ZeroWaste-Cities: Wenige können viel bewegen

Die europäische Abfallhierarchie stellt Abfallvermeidung vor Wiederverwendung und Recycling. Dieser Prämisse folgt auch die ZeroWaste-Bewegung, die in etlichen Städten versucht, Abfälle zu verhindern und damit Ressourcen zu schonen. Ein erster Statusreport zu europäischen Null-Abfälle-Kommunen gibt darüber Auskunft.

Das ZeroWaste Cities-Programm hält die örtlichen Behörden dazu an, die Produktion von Abfällen schrittweise zu minimieren. Statt Verbrennung oder Deponierung sollen Systeme eingeführt und geschaffen werden, die sich hauptsächlich auf die Reduzierung von festen Siedlungsabfällen konzentrieren. Akzeptiert werden nur solche Anlagen und Einrichtungen, die die Rückgewinnung von Reststoffen verbessern, stufenweise zu mehr Recycling führen und jegliche Verbrennung vermeiden.

Als erste Gemeinde entschied sich das italienische Capannori 2007 dazu, ZeroWaste-Stadt zu werden. Mittlerweile belegt eine Reihe von europäischen Kommunen, dass das System erfolgversprechend umgesetzt werden kann, und annähernd 400 Städte haben sich laut Report der Vision einer abfallfreien Zukunft verschrieben. Gegenwärtig leben nach Darstellung von ZeroWaste 1,77 Prozent der kommunalen Bevölkerung in der EU, dem Vereinigten Königreich und der Ukraine in einer Stadt mit dem Ziel null Abfall. In fünf Jahren soll die Marke von 10 Prozent erreicht sein.

Italien: Auf 311 Städte übertragen
An dieser Entwicklung hat Italien großen Anteil. Hier wurde auf Betreiben von ZeroWaste Italy und seines Präsidenten Rossano Ercolini eine Anzahl von Kommunen zur Einführung einiger der leistungsstärksten Abfallwirtschaftssysteme in Europa angeregt. Außerdem waren viele italienische Städte durch keine langfristigen Verträge zur Abfallverbrennung gezwungen, wodurch die Kommunen frei entscheiden konnten, effektive und wirkungsvolle Sammel-, Recycling- und Vermeidungs-Strategien einzuführen und Technologien zu wählen, die die Nachhaltigkeit finanziell unterstützen. So sprang die Null-Abfall-Philosophie von 25 Städten im Jahr 2010 auf 114 am Jahresende von 2013 über. Schließlich trug auch die Verleihung des Goldman Environment Prize an Rossano dazu bei, die Zahl der italienischen ZeroWaste-Städte auf 311 (Stand: 2020) zu erhöhen.

Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Arbeit des Abfallwirtschaftsunternehmens Contarina, unter dessen Zuständigkeit in der Provinz Treviso die Pro-Kopf-Produktion von Abfällen auf 56 Kilogramm gesenkt und die Recyclingquote auf 85 Prozent gesteigert wurde. National betrachtet, konnte im Laufe der Jahre in Italien die Getrenntsammlung von 17 Prozent im Jahr 2003 auf aktuell 55 Prozent erhöht werden. Die vier besten Provinzen erreichen eine Separatsammel-Rate von über 80 Prozent, mehr als 100 Städte ermöglichen Quoten von 90 Prozent und darüber, und in weiteren 1.168 Kommunen liegt die Marke bei über 80 Prozent. Insgesamt rangiert Italien 2018 mit einer Getrenntsammel-Quote von 58,5 Prozent knapp über dem EU-Durchschnitt und mit einer Recyclingrate von 49,8 Prozent knapp unter der EU-Zielmarke für 2020.

Slowenien: In neun Kommunen organisiert
In Slowenien sind neun Kommunen im ZeroWaste-Netzwerk unter der Ägide von Ekologi brez meja (Ökologen ohne Grenzen) organisiert. Damit bedienen sie 18 Prozent der einheimischen Bevölkerung. Hierzu zählt auch die Hauptstadt Ljubljana, die damit die erste europäische ZeroWaste-Hauptstadt darstellt, die mit einer Getrenntsammel-Quote von 68 Prozent vor allen anderen EU-Hauptstädten liegt. Auch die anderen Null-Abfall-Städte halten Quoten zwischen 62 und 83 Prozent ein – durch Einführung hocheffektiver Sammelsysteme – und übertreffen damit die erforderlichen EU-Ziele. Dazu trägt auch die nationale slowenische Gesetzgebung bei, die seit 2011 ausdrücklich eine reguläre Von-Tür-zu-Tür-Sammlung für Bioabfälle und andere wichtige Materialien vorschreibt. Als zweiter Faktor kommt die Flexibilität des nationalen Systems für Siedlungsabfälle zum Tragen: Geringe Verbrennungskapazitäten ohne fortlaufende Langzeitverträge und ohne notwendig folgende Abfallproduktion eröffneten den Kommunen Spielräume, um ambitionierte Reduzierungs- und Vermeidungsstrategien zu verwenden und durch kontinuierliche Bewertung der Reststoffe das System regelmäßig zu optimieren. Auf nationaler Ebene verfügte Slowenien 2019 über eine Getrenntsammlungsrate von 73 Prozent. Auch soll sich mit durchschnittlich 58,9 Prozent (2018) das Land hinsichtlich Recycling und Kompostierung von einem mittleren Rangplatz auf die zweitbeste Position in der EU hochgearbeitet haben.

