14. Recycling- und Sekundärrohstoffkonferenz: Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien bekommt Konturen

Die 14. Recycling- und Sekundärrohstoffkonferenz der TK Verlag GmbH musste in diesem Jahr online stattfinden. Batterierecycling lautete am 16. März das Thema der Vorträge, die sich hauptsächlich mit Lithium-Ionen-Batterien befassen.

Die Materialzusammensetzung von Batteriezellen hängt vom jeweiligen Batterietyp ab. Ob Lithium-Cobaltdioxid, Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan, Lithium-Manganoxid, Lithium-Eisenphosphat oder Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid: Für die Rückgewinnung der diversen in ihnen enthaltenen Stoffe stehen verschiedene Pfade mit unterschiedlichen Resultaten zur Verfügung. Mechanische und chemische Verfahren, Pyrometallurgie und thermale (Vor-)Behandlung sind für einen vollständigen Recyclingpfad nicht verpflichtend, sondern es gilt, ihre Kombination und ihre Verbindungsmöglichkeiten zu verbessern. Ein Batterierecycling ist demnach dann erfolgreich, wenn es auf dem neuesten Stand der Technik arbeitet, leistungs- und anpassungsfähig ist, nachhaltig wirkt und – dem Sinn der Kreislaufwirtschaft verpflichtet – Effizienz mit Ökonomie und Ökologie verbindet. Das gab einleitend Bernd Friedrich (RWTH Aachen University) als Moderator den Kongressteilnehmern mit auf den Weg.

Rohstoff-Bedarf wird sich vervielfachen
Wirtschaftspolitische Hintergründe des Batterierecyclings zeigten Mattia Pellegrini und Jose Rizo (Europäische Kommission). Sie verdeutlichten, dass sich der Batterieverbrauch von 2018 bis 2030 um den Faktor 14 und möglicherweise 19 vervielfachen wird und Europa bis dahin hinter China zum zweitgrößten Batterieproduzenten weltweit aufsteigen dürfte. Bis 1935 werde sich die Abfallmenge an Lithium-Ionen-Produkten auf rund 700.000 Tonnen jährlich erhöhen. Die bis 2040 erwartbaren jährlichen Lithiumbatterie-Mengen, die für ein Recycling zur Verfügung stehen, liegen zwischen 284 Tonnen (minimum), 726 Tonnen (realistisch) und rund 1.100 Tonnen (optimal). Den Rohstoff-Bedarf zur Produktion zukünftiger Akkumulatoren für Elektrofahrzeuge schätzen die Experten bis 2030 auf das 18-fache an Lithium und das 5-fache an Cobalt; er soll sich bis 2050 auf das 60-fache an Lithium und das 15-fache an Cobalt steigern. Bis 2050 wird zudem die Nachfrage nach Seltenen Erden in Magneten beispielsweise für Elektrofahrzeuge, Digitalisierung und Windkraftanlagen eine Verzehnfachung erfahren. Die EU reagiert darauf unter anderem mit höheren Quotenvorgaben. So sollen beispielsweise bis zum Jahresende 2025 tragbare Batterien zu 65 Prozent und zum Jahresende 2030 zu 70 Prozent rückgewonnen werden. Zudem ist vorgesehen, zwischen Jahresbeginn 2025 und Jahresbeginn 2030 die Recyclingeffizienz für Bleisäure von 75 auf 80 Prozent und für Lithium von 65 auf 70 Prozent zu erhöhen. Bis zum 1. Januar 2030 soll die Rückgewinnungsrate für Cobalt, Kupfer, Blei und Nickel von 90 auf 95 Prozent und die von Lithium von 35 auf 70 Prozent gehoben werden.

Gefahrgut und gleichzeitig gefährlicher Abfall
Die internationale Rücknahme von industriellen Lithiumbatterien bedeutet für alle Beteiligten eine Herausforderung. Denn diese Batterietypen sind zum einen Gefahrgut, weil ihr Transport ein Risiko darstellt, und gleichzeitig gefährlicher Abfall, weil das Material an sich eine potenzielle Bedrohung sein kann. Die Schwierigkeit liegt in der Kombination von verschiedenen logistischen Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die technisch dem Gefahrgutrecht und administrativ dem Abfallrecht zuzurechnen sind. Besondere Probleme bereiten Batterien mit dem Status „kritisch/defekt“. Die Schnittmenge zwischen technischen Anforderungen und gesetzlichen Vorschriften, die alle Auflagen erfüllt, ist jedenfalls relativ klein, meint Lisa Hoffmann, Abteilungsleiterin von SimpliReturn, einem Full-Service-Rücknahmesystem. Hinzu kommt, dass der Abfallerzeuger die grenzüberschreitende Verbringung von Lithiumbatterie-Abfällen klassifizieren muss und die EPA-Genehmigungen aller beteiligten Länder in Form einer Notifizierung vorliegen müssen.

