Rohstoffe in Zukunftsbranchen – Versorgungssicherheit ja oder nein?

Aktuelle Umwelthemen wie der Dieselskandal, die Klimakrise und erhöhte CO2-Werte rücken die Elektromobilität immer mehr in den politischen Fokus. Um den enormen Wandel in der Mobilität tatsächlich in die Tat umzusetzen, werden große Mengen an kritischen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium, Tantal und Neodym benötigt.

So sind zum Beispiel Lithium und Kobalt unabdingbar für die Produktion von Batterien, ohne welche die Elektromobilität nicht denkbar ist. Weil für die Elektromobilität Permanentmagneten und Kondensatoren benötigt werden, steigt auch der Bedarf an Neodym und Tantal von Jahr zu Jahr. Die genannten Rohstoffe werden zwar schon in Automobilen mit konventionellen Antrieben sowie vielen Elektro- und Elektronikgeräten verbaut, aber nicht in der Menge, wie sie in Elektroautos benötigt werden. Besonders problematisch für die europäische Automobilindustrie ist, dass diese Rohstoffe fast ausschließlich nach Europa importiert werden müssen. So kommen allein 64 Prozent des Weltkobaltbedarfs aus der Demokratischen Republik Kongo.

Hierbei ist nicht nur die Abhängigkeit von diesen Ländern ein Problem, sondern auch, dass die Verfügbarkeit dieser Rohstoffe in diesen Ländern politisch bedenklich ist. So fließen Gelder aus den Verkaufserlösen in die Finanzierung von gewaltbereiten Milizen. Darüber hinaus wird ein Teil des Kobalts durch den Kleinbergbau zu Tage gefördert. Dieser wird durch die teils sehr arme Bevölkerung mit einfachstem Werkzeug ohne Schutzkleidung und in selbst gegrabenen, ungesicherten Schächten abgebaut. Die Minenarbeiter verdienen dabei nur einen Hungerlohn von etwa vier Euro pro Tag. Rohstofflieferungen sind allerdings durch neue Bestimmungen wie beispielsweise den Dodd-Franck-Act in der Wirtschaft stärker reglementiert. Es existieren mehr und mehr Offenlegungspflichten für Herkunft und Schürf-Bedingungen.

Auch der Abbau von Lithium in Südamerika erzeugt zahlreiche Probleme. Der Bevölkerung werden zwar Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, aber die Bedingungen sind weder für Mensch noch Umwelt förderlich. Durch die Förderung von Lithium wird das Grundwasser an die Oberfläche gepumpt, um dort in Becken so lange zu verdunsten, bis der Lithiumgehalt hoch genug ist, um es weiterzuverarbeiten. Dies hat zur Folge, dass es der Bevölkerung an Trinkwasser und an Wasser für die Landwirtschaft fehlt. Die regionalen Ökosysteme leiden bereits enorm unter den Folgen des Abbaus. Durch die Entnahme des Grundwassers gehen Salzwasserseen zurück, wodurch verschiedene – auch bedrohte – Tierarten ihren Lebensraum verlieren.

Um diesen Konsequenzen zu begegnen und die Versorgungssicherheit einigermaßen zu sichern, sind verstärkte Recyclingbemühungen notwendig. Aktuelle Erhebungen des Öko-Institutes gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 circa 40 Prozent des eingesetzten Lithiums und Kobalts aus Recyclingmaterial bestehen können, wenn bis dahin funktionierende Recyclingtechnologien für Lithium-Ionen-Batterien eingeführt sind.

Warum die Rückgewinnung oft nicht wirtschaftlich ist

Aber woran liegt es, dass wir dies erst in circa 30 Jahren erreichen? Auf der einen Seite liegt es daran, dass derzeit nicht genügend Altfahrzeuge und Elektronikschrott in der hochwertigen Verwertung ankommen. Auf der anderen Seite sind zwar Rohstoffe wie Tantal und Neodym in vielen Bauteilen vorhanden, aber in nur sehr geringen Mengen. Die dissipative Verteilung macht ein Recycling heute noch fast großtechnisch unmöglich, insbesondere, wenn unbekannt ist, in welchen Mengen und welchen Bauteilen genau die Rohstoffe vorkommen. Deshalb deckt der Materialwert oftmals nicht einmal die Personalkosten beim Recycling, und eine Rückgewinnung ist deshalb heute für die Unternehmen nicht wirtschaftlich. Darum sind beispielsweise verstärkt manuelle Vordemontagen in einer Übergangszeit zu diskutieren.

