Mehr Energieeffizienz durch Baustoffrecycling: Entscheidend sind Materialart und Verwendungszweck

Recycling von Baustoffen lohnt sich – nicht nur, wenn es darum geht, natürliche Ausgangsstoffe wie Kies, Kalkstein oder Basalt zu schonen, indem sie gar nicht erst abgebaut werden. Auch aus energetischer Sicht ist es häufig sinnvoller, Abbruchmaterial wieder aufzubereiten, anstatt Baumaterial aus natürlichen Rohstoffen neu zu gewinnen.

Das ist das Ergebnis einer Sondierungsstudie, die das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und die Intecus GmbH – gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) – durchgeführt haben. Die Studie macht zudem deutlich, dass noch viele Fragen offen sind.

Ziel der Studie war es zu prüfen, inwieweit sich das Recycling von Baumaterial aus energetischer Sicht lohnt. Dabei wurden zehn verschiedene Bauproduktgruppen in den Blick genommen: Beton, Ziegel, Kalksandstein, Gips, Flachglas, mineralische Dämmstoffe, Kunststoffprofile, sonstige Kunststoffe, erdölbasierte Dämmstoffe und Bauholz. „Die Herausforderung bestand darin, eine Methode zu entwickeln, die es uns ermöglicht, die Energieaufwände zu vergleichen – zum einen jene, die beim Recycling der einzelnen Baustoffe anfallen, und zum anderen diejenigen, die für die Herstellung neuer Baustoffe aus natürlichen Ressourcen erforderlich sind“, erläutert Karin Gruhler, Projektverantwortliche im IÖR.

Nicht für alle Baumaterialen gleichermaßen
Für jede der Bauproduktgruppen wurde ermittelt, wie viel Energie erforderlich ist, um aus Abbruchmaterial einen Baustoff herzustellen, der einem neu gewonnen gleichwertig ist und im Hoch-, Tief- oder Landschafts- und Gartenbau zu neuem Einsatz kommen kann. Dafür entwickelten die Forscher einen einheitlichen Bilanzrahmen und gingen in drei Schritten vor. Untersucht wurde erstens die Aufbereitung des Rückbaumaterials zum sogenannten Sekundärstoff. Für diesen wurde zweitens kalkuliert, wie viel Mehr- oder Minderaufwand erforderlich ist, um ihn so weiterzuverarbeiten, dass er in einem neuen Bauprodukt den Primärstoff qualitativ gleichwertig ersetzen kann. Drittens erkundeten die Forscher die Mengen an Energie, die für die Herstellung des Bauproduktes mit Sekundärstoffen beziehungsweise mit Primärstoffen nötig sind.

Für jede Bauproduktgruppe wurden zwei bis drei beispielhafte Nutzungen in Form charakteristischer Prozessketten vom Rückbaumaterial bis zur Einsatzvariante nachgezeichnet und aus energetischer Perspektive analysiert. Hinweise aus der Praxis, von Recyclingunternehmen und Branchenverbänden, flossen dabei in die Betrachtungen mit ein. Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: Aus energetischer Sicht ist das Recycling von Bauschutt und Abbruchmaterial in der Regel sinnvoll. Doch lohnt sich das Recycling nicht für alle Baumaterialien gleichermaßen. Große Unterschiede gibt es zum Beispiel zwischen mineralischen Materialien und Kunststoffen. „Die Energiebilanz spricht bei Kunststoffen immer für das Recycling. Bei mineralischen Produkten kommt es auf die Qualitätsanforderung der neuen Verwendung an“, stellt Gruhler fest. Innerhalb der mineralischen Materialien hat jedes Bauprodukt seine eigene Spezifik. Ein Recycling lohnt sich aus energetischer Sicht mal mehr und mal weniger. Die Wiederverwendung von Gipskartonplatten etwa braucht deutlich mehr Energie als der Abbau und die Aufbereitung von Naturgips. Entscheidend ist, für welchen neuen Einsatzzweck ein Abbruchmaterial aufbereitet wird. Denn davon hängt ab, welchen Qualitätsanforderungen das Material genügen soll, wie es aufbereitet und welche zusätzliche Energie dafür unter Umständen aufgewendet werden muss.

Weitere Forschung erforderlich
Noch können diese Ergebnisse nicht als abgeschlossen gelten. Denn die Sondierungsstudie für das BBSR hatte auch das Ziel, Wissenslücken und Problemfelder und damit weiteren Forschungsbedarf aufzudecken. So wurde deutlich, dass längst nicht zu allen Schritten der Recycling-Prozessketten hinreichend aussagekräftige Informationen zur Verfügung stehen. Kaum brauchbare Daten liegen etwa zu den tatsächlichen Energieverbräuchen von Produktionsmaschinen vor, die beim Baustoffrecycling zum Einsatz kommen – hier muss bislang mit Kennwerten von Maschinenherstellern gerechnet werden. Unklar ist auch, wie es sich mit Energieverbräuchen für den Transport verhält. „Die Wegstrecken von der Baustelle zum Recyclingunternehmen oder von dort zum neuen Einsatzort können sehr unterschiedlich lang sein. Das hängt unter anderem davon ab, wie gut das Recyclingnetz regional und für die verschiedenen Baustoffe ausgebaut ist“, fasst Karin Gruhler vom IÖR zusammen. Der Ergebnisbericht zur Studie „Sekundärstoffe aus dem Hochbau“ gibt damit auch viele Hinweise, wo weitere Forschung dringend erforderlich ist.

Hintergrund
Das Projekt „Sekundär(roh)stoffe aus dem Hochbau (Energie- und Materialflüsse entlang der Herstellung und des Einsatzortes von Sekundär[roh]stoffen aus dem Hochbau für den Baubereich)“ schließt an Untersuchungen des IÖR und der Intecus GmbH aus dem Jahr 2014 an. Das Projekt „Sensitivitätsstudie zum Kreislaufwirtschaftspotenzial im Hochbau“ ging der Frage nach, welche Potenziale sich hinsichtlich Masse beziehungsweise Materialströmen beim hochwertigen Recycling von Bauschutt und Abbruchmaterial ergeben.

Schon hier wurde deutlich, dass das Baustoffrecycling unter bestimmten Vor­aussetzungen einen erheblichen Beitrag zur Schonung von natürlichen Ressourcen leisten könnte. Beide Studien tragen zum Deutschen Ressourceneffizienzprogramm ProgRess I und ProgRess II der Bundesregierung bei und bieten darüber hinaus Informationen zur Weiterentwicklung dieser Programme. Die aktuelle Studie wurde zu 60 Prozent vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau gefördert. Weitere zehn Prozent Fördermittel stammen von Industrieverbänden, 30 Prozent sind Eigenanteile der beteiligten Forschungspartner.

 

www.ioer.de

(EU-Recycling 04/2020, Seite 28, Foto: O. Kürth)

 

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