Zukünftige Entwicklung unwägbar
Wie dynamisch – und damit unsicher – sich der momentane Markt für das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien in Europa präsentiert, beleuchtete Thomas Nigl (Montanuniversität Leoben). Er verdeutlichte, dass Europa nicht nur zu geringe Ambitionen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens an den Tag legt, sondern zusätzlich der Umsetzung hinterherhinkt. Hinzu kommen gesellschaftliche Unwägbarkeiten wie zukünftiger Besitz, Miete oder Leasing von Automobilen, eine hohe Exportrate, der rapide Preisverfall bei Lithium-Ionen-Akkus, eine offene Entscheidung zwischen den zukünftig gefragten Zellchemie-Typen und eine noch nicht absehbare, weil phasenverschobene Entwicklung der Recyclingkapazitäten von Future Waste.

2014 waren rund 9.300 Tonnen an Kapazität pro Jahr installiert; für 2021 werden europaweit 54.200 bis 81.500 Tonnen erwartet. Das Projekt „Librat“ soll nun Klarheit über die Entwicklung einer zukünftigen Wertschöpfungskette für Lithium-Ionen-Batterien in Österreich bringen. Die von Thomas Nigl anvisierte Modellierung der Restmengen ergibt bereits für das Jahr 2040 ein End-of-Life-Aufkommen in Österreich von rund 200.000 Tonnen. Daraus ergibt sich für ihn die Dringlichkeit, spezielle Recyclinglösungen unter anderem für Lithium-Eisenphosphat-Akkus zu finden, neue Recyclingquoten als Handlungsauftrag für Forschung und Entwicklung festzulegen sowie – unabdingbar – die Recyclingkapazitäten weiter zu erhöhen.

Interessante Produktionsabfälle
Einblicke in die Abfallwirtschaft eines europäischen Lithium-Ionen-Batterieherstellers gab Julia Frank (Northvolt Zwei, Salzgitter). Einer ersten Pilot-Recyclinganlage im Jahr 2020 soll 2023 eine maßstäbliche Anlage mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen für Lithium-Ionen-Batterien folgen. Beim gegenwärtigen Produktionsprozess fallen bei der Schlammmischung in geringer Menge Cobalt und Nickel in hoher Konzentration an. Die Kathodenreste aus der Beschichtung eignen sich für Recycler von Lithium-Ionen-Batterien und/oder Cobalt-/Nickel-Schmelzen und/oder hydrometallurgische Cobalt-/Nickel-Prozesse. Die Anoden-Abfälle sind verwendbar in der Kupferschmelze. Auch bei der anschließenden Pressung entstehen Überreste. Ungenaues Stapeln der fertigen Elektroden und Separatoren liefert einen recycelbaren, weil Elektrolyt-freien Überschuss. Insgesamt stellen die Elektroden-Abfälle das interessanteste Material für Recycling- oder Raffinierungs-Unternehmen dar.

Forschungscluster aus 15 Projekten
Christoph Hermann (Technische Universität Braunschweig) wies besonders auf die Bedeutung des End-of-Life im Batterie-Lebenszyklus hin. Schließlich würde ein Batteriesystem von 346 Kilogramm (kg) aus rund 83 kg an Black Mass (üblicherweise eine Mixtur aus Lithium, Mangan, Cobalt und Nickel), knapp 40 kg Kunststoff, 124 kg Aluminium, etwa 41 kg Kupfer, 32 kg Stahl sowie rund 30 kg veränderlichen Bestandteilen bestehen und 58,3 kWh Energie enthalten.

