Umfrage zur Corona-Krise und deren Folgen

„Wir müssen nicht nur die Investitionen wieder in Gang bringen, sondern auch einen tiefgreifenden Strukturwandel bewältigen.“

Aus aktuellem Anlass hat EU-Recycling Verbände und Unternehmen zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Entsorgungs-, Recycling- und Rohstoffwirtschaft befragt. Anliegen ist es, mögliche Wege aus der Krise aufzuzeigen und hier besondere Projekte und Vorreiter herauszustellen.

In welchem wirtschaftlichen Umfang beeinträchtigt die Corona-Gesetzgebung die Unternehmen in Ihrem Verband?

Ralf Schmitz, Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Metallhändler e. V. (VDM): Grundsätzlich gilt, dass unsere Unternehmen sowohl dem Großhandels- als auch dem Entsorgungsbereich angehören und deshalb weiterarbeiten. Betrachtet man den März, so waren die Auswirkungen auf unsere Unternehmen unterschiedlich. Einige Firmen hatten weiterhin sehr viel zu tun, andere berichten von deutlichen Rückgängen. Der Blick auf die Monate April/Mai ist aber verhalten.

PlasticsEurope Deutschland e. V.: Die Pandemie stellt eine extreme Herausforderung für alle Unternehmen und Menschen in Deutschland dar. So auch für unsere Mitgliedsunternehmen und deren Beschäftigte. Die Produktion läuft dabei so gut es geht weiter und muss tatsächlich auch weiterlaufen. Erstens können Anlagen nicht ohne Weiteres heruntergefahren werden. Zweitens benötigt das verarbeitende Gewerbe wie auch unsere Gesellschaft insgesamt die Produkte der kunststofferzeugenden Unternehmen. Dabei läuft die Produktion derzeit unter besonderen, zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit betreffen auch die Belegschaften. So ist das Fiebermessen ebenso wie weitere Sicherheitsmaßnahmen in Chemieparks zur Routine geworden. Abgesehen von diesen Aspekten, ist die ungewisse Zukunft einzelner Unternehmen natürlich immer mit einer sozialen Belastung für die Belegschaft verbunden.

Rüdiger Weiß, Geschäftsführer Verband der Bayerischen Entsorgungsunternehmen e. V. (VBS): Der Lockdown und damit der Stillstand ganzer Branchen über einen längeren Zeitraum führt zu einem Einbruch der Mengen aus Industrie und Gewerbe. Wenn wie derzeit Audi und BMW nicht mehr produzieren und zugleich alle Gastronomiebetriebe schließen müssen, merken das die bayerischen Entsorger natürlich. Das ist sicherlich die wesentliche Auswirkung für unsere Branche.

Daisy Kroker, Geschäftsführerin Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB): Abfall- und Ressourcenwirtschaft ist systemrelevante Infrastruktur und somit von den Unternehmensschließungen in Österreich selbst nicht betroffen. Durch das Einstellen der Bautätigkeit in den ersten Wochen des Shutdowns – jetzt wird wieder hochgefahren –, durch das Schließen der Hotel- und Gastronomiebetriebe sowie teilweise von Gewerbe- und Industrieunternehmen gehen diese Müllmengen jedoch stark zurück. Das Siedlungsabfall- und Sperrmüllaufkommen hingegen steigt.

European Recycling Industries‘ Confederation (EuRIC): Die Covid-19-Pandemie beeinträchtigt die gesamte Weltwirtschaft, und Recycling ist keine Ausnahme. Ein Zusammenbruch der Nachfrage, Handelsbeschränkungen innerhalb und außerhalb der EU oder Recyclinganlagen, die entweder in ihrer Kapazität reduziert werden mussten oder vorübergehend stillgelegt, gehören zu den negativen Auswirkungen für viele Abfallströme. Angesichts der wesentlichen Rolle der Recyclingindustrie bei der Behandlung von Abfällen und der Bereitstellung von Rohstoffen für die wichtigsten Wirtschaftssektoren tut die Industrie jedoch ihr Möglichstes, um diese Auswirkungen zu verringern und den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Dr. Sarah Brückner, Geschäftsführerin VDMA Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik: Unsere Mitgliedsunternehmen produzieren aktuell weiter. Große Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Gesetzgebung sind aktuell nicht bekannt.

Thomas Junker, Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e. V. (BDSV): Unsere Mitgliedsunternehmen sind durch die Corona-Gesetzgebung massiv betroffen. Denn durch ihre herausragende Position in der Wertschöpfungskette als Entsorger der Industrie und als Rohstofflieferant der Stahlwerke und Gießereien sind die Auswirkungen sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite beträchtlich. Zudem sind in jedem einzelnen Betrieb zahlreiche organisatorische Maßnahmen ergriffen worden, um die Mitarbeiter zu schützen, das Kontaktverbot umzusetzen und den Betrieb in der Corona-Krise aufrecht zu erhalten. Dennoch tun unsere Mitgliedsunternehmen ihr Bestes, um den Rohstoffkreislauf während der Corona-Krise aufrecht zu erhalten. Die BDSV setzt sich dabei für eine bundesweite Einordnung der Recyclingbetriebe als systemrelevante Unternehmen ein, damit Betriebsschließungen möglichst vermieden werden.

Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V.: Die wirtschaftlichen Auswirkungen zur Eindämmung des Coronavirus in Deutschland treffen die Entsorgungsbranche mit voller Wucht. Lieferketten werden unterbrochen. Produktionen werden stillgelegt. Der Handel wird stark eingeschränkt. Das wird deutliche konjunkturelle Auswirkungen haben. Die beschlossenen Hilfen der Bundesregierung sehen wir daher sehr positiv. Gerade die Kurzarbeiterregelung und die vorgesehene Stundung von fälligen Steuerzahlungen werden vielfach in Anspruch genommen. Allerdings sind wir auch der Meinung, dass direkte Liquiditätshilfen erforderlich sein werden, und warnen davor, dass sich die Kreditzusagen aufgrund der Verzinsung bis zu drei Prozent über eine Laufzeit von zehn Jahren für die Unternehmen als eine „Förderfalle“ entpuppen könnten. Unsere Unternehmen jedenfalls scheinen einen Großteil der angebotenen Kreditfinanzierungen nicht wahrnehmen zu wollen. Wir befürchten daher für den Mittelstand der Branche, aber auch weit darüber hinaus, eine veritable Kreditklemme. Der bvse fordert die Bundesregierung daher auf, dem Beispiel der EU-Kommission zu folgen, die ausdrücklich zulässt, dass die Mitgliedstaaten zinslose Darlehen vergeben können.

Peter Kurth, Präsident BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V.: Die Unternehmen unseres Verbandes sind wie praktisch die gesamte Wirtschaft massiv betroffen. Aufgrund der Schließung vieler Betriebs- und Produktionsstätten sowie der Störung der Lieferketten gibt es einen dramatischen Einbruch bei Gewerbeabfallmengen. Im Gegenzug nehmen die Mengen beim Siedlungsabfall und anderen haushaltsnahen Abfallarten natürlich zu.

Welche Teilbranchen sind in Ihrem Sektor besonders von der Corona-Krise betroffen, welche weniger und welche aktuell noch gar nicht?

