Recycling- und Abfallbehandlungsanlagen: In Zukunft noch versicherbar?
„Wir beschäftigen uns seit dem Jahr 2004 intensiv mit der Beratung von Recycling- und Abfallunternehmen und damit auch mit der Problematik, diese Unternehmen gegen Feuer- und Feuer-Betriebsunterbrechungsschäden zu versichern. Im Rahmen unserer Tätigkeit für einen Verband und dessen Mitglieder, für den wir einen Versicherungspool betreuen, haben wir uns also auch mit diesen speziellen Problemen intensiv auseinandergesetzt.“
Die Recyclingwirtschaft gilt heute bei vielen Vertretern der Versicherungswirtschaft als zum Teil nicht mehr versicherbar. Pro Jahr gibt es über hundert nennenswerte Schäden, von denen es 2019 einige sogar unter die zehn größten Schadenfälle des Jahres geschafft haben. An der Spitze steht ein Schaden in Nordrhein-Westfalen, der an einer Sortieranlage für Leichtverpackungen eintrat und nur wegen einer vertraglich vereinbarten Höchstentschädigungsgrenze mit lediglich 65 Millionen Euro reguliert wurde.
Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass Versicherer diesen Risiken vermehrt aus dem Weg gehen. In Deutschland gibt es nur noch wenige Versicherer, die sich überhaupt mit Recycling- und Abfallentsorgern (Müllverbrennungsanlagen ausgenommen, dort ist es noch vergleichsweise einfach, Versicherungsschutz zu akzeptablen Konditionen zu erhalten) beschäftigen. Einige davon haben aber derart hohe Anforderungen an den anlagentechnischen Brandschutz, dass dies für bereits bestehende Anlagen kaum (jedenfalls nicht zu akzeptablen Bedingungen) zu erfüllen ist. Ein Spezialversicherer, der nach eigenem Bekunden immer für eine risikoadäquate Lösung zur Verfügung steht, hat allerdings eigene Vorstellungen hinsichtlich Gestaltung der Vertragsbedingungen, Höhe der Selbstbehalte und Höhe der Prämien, die nicht jeder Unternehmensleiter bereit ist zu akzeptieren.
Wie gelangen also Unternehmen unter den heutigen Bedingungen noch zu akzeptablem und auch auf Dauer finanzierbarem Versicherungsschutz für ihr Anlagevermögen? Was sollten Unternehmen, die noch akzeptablen Versicherungsschutz haben, tun, damit dies auch in Zukunft so bleibt?
Die Situation vor 15 Jahren und heute
Der durchschnittliche Prämiensatz – in einem Kollektiv von circa 20 Anlagen im Jahr 2005, alle Anlagenbetreiber waren und sind Mitglieder in der ASA – lag zwischen einem und zwei Promille der Versicherungssumme. Dennoch sind die meisten dieser Anlagen immer noch mit Prämiensätzen unterhalb von drei Promille versichert, was bei einem Neuabschluss zu heute üblichen Konditionen kaum noch möglich wäre. Die Gründe, die dazu führen, dass dies heute noch realisierbar ist, will ich im Folgenden versuchen, näher zu beleuchten:
Festzustellen ist, dass, mit Ausnahme des führenden Versicherers des Konsortiums und eines beteiligten Versicherers, heute komplett andere Risikoträger in den Policen beteiligt sind als vor 15 Jahren. Tatsache ist auch, dass nahezu jährlich Versicherer das Konsortium verlassen und dann neue Versicherer gefunden werden müssen, die diese Anteile übernehmen. Um eine mittelgroße Anlage mit einer Versicherungssumme von 40 Millionen Euro vollständig zu versichern, brauchen wir heute vier bis fünf beteiligte Versicherer. Noch vor einigen Jahren wäre es möglich gewesen, eine solche Anlage mit zwei bis drei beteiligten Versicherern zu versichern. Nicht verschwiegen werden soll hier, dass es noch einige wenige „glückliche“ Unternehmen gibt, die noch alte Versicherungsverträge haben, die seit Jahren nicht den neuen Marktgegebenheiten angepasst wurden und insofern einen, aus heutiger Sicht, spektakulär günstigen Versicherungsschutz bieten.
Der Brandschutz als Katalysator
Diejenigen, die dieses Glück nicht haben, erhalten von Versicherern häufig die Nachricht, dass man nur dann Versicherungsschutz zur Verfügung stellen könne, wenn ein „risikoadäquater Brandschutz“ vorliegt. Was dies genau ist, darüber herrschen allerdings unterschiedliche Vorstellungen.