Rumänen: Bereit für die Getrenntsammlung
In Rumänien zählen bereits zwölf Städte mit einer Bevölkerung von 700.000 Einwohnern zum ZeroWaste-Kreis. Damit leben 3,41 Prozent aller Rumänen in solchen Kommunen, die sich für Abfallreduktion und Recycling stark machen und für die Einführung einer Getrenntsammlung von Bioabfällen sowie ein Bezahlsystem nach Verbrauch einsetzen. In einem Land mit mehreren abfallbezogenen Verstößen repräsentieren die ZeroWaste-Gemeinden einen Funken Hoffnung und widersprechen dem weitverbreiteten Narrativ, dass die Bürger noch nicht bereit für eine Getrenntsammlung sind.

Allerdings kommen nur drei der Kommunen, die fast alle erst ab 2017 den ZeroWaste-Weg einschlugen, über die Getrenntsammlungsrate von 50 Prozent hinaus; acht Städte sind (noch) nicht in der Lage, über Einsparungsquoten bei Siedlungsabfall-Mengen zu sprechen. Zukünftige Zielsetzungen, die eine 90-prozentige Vermeidung von Deponieabfällen und Restabfall-Mengen zwischen 100 bis 40 Kilogramm pro Person und Jahr vorsehen, sind reine Wunschvorstellungen: 2018 lag die Pro-Kopf-Produktion in Rumänien bei 272 Kilogramm, und die Recyclingquote war binnen Jahresfrist von 14 auf 11 Prozent gesunken. Realistisch erscheinen lediglich die Vorhaben der Städte, auch weiterhin auf Waste-to-Energy-Anlagen zu verzichten, zukünftig aber auch fünf Prozent der Kommunalabfälle nicht mehr in die Zementproduktion zu geben und den Rest der nicht wiedergewonnenen Abfälle auf Deponien zu schicken.

Spanien: Die Zukunft heißt ZeroWaste
In Spanien haben etwa 100 Kommunen – zumeist in Katalonien und dem Baskenland – mit der Implementierung von ZeroWaste-Strategien begonnen; in Madrid und auf den Balearen zeigt sich Interesse. Die Gesetzgebung in Katalonien, Navarra und den Balearen arbeitet seit zwei Jahren daran, spezifische Gesetze in die Praxis umzusetzen, die den Übergang in eine Kreislaufwirtschaft beschleunigen: beispielsweise die verpflichtende Von-Tür-zu-Tür-Sammlung oder ein Bezahlsystem nach Verbrauch. In vier Gemeinden auf den Balearen liegt die jährliche Pro-Kopf-Produktion unter 120 Kilogramm.

„Die Zukunft wird ZeroWaste heißen, und die Kommunen wissen es“, behauptet der Report. Allerdings beträgt die spanische Getrenntsammlungs-Rate nur 16 Prozent (MBA-Abfälle nicht mitgerechnet) und belief sich die jährliche Pro-Kopf-Produktion an Abfällen im Jahr 2018 auf 475 Kilogramm. Die nationale Recyclingquote für Siedlungsabfälle erreichte lediglich 38 Prozent, etwa zwölf Prozent wurden verbrannt, während die Hälfte auf Deponien landete.

Kroatien: In zwölf Städten vertreten
In den zwölf ZeroWaste-Städten in Kroatien leben rund 40.000 Einwohner, die im Jahr 2019 durchschnittlich jeweils 70 Kilogramm an gemischten Kommunalabfällen produzierten, welche zu 57 Prozent getrennt gesammelt wurden. Die Stadt Prelog sticht mit einer Sammelquote von 66 Prozent besonders heraus, will sie aber in den kommenden Jahren auf 70 Prozent Getrenntsammlung steigern. Dazu wurden unter anderem Wiederverwendungs-Zentren für verschiedene Materialströme eingerichtet, die im Dialog mit den ortsansässigen Gemeinden erweitert werden sollen.