Ralf Schmitz (VDM): Besonders betroffen sind Unternehmen, die unmittelbar metallische Rohstoffe an die Automobilindustrie liefern, denn diese steht in ganz Europa still. Unsere Recycler für Elektroschrott leiden unter den geschlossenen kommunalen Wertstoffhöfen, denn nun bleibt das Eingangsmaterial aus. Der klassische Metall-Recycling-Bereich funktioniert noch ganz gut: Metalle sind auch in Krisenzeiten unverzichtbar und unsere Recycler liefern den wichtigen Rohstoff Metallschrott in Hütten und Schmelzwerke.

PlasticsEurope: Die Kunststoffindustrie spielt eine nicht unbedeutende Rolle für viele weitere Industrien in Deutschland. Hinzu kommt, dass sie viele konsumnahe Anwendungen herstellt. Insofern haben ein Einbrechen der (Industrie-)Produktion und des Konsums negative Auswirkungen auf Umsatz und Absatz. Gleichzeitig gibt es Teilbereiche, die gerade überproportional wachsen, wie der Bedarf nach medizinischen Erzeugnissen, aber auch bestimmten Verpackungen (z. B. für Desinfektionsmittel) oder auch Vliesstoffen (für z. B. Mundschutzmasken). Bei Branchen wie dem Automobilbau gab es bereits vor der Covid-19-Krise Rückgänge zu verzeichnen, die nun durch das Schließen der Autofabriken nochmals verstärkt wurden. Das trifft einige unserer Mitgliedsunternehmen besonders hart.

Rüdiger Weiß (VBS): Bereiche wie Kommunalentsorgung, Verpackungsentsorgung und Kanalinspektion sind von der Corona-Krise weniger betroffen; deutlich spürbar sind, wie schon gesagt, die Rückgänge im Bereich Gewerbeabfall. Durch die Schließung kommunal betriebener Wertstoffhöfe kommt es stellenweise zu Veränderungen von Abfallströmen. Insofern sind auch die Auswirkungen in unseren Mitgliedsunternehmen unterschiedlich stark, je nachdem wo das jeweilige Unternehmen seinen Schwerpunkt hat.

Daisy Kroker (VOEB): Von den Maßnahmen und Sicherheitsbestimmungen der österreichischen Bundesregierung sind alle in der Branche und hier sehr stark Unternehmen betroffen, die in Tourismusgebieten Abfälle aus Hotels und Gastronomiebetrieben entsorgen. Bei Unternehmen, die hauptsächlich Haushaltsabfälle entsorgen, ist das weniger der Fall.

Sarah Brückner (VDMA): Jede Teilbranche ist von dieser Krise betroffen. In der Tat gibt es aber Teilbranchen, die das mehr betrifft als andere. Für den Bereich der stationären Maschinen und des Projektgeschäfts gibt es derzeitig noch einen guten Auftragsbestand und auch neue Aufträge. Die Lieferkette ist in dieser Sparte weitgehend stabil. Bei mobilen Maschinen sind die Aufträge, vor allem aus den wichtigen Exportmärkten, stark eingebrochen. Hinzukommen die zunehmenden Schwierigkeiten der Lieferketten für diesen Teilbereich, nicht zuletzt bedingt durch den Shutdown bei den Automobilfirmen und Automobilzuliefern. So kommt es auch zu Verzögerungen bei der Auslieferung bestehender Aufträge. Auf der anderen Seite ist ein Anstieg bei Aufträgen in den Bereichen Ersatzteilgeschäft und Reparaturen zu verzeichnen.

Eric Rehbock (bvse): Besonders gebeutelt ist die Standortentsorgung von Unternehmen, die die Produktion oder den Handel einstellen mussten. Nicht zu vergessen der Hotellerie- und Gastronomiesektor, der gänzlich stillliegt. Hier gibt es teilweise Umsatzausfälle von 100 Prozent in der Spitze. Es verwundert also nicht, wenn dreiviertel unserer Unternehmen Auswirkungen auf ihren Input zurückmelden. Über 60 Prozent haben auch krisenbedingte Schwierigkeiten, Sekundärrohstoffe abzusteuern. Das betrifft beispielsweise den Schrott- oder auch den Kunststoffbereich, wo die Nachfrage in Deutschland, aber auch bei unseren europäischen Nachbarn eingebrochen ist. Das bedeutet nicht nur ein Einnahmeproblem, sondern bringt oft auch zusätzlich ein Lagerproblem mit sich, weil die Lagerkapazitäten inzwischen vielfach ausgereizt sind. Anders sieht es beim Altpapier aus. Hier gibt es eine stetige Nachfrage seitens der Industrie, aber es gibt Importprobleme und auch die inländische Sammelmenge ist zurückgegangen.

Peter Kurth (BDE): Die klassische Gewerbeentsorgung ist am meisten betroffen, zum Teil sind auch Baustellen stillgelegt. Ähnlich ist die Entsorgungssituation an den Flughäfen. Hier müssen wir nach ersten Schätzungen mit Mengeneinbußen von 80 Prozent und mehr rechnen. Es gelingt aber bundesweit, die regelmäßige Sammlung von allen Abfällen und gerade auch die Getrenntsammlung aufrecht zu erhalten.

„Derzeit sind wir noch gut ausgelastet“
Die THM recycling solutions GmbH ist zuversichtlich, dass es innerhalb eines Jahres mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht. Manuel Carrillo Castillo, Leitung Vertrieb, schildert die Situation des Maschinen- und Anlagenherstellers:

„Infolge der Corona-Pandemie wurden bereits zugesagte Aufträge kurzfristig verschoben. Die Anzahl der Anfragen ist rückläufig. Durch eine zuvor bestehende gute Auftragslage sind wir derzeit aber noch gut ausgelastet. Die Aussichten sind aber etwas getrübt. Wir kennen Recyclingunternehmen, die trotz allem noch voll ausgelastet sind und keine Kurzarbeit anstreben. Auch gibt es unter unseren Kunden Unternehmen, die sich auf Nischenmärkte spezialisiert haben. Diese Firmen sind nach unserem Wissen nicht von der der Krise betroffen. Einige Mitarbeiter werden wohl aus dem Homeoffice arbeiten. Je nach Verlauf der Rezession ist Kurzarbeit nicht ausgeschlossen. Die Politik sollte eine Exit-Strategie ausarbeiten und durchführen, damit die Wirtschaft wieder anlaufen kann. Kreditvergaben für Neugründungen und Bestandsfirmen sollten vereinfacht werden, damit Investitionen für Industriegüter wieder getätigt werden können. Wir rechnen damit, dass sich die deutsche Wirtschaft – so wie auch nach der letzten Wirtschaftskrise in 2009 – innerhalb von zwölf Monaten wieder erholen wird.“

Die Ihnen angeschlossenen Unternehmen: Wieviel Prozent davon haben ihre Produktion eingestellt, Kurzarbeit verordnet oder auf Homeoffice umgestellt?

Ralf Schmitz (VDM): Niemand hat die Produktion eingestellt, lediglich etwas längere Werksferien um Ostern herum sind bei einigen wenigen Unternehmen ein Thema. Fast alle Betriebe arbeiten mit mehreren Teams, die zu unterschiedlichen Zeiten aktiv sind. So kann der Betrieb auch aufrechterhalten werden, wenn ein Team isoliert werden müsste. Kurzarbeit wird ab April bei vielen eine Fragestellung sein, wenn auch in unterschiedlicher Größenordnung. Homeoffice ist vor allem bei unseren Händlern ein Thema, nicht aber in den Werken und auf den Plätzen.