Eine große Rolle fürs Recycling spielt das sogenannte „Eco-Design“ oder die „Verwertbarkeit“. Diese Begriffe beschreiben im Wesentlichen, dass die Hersteller bei der Konstruktion ihres Produkts auch das Lebensende zu betrachten haben, um einen möglichst effizienten Rückbau zu ermöglichen. Damit soll gewährleistet werden, dass so viele Rohstoffe wie möglich wiederverwendet und-verwertet werden können. Dies ist bis heute leider nur im Detail für elektrisch betriebene Geräte über die Ökodesignrichtlinie geregelt. Jedoch könnte eine Ausweitung des Anwendungsbereichs ohne Probleme auch auf Fahrzeuge und andere relevante Produktgruppen (z. B. Batterien) vorgenommen werden. Die „Verwertbarkeit“ ist aber auch bereits Bestandteil der Produktverantwortung. Dies klingt zwar in der Theorie sehr gut, wird aber in der Automobil- und Elektronikbranche noch wenig beim Design eines Produktes angewendet. Denn in der Entwicklung stehen eher Performance, Energieeffizienz, Vermarktbarkeit und Sicherheit von Produkten im Vordergrund. Die Verwertbarkeit darf aber nicht länger nur als „Stiefkind“ betrachtet werden. Angesichts von Klima-, Umwelt- und Rohstoffkrisen können wir uns alle ein „Weiter so“ nicht leisten.

Die Politik sollte sich verantwortlich fühlen, etwas zu tun

Die Verwerter am Ende des Lebens eines Produktes sehen sich mehr und mehr mit Problemen konfrontiert; dazu gehören: Nicht trennbare Bauteile (z. B. Verbunde), nicht verwertbare Materialien (z. B. CFK – Carbonfasern), Minimalisierung von Bauteilen, fehlende Kommunikation zwischen Herstellern und Verwertern zum Vorkommen kritischer und gefährlicher Stoffe. So müssen Recycler Bauteile wie zum Beispiel Elektromotoren einzeln analysieren, um herauszufinden, welche Rohstoffe genau verbaut wurden, um dann die geeigneten Verfahren anwenden oder gar erst erforschen zu können. Dadurch entstehen den Betrieben Mehrkosten, die dazu führen, dass die Rückgewinnung der Materialien am Ende nicht wirtschaftlich ist. Deshalb verbleiben wertvolle und kritische Rohstoffe in den verschiedenen Schrottfraktionen oder in der Schlacke und gehen zu hohen Anteilen verloren, was auch finanzielle und qualitative Risiken birgt. Die sogenannte „extended producer responsibility“ in der Abfallrahmenrichtlinie sieht dies so nicht vor; vielmehr sind die Hersteller in eine finanzielle Mitverantwortung für eine hochwertige Verwertung zu nehmen.

Ein weiteres Problem ist, dass derzeit circa 80 Prozent der Altfahrzeuge den europäischen Markt verlassen. Einige werden noch als „Gebrauchtfahrzeuge“ ins Ausland verkauft, andere illegal gekennzeichnet oder in Anlagen mit niedrigeren Standards behandelt. Als Gebrauchtwagen werden teilweise auch nicht mehr fahrfähige Karossen bezeichnet. Durch den hohen Exportanteil gehen dem europäischen Wirtschaftskreislauf nach Schätzungen diverser Experten zwölf Millionen Tonnen Recyclingmaterial pro Jahr verloren. Dieser Umstand kann nur durch einen effektiven Vollzug abgestellt werden.

An dieser Stelle sollte sich die Politik verantwortlich fühlen, etwas zu tun; dies wäre bei der 2020 anstehenden Revision der Altfahrzeugrichtlinie möglich. Dass Automobile vom Verwerter nicht mehr kostenlos entgegengenommen werden, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung – aber noch nicht genug! Es ist nachvollziehbar, dass ein Verbraucher sein ausgedientes Automobil lieber für ein paar hundert Euro an einen Gebrauchtwagenhändler veräußert, als dieses kostenlos an einen Verwerter abzugeben. Dass der Gebrauchtwagenhändler es mit einer großen Wahrscheinlichkeit ins Ausland exportiert, ist für den Verbraucher zweitrangig. Deshalb sind dringend finanzielle Anreize für den Letztbesitzer zu schaffen. Neben schärferen Exportkontrollen wäre eine Recyclingprämie wie auch eine Verantwortung des Exporteurs zum Nachweis des Vorliegens eines „gebrauchten Produktes“ ein interessanter Ansatz, wie Altautos sowie mehr Elektronikschrott der Verwertung innerhalb der EU zugeführt werden können. Folglich gibt es die Notwendigkeit für zahlreiche kreative, neue politische Ansätze in der Kreislaufwirtschaft, die dann dazu führen können, die für 2050 gesetzten Recyclingziele für Kobalt und Lithium und zahlreiche andere kritische Rohstoffe zu erreichen.

Autoren: Alexander Kazamias, Bachelor of Arts (Büro für Nachhaltige Entwicklung der Hochschule Aalen, Bachelorstudent / Scholz Recycling GmbH) und Dr. Dipl. Chem. Beate Kummer (Kummer:Umweltkommunikation GmbH / Beraterin für Scholz Recycling GmbH)

Gekürzte Fassung des Autorenbeitrags aus Platzgründen – Die Redaktion.

(EU-Recycling 10/2019, Seite 10-Meinung, Foto: Marc Weigert)

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