Hierfür grundlegende Lösungsansätze gelte es im Rahmen von Prozesstechnik, Lebenszyklus-Design und -Technik sowie Digitalisierung zu finden. Zu diesem Zweck gebe es – unter dem Dachkonzept des BMBF zur Batterieforschung – „green Batt“ als „Kompetenzcluster Recycling & Grüne Batterie“, das innovative Recycling- und Resynthese-Prozesse entwickeln und anwenden, Daten-Verfügbarkeit und -Qualität erhöhen sowie Empfehlungen hinsichtlich Design für Recycling und für End-of-Use formulieren will. Insgesamt stehen den 15 Forschungsprojekten samt Begleitprojekt in 34 Instituten und Forschungsstellen Fördermittel in Höhe von rund 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Circular Economy für Traktionsbatterien
Einen möglichen „ressourcenschonenden Batteriekreislauf“ am Beispiel von Traktionsbatterien stellte Susanne Kadner vor, Leiterin Circular Economy Initiative Deutschland (CEID, München). Um eine Circular Economy für diesen Batterietyp zu realisieren, bedarf es einer Reihe verschiedener Maßnahmen: von einer EU-weit harmonisierten Regulatorik über eine zunehmende Automatisierung von Wartung und Demontage bis hin zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle zugunsten eines zirkulären Produktmanagements.

Zur Kreislaufführung empfohlene Rückgewinnungsraten, die industriell als erreichbar und thermodynamisch als sinnvoll angesehen werden, beziehen sich – bis 2025 als verbindlich und bis 2030 als anzustrebende definiert – auf Lithium (50/85 Prozent), Cobalt, Nickel und Kupfer (85/90 Prozent) sowie Stahl und Aluminium (90/95 Prozent). Eine von der CEID erarbeitete Roadmap sieht für drei Schnittstellen im Lebenszyklus von Traktionsbatterien eigene Pilotprojekte vor.

Weniger als zwei Dollar netto übrig
Die Zulassungszahlen für batterie-getriebene Fahrzeuge haben sich im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr etwa verdreifacht, die von Plugin-Hybrid-getriebenem Modell rund vervierfacht. Zeitversetzt wird die Anzahl an derartigen Batterierückläufern – vermutet Alexander Sauer (Fraunhofer IPA, Stuttgart) – ab 2030 entsprechend zulegen: von unter 100.000 bis zu geschätzten knapp 170.000 Fahrzeugen. Der Wert der in Betracht kommenden Rückläufer liegt bei Lithium-, Eisen- und Phosphat-Batterien bei 15 US-Dollar/kWh, bei Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid-Zellen bei 24 US-Dollar/kWh und bei Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan-Akkus zwischen 25 und 42 US-Dollar/kWh.

Allerdings schlagen Beschaffung und Transport, Demontage und Klassierung, Einordnung und Lagerung, Abschreibungen und Amortisation zu Buche, sodass von acht Dollar Bruttogewinn pro kWh eines für den Weiterbetrieb umfunktionierten Akkus weniger als zwei Dollar netto übrigbleiben. Eine (teil-)automatisierte Demontage sei der Schlüssel zur Kostensenkung für solche Produkte, meint der Stuttgarter Wissenschaftler. Und stellte DeMoBat – Demontage von Batterien zu Modulen vor, ein Verbundforschungsprojekts zur Demonstration der Machbarkeit industrieller und automatisierter Demontage von Batteriemodulen und E-Antriebs­aggregaten, wobei für viele Batterievarianten die jeweils maßgeschneiderte Lösung gesucht wird. Das Ziel: „Zukünftig müssen alle Demontageschritte zu einer Gesamtlinie, vom Öffnen der Batterie bis zur Aufbereitung des gewonnenen Rezyklats, zusammengeführt werden.“

Closed Loop Recycling in Japan
Eine Einführung in das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien bei JX Metals gaben Kazuyuki Marukawa und Kazunori Tajiri (JX Nippon Mining & Metals Cooperation, Deutschland & Japan). Im Jahr 2015 startete das Unternehmen einen halb-technischen Betrieb, um Lithium-Ionen-Batterien von Verbrauchern zu behandeln. Nach Verbrennung, Zerkleinerung und Siebung gelangen die Stoffe auf dem Sieb in einen Schmelzofen und ergeben Kathodenkupfer. Das Material, das durch das Sieb fällt, besteht aus schwarzem Pulver, das hydrometallurgisch weiterverarbeitet wird.