PlasticsEurope: Wo möglich, wird Homeoffice durchgeführt. Klar ist aber auch, dass gerade in der Produktion kaum eine Arbeit mobil auszuführen ist. Beschäftigte wie Industriemechaniker oder Anlagenfahrer, die an den Maschinen im Werk arbeiten, sind auch jetzt vor Ort im Einsatz. Kurzarbeit findet in einem gewissen Rahmen statt, denn manche Unternehmen sind finanziell bereits am Limit. An verschiedenen Produktionsstätten unserer Mitgliedsunternehmen außerhalb Deutschlands und Europas kommt es derzeit vereinzelt zu Schließungen.

Rüdiger Weiß (VBS): Hierüber liegen uns noch keine genauen Zahlen vor. Bislang ist uns aber kein Fall bekannt, dass eine Mitgliedsfirma wegen Corona den Betrieb einstellen musste. Homeoffice ist in unseren Betrieben meist nur für Teile der Verwaltung möglich; und wo dies möglich ist, wird das natürlich verstärkt umgesetzt.

Daisy Kroker (VOEB): Keines unserer Mitgliedsunternehmen hat die Produktion beziehungsweise ihr Abfallmanagement eingestellt, aber einige haben Kurzarbeit angemeldet. Wo möglich, das heißt in der Verwaltung, sind Mitarbeitende teilweise im Homeoffice.

EuRIC: Es variiert von Unternehmen zu Unternehmen, von Abfallstrom zu Abfallstrom und von Land zu Land. In der Recyclingindustrie kann nur die Verwaltungsarbeit von zu Hause aus erledigt werden. Es ist zum Beispiel nicht möglich, dass die Fahrer oder Anlagenbetreiber vor Ort von zu Hause aus arbeiten. In vielen Ländern Europas wurde die Abfall- und Recyclingindustrie als unverzichtbar eingestuft und kann daher den Betrieb so gut es geht aufrechterhalten.

Sarah Brückner (VDMA): Bei dieser Frage muss zwischen Produktion und Verwaltung unterschieden werden. Die Verwaltung fast aller Mitglieder arbeitet aktuell von zu Hause aus. Dies funktioniert nach Auskunft der Unternehmen auch gut. Die Produktion in unseren Mitgliedsunternehmen wurde, wie fast überall in der Industrie, entzerrt. Mit verschiedenen Instrumenten, wie zum Beispiel einer Art Schichtbetrieb oder Überstundenabbau, wird versucht, die Anzahl der Mitarbeiter in der Produktion zu verringern und gleichzeitig die Produktion aufrecht zu halten. Dennoch haben einige Geschäftsführer angekündigt, dass sie in den kommenden Wochen Kurzarbeit einführen werden. Unseren Informationen zufolge planen hier vor allem die Hersteller mobiler Maschinen mit Kurzarbeit. Produktionseinstellungen in Form von Betriebsferien gab es im Mitgliederkreis auch bereits einige. Die Maßnahmen wurden ergriffen, um bestmögliche Voraussetzungen für eine gesteigerte Produktion in der zweiten Jahreshälfte zu schaffen.

Thomas Junker (BDSV): Anfang April haben wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedsunternehmen durchgeführt. 70 Prozent der Befragten haben angegeben, Kurzarbeit bereits beantragt zu haben oder wollten dies kurzfristig tun. In der Verwaltung arbeiten die Angestellten, wenn möglich, im Homeoffice. Im gewerblichen Bereich besteht diese Alternative jedoch nicht. Unsere Mitgliedsunternehmen arbeiten hart dafür, den Betrieb aufrecht zu erhalten und Stahlwerke und Gießereien weiterhin zuverlässig mit Rohstoffen zu versorgen. Um das Risiko der Verbreitung des Coronavirus zu minimieren, sind jedoch zahlreiche Mitgliedsunternehmen dazu übergegangen, den Ankauf von Altmetall von Privatpersonen vorübergehend zu stoppen.

Eric Rehbock (bvse): Uns sind keine Mitgliedsunternehmen bekannt, die ihre Arbeit eingestellt hätten. Allerdings gehen wir davon aus, dass wahrscheinlich bis zu 70 Prozent der Unternehmen Kurzarbeit beantragen werden. Überall dort, wo es betrieblich nicht anders umsetzbar und möglich ist, wurde auf Homeoffice umgestellt und es wurden Wechselschichten eingerichtet, damit sich möglichst wenig Kontakte unter den Mitarbeitern ergeben und für den Fall einer Coronavirus-Infektion nicht der gesamte Betrieb eingestellt werden muss.

Peter Kurth (BDE): Die Arbeit der Entsorger kann größtenteils nicht im Homeoffice stattfinden. Die Abfallsammlung ist und bleibt analog. Teile der Unternehmensverwaltungen können jedoch mit Sicherheit von zu Hause arbeiten. Das haben unsere Mitgliedsunternehmen in ihrer Arbeitsorganisation zum größten Teil berücksichtigt. Insgesamt geht es den Unternehmen, wie allen darum, ihren Betrieb soweit wie möglich aufrechtzuerhalten, ohne dass es zu einer Einschränkung der Kundenbetreuung kommt.

Wie konnten und können Sie als Verband Ihre Mitgliedsunternehmen wirtschaftlich und/oder organisatorisch unterstützen?

Ralf Schmitz (VDM): Wir haben uns in Berlin und Brüssel sehr dafür eingesetzt, dass KfW-Kredite zu 100 Prozent abgesichert werden und damit auch Erfolg gehabt. Hinzu kommen umfangreiche Informationen für unsere Mitglieder, die wir auf unserer Website systematisch bündeln. Darüber hinaus haben wir fast alle Mitglieder persönlich angerufen und mit ihnen über die aktuelle Lage gesprochen. Unser Vorstand hat eine Corona-Task Force gebildet, die täglich per Videokonferenz tagt und die notwendigen Entscheidungen trifft.

PlasticsEurope: Die Branche befand sich zu Beginn der Pandemie auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen und erfolgreichen Kreislaufwirtschaft. Der Verband versucht hier die Netzwerke und Entwicklungen zu pflegen, um nach dem Ende der jetzigen Situation dieses Thema wieder intensiv aufgreifen zu können. Im Kontext der Covid-19-Krise sind wir zudem mit einer weiteren Aufgabe konfrontiert: Es gehen vermehrt Anfragen nach Kunststoffmaterialien für den medizinischen Bereich bei uns ein. Dank der guten Vernetzung in der Kunststoffbranche in Deutschland vermitteln wir derzeit Ansprechpartner und Lösungen sowie Kontakte. Damit bieten wir schnelle und pragmatische Unterstützung weit über unsere Mitglieder hinaus – ein Zeichen für Solidarität und Zusammenhalt in schwierigen Zeiten.