Wenn ein Unternehmen eine flächendeckenden Ausstattung mit einer effizienten Detektion und einer Sprinkler- beziehungsweise Sprühflutanlage hat und die kritischen Aggregate (z. B. Zerkleinerer) zusätzliche Objektlöschanlagen aufweisen, so ist es relativ einfach, auch in der heutigen Zeit Versicherer zu finden, die dieses Unternehmen versichern. Das Problem ist allerdings, dass es kaum möglich ist, zu vernünftigen Kosten und Bedingungen diese Technik in eine bereits bestehende Anlage einzubauen. Die Mitglieder des von uns beratenen Verbandes, die den dort bestehenden Versicherungspool nutzen, verfügen alle über keine der oben skizzierten Idealbedingungen. Von daher war es erforderlich, durch andere, aus unserer Sicht aber häufig gleichwertig effiziente Maßnahmen den Brandschutz organisatorisch und auch anlagentechnisch zu verbessern.
In Annahme- und Bunkerbereichen muss natürlich entweder eine effiziente Löschtechnik installiert sein oder aber es muss zumindest gewährleistet sein, dass diese Bereiche außerhalb der Betriebszeiten materialfrei gehalten werden. Bei Zerkleinerern werden oft zusätzlich Objektlöschungen gefordert, was aber selten effizient ist und durch eine sehr einfache Maßnahme ersetzt werden kann. In der Praxis hat sich der Sandhaufen neben dem Zerkleinerer als ebenso effizient erwiesen, zumindest wenn der Zerkleinerer von einem Radlader beschickt wird.
Eine gute Schulung der Bagger- und Radladerfahrer ist ebenfalls von großer Bedeutung, da diese Mitarbeiter mögliche Störstoffe und Zündquellen frühzeitig entdecken können. Genauso wichtig ist es, als Anlagenbetreiber darauf zu achten, dass möglichst viele der Mitarbeiter als Feuerwehrleute ausgebildet werden. In einigen Anlagen ist es uns gelungen, Löschgruppen, die wie eine Betriebsfeuerwehr mit eigenem Löschfahrzeug ausgestattet sind, zu installieren. Wichtig und mit einfachen Mitteln zu gewährleisten ist auch eine Überwachung neuralgischer Punkte, wie zum Beispiel des Förderbands vom Zerkleinerer zur Aufbereitungsanlage. Wenn Zündquellen, zum Beispiel durch den Zerkleinerer beschädigte Akkus, auf das Band gelangen, muss dies mittels Thermographie überwacht und im Fall einer Detektion das Band angehalten und eine Löschung ausgelöst werden.
Ein weiteres praktisches Problem ist die Absiebung, insbesondere in großen Trommelsieben. Diese Siebtechnik ist schwer von außen zugänglich. Befindet sich also ein Brandherd in der Trommel, so war es in der Vergangenheit schwierig, diesen zu löschen. Eine einfache Möglichkeit bietet hier die feste Installation von Schlauchanschlüssen sowie die Bohrung von Löchern, durch die man mit Löschlanzen zum Brandherd vordringen kann. Zur Vorbeugung von Feuerschäden ist die Ordnung und Sauberkeit in den Anlagen von ganz elementarer Bedeutung. Brandschutz fängt mit dem Besen an! Es gibt Anlagen, die über nahezu überhaupt keinen anlagentechnischen Brandschutz (mit Ausnahme einer Brandmeldeanlage) verfügen, die aber seit Inbetriebnahme noch nicht einen einzigen Feuerschaden hatten. Dies sind für gewöhnlich Anlagen, in denen die Ordnung und Sauberkeit vorbildlich ist. Vielfach besteht in diesem Bereich erhebliches Verbesserungspotenzial. Es ist nicht nur wichtig, einmal im Monat eine generelle Reinigung vorzunehmen, sondern die tägliche Reinigung, für die auch gesondertes Personal vorhanden sein sollte (nebenbei kann man das nicht effizient machen), ist von noch größerer Bedeutung. Daneben sind regelmäßige Überprüfungen von neuralgischen Einrichtungen (z. B. Schaltschränken) mittels einer Wärmebildkamera ein Mittel der Risikovorsorge. Dies kann vom eigenen Elektriker durchgeführt werden. Auch bei Rollen von Förderbändern lohnt eine regelmäßige Überprüfung mittels Wärmebildkamera, um mögliche Überhitzungen frühzeitig zu erkennen.
Schließlich empfehlen wir unseren Kunden (zumindest denen, bei denen der Geschäftsführer/Werkleiter nicht selbst täglich auf der Anlage ist), einen externen Dienstleister zu beauftragen, in regelmäßigen Abständen (aber ohne vorherige Ankündigung) Brandschutzinspektionen vorzunehmen und vorhandene Mängel zu dokumentieren. Dies beugt „Betriebsblindheit“ vor, und die Anlagenleitung kann sich nie sicher sein, ob nicht eine überraschende Begehung erfolgt.
