf haben.

Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

(EU-Recycling 09/2018, Seite 14)

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