Rüdiger Weiß (VBS): In erster Linie geht es natürlich um Weitergabe von Informationen; hier profitieren wir auch von unserer Mitgliedschaft in der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die wirklich sehr gute aktuelle Corona-Informationen bereitstellt. Wichtig ist auch, dass wir unseren Mitgliedern für Fragen zur Verfügung stehen. Natürlich treten wir auch mit konkreten Fragen und Forderungen an politische Entscheidungsträger heran. So hatten wir zum Beispiel frühzeitig darauf gedrängt, dass unsere Branche in Bayern als systemrelevant eingestuft werden muss.

Daisy Kroker (VOEB): Unsere Mitglieder werden laufend über alle Maßnahmen in der Corona-Krise und deren mögliche Auswirkungen informiert. Wir berichten umgehend über Verhandlungen mit Regierungsmitgliedern, Ressortmitarbeitern, Sozialpartnern und anderen Interessenvertretungen und hier erzielte Lösungen durch den VOEB.

EuRIC: Wir haben schon früh eine Task Force eingerichtet, um Informationen über die Auswirkungen von Covid-19 zu sammeln und ständig zu aktualisieren sowie gemeinsame Maßnahmen zu erarbeiten. Das erste konkrete Ergebnis dieser Arbeit war die Veröffentlichung der EuRIC-Erklärung*) zu den Auswirkungen des Coronavirus auf die Abfallwirtschaft und die Recyclingindustrie. EuRIC arbeitet im Namen der Industrie auch mit verschiedenen Dienststellen der Europäischen Kommission zusammen, die sich auf EU-Ebene mit Covid-19 befassen.

Sarah Brückner (VDMA): Der VDMA hat mit www.vdma.org/corona eine zentrale Internetseite eingerichtet. Hier sammeln wir alle Informationen, vornehmlich in den Bereichen Recht, Business Advisory und zu technischen Regelwerken. Zusätzlich informieren wir die EU-Kommission und die Bundesregierung durch unsere Büros in Brüssel und Berlin über die realen Herausforderungen des Maschinenbaus in der Covid-19-Krise. Beispielhaft ist der Einsatz des VDMA für eine Verlängerung der Übergangsfrist von sogenannten Übergangsmotoren, die von unseren Mitgliedern in mobile Maschinen eingebaut werden.

Grundsätzlich ist es Aufgabe des VDMA, für seine Mitglieder in dieser Zeit kompetenter Ansprechpartner zu sein. Wir sind aktuell im noch engeren Austausch als sonst mit unseren Mitgliedern, um die drängendsten Probleme konsequent und schnell aufgreifen zu können.

Thomas Junker (BDSV): Als Verband stehen wir unseren Mitgliedern jederzeit beratend zur Seite – dies gilt insbesondere in Krisenzeiten. Unser Beratungsportfolio geht dabei von der Beantwortung wirtschaftlicher Fragestellungen über technische bis hin zu rechtlichen. Wir sammeln und verdichten Informationen, damit unsere Mitglieder möglichst gut informiert sind. Wir nehmen Einfluss auf die deutsche und europäische Gesetzgebung – auch und gerade in der Krise. Aktuell forcieren wir beispielsweise die Einordnung der Recyclingbetriebe als systemrelevante Infrastruktur.

Darüber hinaus sind wir als Verband im regelmäßigen Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern, um neue Ideen zu platzieren oder bestehende Maßnahmen nachzuschärfen, wie etwa die temporäre Erhöhung der Lagerkapazitäten während der Krise oder die vollständige Übernahme des Kreditrisikos durch die KfW, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir haben unsere Sitzungen vollständig auf Videokonferenzen umgestellt und können bei Bedarf kurzfristig zusammenkommen, um Änderungen der Lage neu zu bewerten. Auch unser Weiterbildungsprogramm passt sich der neuen Situation an und setzt verstärkt auf Webinare.

Eric Rehbock (bvse): Wir haben überall dort bei staatlichen Stellen aller Ebenen interveniert, wo es darum ging, deutlich zu machen, dass der Entsorgungsbereich systemrelevant ist, damit, wenn notwendig, die Kindernotbetreuung in Anspruch genommen werden konnte. Wir haben uns in allen Bundesländern für eine Aufhebung des Sonn- und Feiertagsverbotes eingesetzt. Darüber hinaus waren wir mit den Behörden im Gespräch, dass keine Corona-bedingten Fristenversäumnisse geahndet werden. Denken Sie beispielsweise an anstehende Fortbildungslehrgänge für den Entsorgungsfachbetrieb, die nicht stattfinden konnten. Kurz gesagt, wir haben als Verband alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit unseren Unternehmen in dieser schwierigen Zeit nicht auch noch bürokratische Stolpersteine in den Weg gelegt werden. Wir haben unsere Mitgliedsunternehmen mit unserem Rundschreibendienst und über persönliche Beratung zu allen Neuerungen in hoher Schlagzahl informiert. Über unseren Corona-Infoblog konnten sich alle Branchenunternehmen auf dem Laufenden halten. Das ist die Zeit, in der sich ein Verband bewähren und seinen Mitgliedsunternehmen ein starker Partner sein muss.

Peter Kurth (BDE): Wir sind zügig mit einem 8-Punkte- Forderungskatalog auf die politischen Entscheider zugegangen. Dank dieser BDE- Intervention haben die Bundesländer reagiert. Nun gehört die Abfall- und Entsorgungswirtschaft in ganz Deutschland zur systemrelevanten Infrastruktur. Außerdem haben wir uns unter anderem für eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten, also Mehr- und Sonntagsarbeit, und für die unbürokratische Ermöglichung von Kurzarbeit während der Krise starkgemacht. Wir wollen den Firmen die praxisnahe Informationen zur Verfügung stellen, die für sie einen Mehrwert haben und mit denen sie schnell und sicher durch den Behördendschungel kommen können, um etwa zügig Zahlungen zu stunden oder finanzielle Leistungen zu erhalten. Dabei gehen wir auch neue Wege und bieten Webinare zu den entsprechenden Themen an. Die Vollbremsung der Wirtschaft ist gefährlich, kann Arbeitsplätze kosten und zu Unternehmensinsolvenzen führen. Diese Gefahr müssen wir eindämmen und auch nach Perspektiven suchen, das öffentliche Leben zeitnah wieder anzufahren.

„Unterm Strich wird sich das Geschäft wieder positiv entwickeln“
Peter Wilbert, Geschäftsführer Lefort Deutschland GmbH, sieht erste Anzeichen für eine Entspannung und glaubt, dass sich seine Branche in der zweiten Jahreshälfte wieder erholen wird. Die Kunden von Lefort kommen hauptsächlich aus der Schrottwirtschaft. Am Standort Mülheim an der Ruhr ist das Tochterunternehmen des belgischen Maschinen- und Anlagenherstellers mit dem Service und Vertrieb der Produkte betraut:

„Wir sind optimistisch ins Jahr 2020 gestartet, es waren interessante Projekte geplant. Ich schätze, dass die Situation noch zwei Monate andauern wird und dann unsere Kunden ihre Investitionsentscheidung weiter verfolgen werden. Auch bin ich zuversichtlich, dass im zweiten Halbjahr 2020 wieder Neumaschinengeschäfte zu machen sein werden. Das hängt natürlich stark davon ab, wie die Automobilindustrie zurück in die Produktion kommt.“

Wilbert berichtet von derzeit deutlichen Beeinträchtigungen der Geschäftsaktivitäten. So ist das Lefort-Werk in Belgien seit dem 18. März 2020 geschlossen: „Dadurch sind wir von der Ersatz- und Verschleißteil-Versorgung abgeschnitten. Einige Kunden halten die Produktion aber aufrecht und haben Bedarf an Ersatz- und Verschleißteilen. Im Servicefall können wir nur Manpower anbieten. Das schränkt uns sehr und unsere Kunden im Markt ein. Seit dem 1. April sind unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit. Als kleines Unternehmen mit vier Mitarbeitern konnten wir dabei – schnell und unbürokratisch – die NRW-Hilfe in Anspruch nehmen.“

Lefort Deutschland überlegt bereits, am Standort ein eigenes Lager für Ersatz- und Verschleißteile einzurichten, um für so eine Situation besser gerüstet zu sein. Vor der Corona-Krise war das noch kein Thema: Die Transportwege zum großen Lefort-Lager am Stammsitz Gosselies in Belgien sind unwesentlich länger.