In der Versicherungswirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren der Ruf nach Löschanlagen, die VdS-konform errichtet und von einem Sachverständigen des VdS abgenommen werden, nahezu flächendeckend durchgesetzt. Die oben beschriebenen Maßnahmen sind natürlich alles andere als konform mit diesen Richtlinien, sind aber gleichwohl wirkungsvoll. Auch gibt es im Bereich der Detektion durch Wärmebildkameras im Verbund mit Schaumwerfer-Systemen durchaus mehr als einen Anbieter, mit dem man solche Systeme realisieren kann. Wenn man auf Anbieter zurückgreift, die nicht bekannt und deren Systeme nicht vom VdS anerkannt sind, wird das Problem darin bestehen, entweder eine Einzelabnahme durch den VdS zu erreichen oder aber zumindest seinen eigenen Versicherer von der Wirksamkeit zu überzeugen.
Was ist die richtige Strategie in dieser Situation?
Ein Patentrezept gibt es selbstverständlich nicht. Ein offener und vertrauensvoller Dialog mit den Versicherern, insbesondere mit dem führenden Versicherer, ist aber von hoher Bedeutung. Schadenursachen sollten gemeinsam ausgewertet und Brandschutzkonzepte und eventuelle Maßnahmen abgestimmt werden.
Erwähnt habe ich bereits, dass ich die Interessenbündelung durch einen Verband als zunehmend wichtig empfinde. Die Erfahrungsbündelung in entsprechenden Arbeitskreisen und die regelmäßige Durchführung eines Brandschutztages (bei dem dann auch Versicherer und Externe eingeladen werden) fördert nicht nur das eigene Wissen, sondern dokumentiert auch den Stellenwert, den man dem Thema des vorbeugenden Brandschutzes einräumt. Jedem Versicherer ist doch ein Kunde, dem das Thema des Brandschutzes wichtig ist, erheblich lieber als ein Kunde, der sich von diesem Thema eher belästigt fühlt. Zur vertrauensvollen Kommunikation gehört natürlich auch, dass man regelmäßig die Atteste der Revisionen von elektrischen Anlagen und Brandschutzanlagen bei dem Versicherer einreicht und den Versicherer über eventuelle Störungen von Anlagen informiert. Letzteres spielt auch im Rahmen der Obliegenheiten eine Rolle. Die Idee, in ausländischen Versicherungsmärkten nach Kapazitäten zu suchen, war nur bedingt erfolgreich. In Österreich sind die Preise zwar noch niedriger als in Deutschland; die großen Versicherer sind aber nicht bereit, Kapazitäten in Deutschland zu bieten. Im englischen und auch holländischen Versicherungsmarkt sind zum Beispiel die Prämien noch deutlich höher und die Kapazitäten noch knapper als in Deutschland. Erfolgreich waren allerdings unsere Verhandlungen mit einem Versicherer aus dem Schweizer Versicherungsmarkt, der sich bereit erklärt hat, nennenswert Rückversicherung zur Verfügung zu stellen, und der damit deutlich zur Entspannung der Situation beigetragen hat.
Ist bei der Beurteilung von Versicherungsschutz nur die Prämienhöhe interessant?
Versicherungsverträge von Industrieunternehmen (und hierzu zähle ich größere Recycling- und Abfallentsorgungsunternehmen, die Anlagentechnik betreiben) haben nicht selten einen Umfang von 40 bis 60 Seiten an individuellen Vereinbarungen, die die Allgemeinen Bedingungen ergänzen. Dies allein könnte zur Beantwortung der obigen Frage schon ausreichen, denn es ist ja nicht zu erwarten, dass dies nur bedrucktes Papier ist, das keinerlei Bewandtnis hat. Vielmehr wird dort die Qualität des Versicherungsschutzes bestimmt.
Es kann in einem Schadenfall schon interessant sein, ob ein Fehlverhalten (z. B. des Anlagenleiters) dem Versicherungsnehmer zugerechnet wird und damit zu einer Kürzung oder gänzlich zur Versagung der Leistung führt. Es ist auch interessant, wer in einem solchen Fall das Vorliegen grober Fahrlässigkeit beweisen muss – der Versicherer oder der Versicherungsnehmer – und wer den Beweis für die Kausalität zwischen Obliegenheitsverletzung und Schadeneintritt nachzuweisen hat. Neben all den Fragen rund um die grundsätzliche Bereitschaft von Versicherern, das Unternehmen zu versichern, ist es natürlich zusätzlich wünschenswert, wenn man ein Bedingungswerk vereinbaren kann, das den Notwendigkeiten und Wünschen des Versicherungsnehmers weitestgehend entgegenkommt. In Zeiten enger Märkte und knapper Kapazitäten ist Letzteres natürlich auch nicht mehr so einfach wie vor 15 Jahren.
(EU-Recycling 04/2020, Seite 44 / Meinung, Autor: Elmar Sittner Risikomanagement und Versicherungsberatung in Leipzig, Foto: leszekglasner / stock.adobe.com)