Hierbei werden den Batterieabfällen durch jeweils separate Behandlung Nickel- und Cobalt-Kathoden-Material sowie Lithium- und Mangan-Carbonate entzogen. Das Closed Loop Recycling-Konzept von JX Nippon sieht – unter Zugabe von aus Minen oder Salinen gewonnenen, hochqualitativen Metallsalzen – die Herstellung von (auto)mobilen Lithium-Ionen-Akkus vor, die am Ende ihres Lebenszyklus‘ vom Unternehmen zerlegt und – falls nicht wiederverwendet – funktionsunfähig gemacht, zerkleinert und gesiebt werden. Die resultierenden Metallsalze – Nickel-, Cobalt- und Lithium-Sulfate oder deren Lösungen – sollen qualitativ Primärprodukten entsprechen und ein weiteres Mal der Herstellung neuer Batterien dienen.

Erster europäischer Recycler für Black Mass?
Über die Entwicklung einer nachhaltigen Recycling-Schleife für Lithiumbatterie-Metalle berichteten Gabriel Crumiere und Axel Vansteene (Eramet Ideas, Paris). Sie bemängelten, dass bislang in Europa und Nordamerika nach mineralurgischer und thermischer Behandlung von Lithiumbatterie-Abfällen die Black Mass lediglich in bestehenden Raffinerien zu neuem Basismaterial verarbeitet wird; außerdem würden nur rund 50.000 Tonnen pro Jahr in weniger als 30 kleinen und mittleren Unternehmen behandelt.

In China dagegen werde die Black Mass hydrometallurgisch weiterbearbeitet und dann als Batterie-Werkstoff und Kathodenaktivmaterial zur Verfügung stehen; darüber hinaus würden sich dort 30 vollintegrierte Unternehmen jährlich mit 300.000 Tonnen befassen. Mit einer neuen Recyclinganlage wolle Eramet der erste europäische Recycler für hochwertige Black Mass sein und damit einen wettbewerbsfähigen Durchbruch erzielen. Das Verfahren sieht – nach der Auslaugung von Black Mass und der Reinigung von Aluminium, Eisen und Kupfer – die Gewinnung von Mangan, Cobalt und Nickel sowie die Abscheidung von Lithium vor. Im ReLieVe-Projekt (kurz für: Recycling Li-Ion Batteries for electric Vehicles) seien dafür neben Eramet (für Metallurgie) BASF (Produktion von Elektrodenmaterial) und SUEZ (für Sammlung und Zerlegung) beteiligt.

Flexible Recyclinglösungen gefragt
Nach Ansicht von Nikolaus Borowski und Rolf Degel (SMS group, Düsseldorf) existieren derzeit rund 150.000 Tonnen an ausgedienten Lithium-Batterien mit einer jährlichen Zuwachsrate von zehn Prozent und entsprechend steigendem Bedarf an Recyclinganlagen. Momentan sind sechs Batterietypen auf dem Markt, die auf positivem Elektrodenmaterial aufbauen. Die Marktpreise für ihre Inhaltsstoffe unterliegen ebenso wie deren chemische Zusammensetzung Trends. Die Komplexität der verschiedenen Batterietypen verlangt folglich flexible Recyclinglösungen – auch im Hinblick auf die spätere Vermarktung der Sekundärstoffe.

Der von Borowski und Degel vorgestellte BlueBattery-Prozess sieht daher vor, in Stufe 1 alle ausgedienten Batterien oder Produktionsabfälle mit multipler Zellchemie, Formatierung oder Typenbezeichnung ohne vorherige Entladung zu schreddern und in Kunststoffe, Stahl-Ummantelung, Kupfer- und Aluminium-Folien und Elektrolyte zu separieren. Die anfallende Black Mass mit ihrem Kathodenmaterial und Kohlenstoff wird in einen Schmelzofen gegeben. Aus der anschließenden Raffinade in Stufe 2 resultiert zum einen Lithium in Lösung oder Lithiumkarbonat, zum anderen Nickel und Cobalt als Kathodenmaterial von hoher chemischer Reinheit. Der Start für Stufe 1 ist für den Herbst 2021 vorgesehen. Stufe 2 mit der Trennung von Lithium, Kathodenmaterial und Kohlenstoff folgt im dritten Quartal 2022.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2021, Seite 18, Foto: Maksym Yemelyanov / stock.adobe.com)

 

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