Gibt es in Ihrem Sektor Erfolgsgeschichten von Betrieben, die aufgrund origineller Maßnahmen weniger unter der Krise zu leiden haben?

Ralf Schmitz (VDM): Alle haben es schwer. Toll sind aber Eigeninitiativen. So gibt es Unternehmen, die inzwischen Schutzmasken produzieren – nicht nur für ihre Mitarbeiter, sondern auch für die Region.

PlasticsEurope: Unsere Branche lebt von einer engen Vernetzung in der Wertschöpfungskette sowie differenzierten Absatzmärkten, einer hohen Innovationskraft mit starken F&E-Abteilungen. Umstellungen der Produktion können wir daher tatsächlich feststellen, so zum Beispiel für die Herstellung von Folien für Schutzausrüstungen, von Vliesstoffen für Schutzmasken sowie von Behältern und Dosierspendern für Desinfektionsmittel. Wir sehen, dass Medizinprodukte und moderne Verpackungslösungen unter Hygienegesichtspunkten sehr wichtig sind und stark nachgefragt werden. Unkonventionelle Kunststofflösungen und neue Partnerschaften bei Produkten zum Schutz vor Ansteckung helfen dabei, dieser Nachfrage bestmöglich zu entsprechen.

Rüdiger Weiß (VBS): Den einzig positiven Effekt der Corona-Krise, den wir bislang sehen, ist die Tatsache, dass sich der Papierbereich wieder etwas stabilisiert hat. Hier waren die Preise vor der Corona-Krise zuletzt ja sehr stark eingebrochen.
EuRIC: Es ist noch zu früh, um dies sagen zu können. Wir haben einige Sektoren gesehen, zum Beispiel Altpapier, die im April einen vorübergehenden Nachfrageanstieg verzeichneten, um die von den Papierfabriken benötigten Mengen sicherzustellen. Aber angesichts der vorangegangenen schwierigen Lage der europäischen Altpapierindustrie kann diese Erfolgsgeschichte überhaupt nicht qualifiziert werden. Die einzige Erfolgsgeschichte, die es hervorzuheben gilt, ist der Dank an die Recyclingunternehmen, die tagtäglich auch während dieser kritischen Zeit an vorderster Front arbeiten, um Abfälle zu sammeln, zu sortieren und zu recyceln.

Sarah Brückner (VDMA): Auch in der Abfall- und Recyclingtechnik gibt es Unternehmen, die ihre Produktion in kleinen Teilen umgestellt haben und nun innovative Lösungen zur Bekämpfung des Corona-Virus anbieten. Zum Beispiel wurden Staubbindemaschinen umgerüstet, um großflächig Desinfektionsmittel zu versprühen.

Thomas Junker (BDSV): Unsere Mitgliedsunternehmen sind grundsätzlich alle von der Sondersituation betroffen. Es besteht eine große Ungewissheit darüber, wie die Zukunft aussehen wird. Als Erfolgsgeschichte werten wir, dass unsere Betriebe trotz der schwierigen Umstände alles tun, um ihre Mitarbeiter zu halten und die Kreisläufe weiterhin zu schließen.

Peter Kurth (BDE): Ja, Erfolge gibt es. Die Unternehmen haben schnell auf die Krise reagiert und die betrieblichen Abläufe der aktuellen Situation angepasst. Dabei geht es in erster Linie um den Schutz der Mitarbeiter, aber natürlich auch darum, den Betrieb am Laufen zu halten. Der Kontakt des Personals untereinander ist auf ein Minimum beschränkt. Die Fahrer machen inzwischen nicht in den Pausenräumen, sondern in ihren Lkw Pause.

Welche Beeinträchtigungen erwarten Sie für Ihre Mitgliedsunternehmen noch im weiteren Verlauf des Shutdowns?

Ralf Schmitz (VDM): Es macht keinen Sinn, zu spekulieren. Wichtig ist, dass unsere Wirtschaft spätestens Ende April wieder kontinuierlich hochgefahren wird, ansonsten entstehen Schäden, die kaum noch zu reparieren sind.

PlasticsEurope: Wir erwarten mit zunehmender Länge der Beeinträchtigungen auch einen verstärkten Druck auf die Lieferketten. Besonders die Frage der Rohstoffzufuhr wird uns alle beschäftigen. Zudem begleitet uns die Frage, ob und wie zügig wieder offene Grenzen für den freien Güterverkehr gewährleistet werden können. Unklar ist außerdem, wie sich die Verbraucherhaltung nach dem Shutdown in Richtung Konsum und Neuanschaffungen entwickelt – insbesondere im Hinblick auf bereits schwächelnde Abnehmerindustrien.

Rüdiger Weiß (VBS): Je länger dieser Zustand anhält, umso stärker werden auch unsere Mitgliedsunternehmen davon betroffen sein. Gerade im Bereich der Gewerbeabfälle sind natürlich deutliche Rückgänge zu verzeichnen. Dadurch werden mittelfristig auch Engpässe bei der Versorgung der Industrie mit Sekundärrohstoffen zu erwarten sein.

Daisy Kroker (VOEB): Das ist derzeit nicht abzuschätzen und kommt auf die Dauer an; beziehungsweise darauf, ob eine zweite Covid-Welle im Herbst anrollt.

Sarah Brückner (VDMA): Die entscheidende Frage wird sein, wie lange dieser Shutdown dauert. Je länger die Situation anhält, desto stärker werden die Beeinträchtigungen für unsere Mitgliedsunternehmen sein. Die größten Beeinträchtigungen sind in den Lieferketten und den internationalen Absatzmärkten zu erwarten. Die Abfall- und Recyclingtechnik ist mit 67 Prozent stark exportorientiert. Die EU ist der wichtigste Markt für unsere Mitglieder.

Thomas Junker (BDSV): Je länger der Shutdown anhält, umso schwieriger wird es für unsere Mitgliedsunternehmen. Unserer internen Umfrage zufolge nimmt die Krise für knapp 20 Prozent der befragten Unternehmen bereits jetzt bedrohliche Ausmaße an. Weitere knapp 60 Prozent kommen dazu, wenn die Krise noch länger als vier Wochen anhält. Wir plädieren der Bundesregierung gegenüber für eine Perspektive, die ein baldiges Wiederanlaufen der Wirtschaft unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Aspekte bewirkt.

Eric Rehbock (bvse): Je länger der Shutdown andauert, desto gravierender werden die wirtschaftlichen Folgen für unsere Mitgliedsunternehmen. Schon jetzt haben die vorhandenen Aufbereitungskapazitäten, insbesondere im Bereich der Gewerbeabfallsortierung, aufgrund des deutlich zurückgegangenen Inputs stark gelitten. Wir haben hier eine dramatische Situation. Geht dieser Trend weiter, wäre das fatal für die Situation der Kreislaufwirtschaft in Deutschland. Deshalb ist es gut, dass die Politik anfängt, behutsam umzusteuern und das Einzelhandelsgeschäft in weiten Bereichen wieder zulässt.

Peter Kurth (BDE): Je länger der Shutdown dauert, desto größer werden die Unsicherheiten in den Firmen. Sie müssen die Abläufe bei der Entsorgung aufrechterhalten, gleichzeitig aber mit Notfallplänen auf etwaige erkrankte Mitarbeiter oder Personal in Quarantäne reagieren. Dann nehmen auch noch die Absteuerungsprobleme zu. Verzicht auf Abfallabholung ist keine Option. Die Unternehmen müssen flexibel auf die Entwicklungen reagieren. Und außerdem beginnen die Bundes- und die Landesregierungen ja jetzt mit ersten vorsichtigen Lockerungen.

Was kann/könnte die Politik kurzfristig beitragen, um die Produktion in Ihrem Bereich wieder zu ermöglichen und eventuell sogar anzukurbeln?

Ralf Schmitz (VDM): Hier haben wir zusammen mit befreundeten Verbänden klare Position bezogen.**)

PlasticsEurope: Unternehmen, die infolge der Pandemie Probleme haben oder bekommen, brauchen Unterstützung. Ob die Liquidität der Unternehmen sichergestellt wird, damit Produktion und Wertschöpfung aufrechterhalten werden können, ist die zentrale Frage. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Sicherstellung der Liquidität für die kunststofferzeugende Industrie, ihre Abnehmerindustrien und die Kunststoff-Wertschöpfungskette insgesamt ist daher eine wichtige Hilfe.

Rüdiger Weiß (VBS): Kurzfristig wäre es natürlich wünschenswert, dass so bald wie möglich schrittweise der Lockdown gelockert wird, damit die Wirtschaft langsam wieder in Gang kommt. Unterstützung wünschen wir uns bei der Beschaffung von Desinfektionsmitteln und persönlicher Schutzausrüstung, wobei natürlich der Gesundheitssektor Vorrang haben muss.

Daisy Kroker (VOEB): Die gesetzten Maßnahmen der österreichischen Regierung waren gut und richtig – Stichworte: Kurzarbeit, Steuerstundungen, diverse Härtefonds etc. Wichtig ist nun der weitere Verlauf des Wiederanfahrens der Wirtschaft und auch des gesellschaftlichen Lebens.

EuRIC: In seiner Erklärung hat EuRIC dazu aufgerufen, den Binnenmarkt so weit wie möglich zu schützen, um sicherzustellen, dass die grenzüberschreitende Verbringung von Abfall und Sekundärrohstoffen nicht zu stark beeinträchtigt wird. Die Europäische Union hat nun sogenannte „grüne Fahrspuren“ eingerichtet, die auch die Verbringung von Abfällen abdecken, und mehrere Mitgliedstaaten haben dem Recycling- und Abfallmanagementsektor den Status als wesentlich verliehen. Darüber hinaus fordern wir die zuständigen Behörden auf, solange diese Krise andauert, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer, die mit der Sammlung, dem Transport und der Behandlung von Abfällen befasst sind, mit ausreichender persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ausgestattet werden und dass die Lagerkapazität über das normalerweise zulässige Maß hinaus erhöht werden. Was die wirtschaftlichen Aspekte anbelangt, sollte, da Abfallwirtschaft und Recyclingaktivitäten eine wesentliche Tätigkeit darstellen, der Sektor für staatliche Beihilfen in Betracht kommen, um die finanziellen Verluste infolge der derzeitigen Krise zu mildern.

Sarah Brückner (VDMA): Die Politik macht in der Krise einen besonnenen Job. In den kommenden Wochen wird es die wichtigste Aufgabe sein, den Schutz der Bevölkerung, wirtschaftliche Interessen und soziologische Erfordernisse in Einklang zu bekommen. Der VDMA ist in konsequenten Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern. Die Produkte unserer Mitgliedsfirmen waren vor Covid-19 wichtige Faktoren für die Zielsetzungen einer verbesserter Kreislaufwirtschaft. Nach der Krise werden sie das auch wieder sein.

Thomas Junker (BDSV): Der freie Warenverkehr ist von essenzieller Bedeutung für unsere Branche. Er muss auch in der Krise aufrechterhalten werden, beziehungsweise dort, wo er zum Erliegen gekommen ist, schnellstmöglich wieder aufgenommen werden. Während der Güterverkehr auf der Schiene recht reibungslos läuft, kommt es auf der Straße zu Verzögerungen beim Grenzübertritt. Zudem ist der freie Grenzübertritt für Facharbeiter in unserer Branche eine wichtige Voraussetzung, um Produktion und Logistik aufrechterhalten zu können.

Eric Rehbock (bvse): Durch massive Investitionen in die Infrastruktur bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Rezyklaten in den Ausschreibungen könnte in der Nach-Corona-Phase ein wichtiger Impuls gegeben werden, um das Recycling und die Kreislaufwirtschaft in der Restart-Phase zu unterstützen, damit wir uns aus dem gegenwärtigen tiefen konjunkturellen Tal wieder schnell herausarbeiten können.

Peter Kurth (BDE): Der beste Impuls wäre ein schnelles und umfassendes Ende des Shutdowns, damit die Wirtschaft wieder starten kann, wobei natürlich Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten sind. Nach den Plänen der Bundeskanzlerin und der Länderministerpräsidenten verzögert sich dieser Start aber noch etwas. Wichtig ist, dass die Politik Perspektiven aufzeigt und nicht nur um Geduld bittet. Entscheidungen müssen schnell und transparent kommuniziert werden. Hilfreich wäre auch die Unterstützung unserer Unternehmen bei der Ausstattung mit Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln. Gut wäre auch, wenn sich die Politik auf die positiven Effekte der Kreislaufwirtschaft besinnen und nach dem Shutdown auch umsetzen würde, Stichworte sind hier: bessere Marktchancen für Rezyklate und die Reform der Produzentenverantwortung.

Eurobonds, Konjunkturpakete, ein neuer Marshallplan, Steuersenkungen: Das sind nur einige Vorschläge zur Abfederung der Corona-Krise. Welche Maßnahmen erhoffen, wünschen, erwarten oder fordern Sie nach der Pandemie von der nationalen Politik, um die Unternehmen in Ihrem Sektor nachhaltig zu stärken?

Ralf Schmitz (VDM): Wir lernen in diesen Tagen alle. Der Blick auf viele Dinge und Abläufe wird schärfer. Wir sollten die Chance ergreifen, nach der Krise überflüssigen bürokratischen Ballast abzuwerfen. Hier wird sicher eine Diskussion in Gang kommen.

PlasticsEurope: Das Geschäft unserer Industrie ist durch lange Investitionszyklen geprägt. Der Planungshorizont bei Investitionen liegt oftmals bei mehreren Jahrzehnten. Verlässliche, beständige und erfüllbare Rahmenbedingungen sind deshalb ein ganz entscheidender Faktor bei allen Investitionsüberlegungen. Die deutsche Politik steht in der Verantwortung, beste Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Industrie global wettbewerbsfähig bleibt und Wohlstand und Lebensqualität sichert. Denn wenn die Krise eines zeigt, dann, welche wichtigen Beiträge eine starke Industrie zur Bewältigung solcher Ausnahmesituationen leisten kann. Vor diesem Hintergrund ist die Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Baustein, beispielsweise durch Stärkung der Forschungsförderung für Unternehmen. Aber die Unterstützung sollte umfassender gedacht werden. Auch die im europäischen und globalen Vergleich hohen Energie- und Rohstoffkosten gehören auf den Prüfstand; darüber hinaus braucht es öffentliche Investitionen zur Abmilderung der sich anbahnenden Rezession. Wollen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern, sind wir als transportintensive Industrie zudem auf eine intakte Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Und nicht zuletzt bemerken wir schon heute einen Fachkräftemangel, der sich weiter verschärfen wird. Es kommt also auch darauf an, die MINT-Bildung in den Schulen zu stärken. Es gibt eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen, mit denen die Politik in naher Zukunft wichtige Weichen stellen kann für eine starke Industrie mit globalen Lösungsansätzen hierzulande.

Rüdiger Weiß (VBS): Von Eurobonds oder einem neuen Marshallplan würden eher hochverschuldete Krisen-Staaten wie Italien und Spanien profitieren – deutsche Unternehmen hingegen eher weniger. Wünschenswert wären Steuersenkungen für Unternehmen nach der Corona-Krise, wie schon von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vorgeschlagen. Auf europäischer Ebene erhoffen wir uns neue Impulse vom geplanten Green Deal, der klare Fortschritte im Bereich Kreislaufwirtschaft bringen sollte.

Daisy Kroker (VOEB): Es geht uns insbesondere um die Wertschätzung der Abfall- und Ressourcenwirtschaft, um die Anerkennung, was die Branche tagtäglich für die Gesellschaft, für die Industrie und die Konsumenten leistet. Dafür setzen wir uns im VOEB ein: dass unsere Branche als essentiell für die Rohstoffversorgung wahrgenommen wird.

EuRIC: Aus wirtschaftlicher Sicht reagierte die EU bereits am 18. März schneller als 2008 mit dem Pandemie-Notkaufprogramm der Europäischen Zentralbank in Höhe von 750 Milliarden Euro. Dem folgte unter anderem ein 500 Milliarden-Euro-Paket, das am 9. April von der Eurogruppe der Finanzminister der Eurozone zur Unterstützung der Mitgliedstaaten, der Wirtschaft und der Arbeitnehmer beschlossen wurde. Ein weiteres Paket zur Wiederankurbelung der Wirtschaft muss noch vereinbart werden, aber insgesamt werden trotz einiger abweichender Meinungen Maßnahmen ergriffen. Aus Sicht der Recyclingindustrie hoffen wir, dass die Handelsbeschränkungen abgebaut werden, sobald das von der Pandemie ausgehende sanitäre Risiko gelöst ist. Zusätzlich hoffen wir, dass die von den Mitgliedstaaten nach einer Lockerung der staatlichen Beihilfemaßnahmen der EU eingeführten Unterstützungsmaßnahmen die Unternehmen in eine Lage versetzen werden, die jetzt erlittenen erheblichen Verluste zu bewältigen. Eine weitere Priorität wird die Umsetzung des neuen Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft sein. Man muss sich auf praktische Maßnahmen konzentrieren, die die Nachfrage nach Recyclingmaterialien stimulieren und die Verfahren vereinfachen, um zu zeigen, dass der Grüne Deal der EU den Übergang wirksam beschleunigen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für Recyclingunternehmen in Europa verringern kann.

Sarah Brückner (VDMA): Wichtig wäre jetzt vor allem eine verlässliche Perspektive, wann weitere Lockerungen der wirtschaftlichen Beschränkungen erfolgen und mit welchen Maßnahmen eine solche „Exit“-Strategie“ begleitet wird. Darüber hinaus wäre es wichtig, den Unternehmen nicht nur mit Krediten zu helfen, sondern mit finanzpolitischen Maßnahmen, die sofort und dauerhaft wirken. Dazu zählt eine degressive Abschreibung, eine Reform des Verlustrücktrags und eine Absenkung der Zinsen auf Pensionsrückstellungen. Hier darf es ausdrücklich nicht nur temporär begrenzte Impulse geben. Denn wir müssen nicht nur die Investitionen wieder in Gang bringen. Wir müssen auch einen tiefgreifenden Strukturwandel, beispielsweise in der Automobilindustrie, bewältigen. Das ist aktuell – aus nachvollziehbaren Gründen – etwas aus dem Fokus geraten. Und als exportstarke Industrie sind wir natürlich auch darauf angewiesen, dass die Konjunktur in wichtigen Absatzländern wie China, USA und den EU-Staaten wieder anspringt.

Thomas Junker (BDSV): Der wichtigste Punkt für uns ist, dass die Wirtschaft nur so lange gebremst wird, wie dies unbedingt notwendig ist. Diese Zeitspanne, die aktuell noch nicht greifbar ist, wird maßgeblich den Umfang und die Art der Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft nach der Krise bestimmen. Eines ist uns jetzt schon klar: Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten, die in der Corona-Krise besonders deutlich wurde, muss zukünftig verringert werden. Gerade in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland muss die Politik das Recycling und die europäische Kreislaufwirtschaft fördern, insbesondere auch im Hinblick auf die damit verbundenen möglichen CO2-Einsparungen.

Eric Rehbock (bvse): Ganz klar muss das Thema Steuersenkung auf die politische Agenda gesetzt werden. Gleichzeitig müssen gezielte, investive Konjunkturpakete geschnürt werden, um die Wirtschaft wieder flott und zukunftsfähig zu machen.

Peter Kurth (BDE): Wichtig ist, den Unternehmen praktisch zu helfen, etwa wenn es um die Lösung von Liquiditätsproblemen geht. Hier sind die Unternehmen des Mittelstandes noch vielfach auf sich gestellt, trotz angekündigter Hilfe aus der Politik. Das kann so nicht bleiben. Außerdem dürfen unsere Branchenthemen nicht in Vergessenheit geraten. Wir müssen dran bleiben am Green Deal der EU und uns weiter für bessere Marktbedingungen für Rezyklate einsetzen. Alle Themen, die seit langem auf der Agenda stehen, bleiben aktuell und sind durch die Krise nicht falsch geworden.

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Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession – das steht jetzt fest. Womit rechnen Sie mittel- bis langfristig: mit einer Neuauflage der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 oder mit positiven Nachholeffekten sowie einer allgemeinen Verbesserung der Lage der Branchenunternehmen im dritten oder wenigsten vierten Quartal 2020?

Ralf Schmitz (VDM): So wie es derzeit aussieht, wird sich unsere Wirtschaft und unsere Branche wieder erholen können. Es wird mühsam sein, aber möglich. Voraussetzung ist aber, dass die Wirtschaft spätestens Ende April wieder hochgefahren wird.

PlasticsEurope: Noch ist es zu früh, Vergleiche zu früheren Krisen zu ziehen oder langfristige Auswirkungen auf unsere Unternehmen abzuschätzen. Gefragt sind jetzt europä­ische Solidarität – die wichtigsten Handelspartner unserer Unternehmen liegen in der EU – sowie kluges Regierungshandeln, dass nicht nur die kurzfristigen sondern auch die Langfristfolgen der Krise berücksichtigt. Auch gilt es, den Weg in Richtung einer Kreislaufwirtschaft weiter zu beschreiten, weil dadurch wichtige Impulse für die europäische Wettbewerbsfähigkeit erwachsen. Hier muss aber mit dem richtigen Augenmaß und der richtigen Geschwindigkeit agiert werden, um einzelnen Unternehmen die Chance zu geben, das Tempo, das die Politik vorgibt, mitgehen zu können – gerade in und nach dieser Krisenphase.

Rüdiger Weiß (VBS): Deutschland wird 2020 einen spürbaren Wirtschaftseinbruch verzeichnen, welchen natürlich auch unsere Branche zu erleiden hat. Sicherlich werden im dritten und vierten Quartal die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit schon spürbar gelockert sein, sodass es dann langsam wieder aufwärtsgehen sollte. Einen wirklichen Aufschwung wird es vermutlich erst 2021 geben.

Daisy Kroker (VOEB): Wie schon gesagt: Es hängt viel vom Wiederanfahren der Wirtschaft ab und ob uns eine zweite Covid-Welle im Herbst trifft. Bis eine „neue Normalität“ eintritt, wird es aber sicher noch einige Zeit dauern; dies hängt auch von der Entwicklung der Medikamente und einer Impfung gegen Covid ab. Auswirkungen haben auch die weltweiten Reisebeschränkungen und die des nationalen Tourismus und deren Dauer. Weiters sind die Unternehmensinsolvenzen (Gewerbe- und Industriebetriebe) zu berücksichtigen. Dies wird wahrscheinlich erst mit Jahresende 2020 zu beurteilen sein und betrifft einerseits die Unternehmen selbst, aber auch deren Beschäftigte und daraus resultierende Arbeitslose. Meiner Meinung nach wird die Wirtschaft erst im nächsten Jahr wieder anspringen.

EuRIC: Die aktuelle Krise wird zweifellos erhebliche Auswirkungen auf die Bilanzen der Recyclingunternehmen im Jahr 2020 haben. Dennoch hoffen wir, dass das zweite Halbjahr es ermöglichen wird, einige Verluste aus den Vormonaten aufzuholen. Allerdings ist es unmöglich vorherzusagen, ob die gegenwärtige Krise zu einer langfristigen Rezession führen wird, die das Ende von mehr als zehn Jahren globalen Wirtschaftswachstums markiert, oder zu einem vorübergehenden starken Wirtschaftsabschwung, der sich auf das erste Halbjahr 2020 beschränkt.

Sarah Brückner (VDMA): Die Corona-Krise ist eine besondere Herausforderung, weil sowohl Nachfrage- als auch Angebotsseite schwächeln. Außerdem sind dieses Mal fast ausnahmslos alle Geschäftszweige betroffen – anders als in der Finanzkrise 2008. Insofern ist die aktuelle Situation aus gesamtwirtschaftlicher Sicht schwieriger als 2008. Der Maschinenbau hat bislang aber jede Krise gemeistert und sich dank seiner Wettbewerbsstärke und Flexibilität recht schnell wieder erholt. Und es gibt durchaus eine Chance, dass wir im zweiten Halbjahr wieder mehr Dynamik in der globalen Konjunktur erleben werden. Dann wird auch der Maschinenbau seine Taktzahl wieder erhöhen. Von zentraler Bedeutung ist allerdings, dass die Betriebe so weit als möglich weiterarbeiten dürfen. Dazu gehören Produktion ebenso wie Wartung und Service. Letztendlich hängt alles entscheidend von Dauer und Intensität der Beschränkungen in wichtigen Ländern ab.

Thomas Junker (BDSV): An einer Rezession kommen wir wohl nicht vorbei. Wie stark sie ausfallen wird, hängt sehr davon ab, wie lange der Shutdown anhält und wie schnell sich danach nicht nur die Wirtschaft in Deutschland, sondern weltweit wieder erholen kann. Aufgrund der Verzahnung der internationalen Lieferketten müssen viele Unternehmen ihre Produktion synchron wieder anfahren. Das braucht eine gewisse Vorlaufzeit. Mit kurzfristigen Nachholeffekten ist daher wohl eher nur in Ausnahmefällen zu rechnen. Wir erwarten in vielen Bereichen eine Neukonzeption von Lieferketten, bei der dem Recycling eine höhere Bedeutung zukommen wird.

Eric Rehbock (bvse): Das hängt ganz klar davon ab, wie lange uns das Coronavirus in Schach hält. Damit meine ich nicht nur Deutschland, sondern natürlich auch unsere europäischen Nachbarn, aber auch die USA und nicht zuletzt China. Je länger die Pandemie die internationalen Volkswirtschaften lähmt, desto eher geraten wir in eine dramatische Abwärtsspirale. Wenn wir jedoch, wonach es momentan zumindest in Deutschland aussieht, den Coronavirus-Ausbruch beherrschen können und Schritt für Schritt den Konjunkturmotor wieder anwerfen können, dann hoffe ich auf Erholungseffekte noch in diesem Jahr.

Peter Kurth (BDE): Je schneller die Wirtschaft wieder in Gang kommt, desto geringer sind die bleibenden Schäden. Wichtig sind aus meiner Sicht schnell wirkende Hilfen bei der Liquidität und bei der Organisation von Kurzarbeit. Mittelfristig brauchen wir eine längst überfällige Verbesserung der Rahmenbedingungen bei Investitionen und steuerliche Entlastungen. Wie schwer die Rezession wird, hängt nicht zuletzt von der Entwicklung der Weltwirtschaft und der globalen Handelsaktivitäten ab.

*) Die EuRIC-Erklärung kann hier eingesehen werden: www.euric-aisbl.eu/position-papers/item/357-euric-statement-impact-of-the-coronavirus-covid-19-for-the-waste-management-recycling-industry

**) Anmerkung der Redaktion: Brief an Bundesumweltministerin Svenja Schulze vom 3. April 2020. Die Verbände BDE, BDSV, bvse und VDM fordern, dass die Bundesregierung die Systemrelevanz der Recycling- und Entsorgungswirtschaft auch in der Corona-Krise sicherstellt, dass die Getrenntsammlung nicht aufgehoben wird, dass Lagerkapazitäten flexibel aufgestockt werden können, dass Schutz- und Hygieneartikel verfügbar sind, dass es eine gesamteuropäische Lösung beim Transport von Wertstoffen gibt, dass die Liquidität der Kreislaufwirtschaft sichergestellt ist und dass die Behörden im Umgang mit Umgang mit Unternehmen eine größtmögliche Flexibilität bei Fristen, Regularien und Audits gewähren.

(EU-Recycling 05/2020, Seite 18, Foto: Foto: Laiotz / stock.adobe.com)