National gesehen, liegt die jährliche Pro-Kopf-Produktion an Abfällen bei 444 Kilogramm; die Rate an Getrenntsammlungen beläuft sich auf 37 Prozent, die Rückgewinnungsrate auf 30 Prozent. Die Werte könnten insbesondere durch eine effizientere Sammlung von organischen Reststoffen und besseres persönliches Recycling gesteigert werden.

Kiel: Erste deutsche ZeroWaste-Stadt

Foto: Vic Neo / pixabay.com

Im September 2018 erklärte sich Kiel zur ersten deutschen ZeroWaste-Stadt. Das zwei Jahre später veröffentlichte „ZeroWaste City Concept“ enthält über 100 Maßnahmen und Zielvorstellungen für 2035, die eine um 17 Prozent geringere Abfallproduktion pro Einwohner und Jahr und eine Reduktion der Restmüllmenge auf 85 Kilogramm pro Einwohner und Jahr im Vergleich zu 2017 vorsehen. Darüber hinaus soll Kiel eine Pilot-Stadt für den Test der „Zero Waste Cities Certification“ sein, die auch andere deutsche Städte und Verbände mit Interesse verfolgen.

Bulgarien: Deutliche Änderungen
In Bulgarien gilt einzig Svilengrad offiziell als ZeroWaste-Stadt. Aufbauend auf einem allgemein bestehenden Sammelsystem, hat die Kommune eine Von-Tür-zu-Tür-Sammlung für sortierte Recyclingabfälle aus Geschäften und Restaurants organisiert, eine Ballenmaschine für bessere Lagerung und den Transport von Altpapier und Karton angeschafft sowie eine Kompostieranlage mit einer Kapazität von 3.000 Tonnen pro Jahr installiert. Zwischen 2016 und dem erstem Halbjahr 2020 sanken beim Sortierzentrum die angelieferten Mischabfälle zur Deponierung von 264,4 auf 78,8 Kilogramm pro Person und Jahr, während der Anteil recycelbarer oder zu Ersatzbrennstoff verarbeitbarer Abfälle von 10,0 auf 62,6 Kilogramm pro Person und Jahr stieg.

Auch die Quoten aus der Getrenntsammlung zeigen deutliche Änderungen: Das im Bringsystem gesammelte Glas legte von 5,1 auf 41,8 Tonnen zu, Kunststoffe und Metalle reduzierten sich von 14,8 auf 8,5 Tonnen, während Altpapier von 22 auf 16 Tonnen sank. Separat erfasste Verpackungsabfälle verfünffachten sich auf 40,7 Tonnen, während Elektro(nik)schrott von null auf 46,2 Tonnen kletterte. Insgesamt verdreifachten sich die getrennt gesammelten Abfallstoffe innerhalb von vier Jahren von 49,6 auf 153,3 Tonnen. Zeitgleich sank der Anteil der deponierten Abfälle von 95,6 auf 53,3 Prozent, während der Prozentsatz von Ersatzbrennstoffen, Wertstoffen und anderen von 3,6 auf 42,0 anstieg. Das geschah und geschieht in einem Land, das traditionell zu den Nachzüglern im europäischen Abfallsektor zählt und das auch für das Jahr 2020 nur wenige Innovationen in diesem Bereich vorsah.

UK: Derry reichte Antrag ein
Als erste Stadtvertretung im Vereinigten Königreich, die dem Null Abfälle-Programm folgen will, reichte das nordirische Derry City und Strabane District Council seinen Antrag ein. Er sieht ein Recycling von 65 Prozent der gesammelten Kommunalabfälle bis 2035 vor, ein Verpackungsrecycling von 75 Prozent bis 2030, ebenfalls bis 2030 die Beschränkung von Kommunalabfall-Deponierungen auf zehn Prozent sowie ein Verbot der Deponierung für getrennt gesammelte Abfälle. Des Weiteren sind Auflagen für die Höhe der Restmüllmengen und die Anteile der zur Wiederaufbereitung bestimmten Abfälle vorgesehen. Diese Zielsetzungen stehen in Kontrast zu den nationalen Ist-Zahlen, die für England, Wales, Schottland und Nordirland eine kombinierte Recyclingquote von 45 Prozent für Kommunalabfälle und speziell für Nordirland von 47,7 Prozent ausweisen. Laut Eurostat beträgt die Produktion von kommunalen Abfällen im Vereinigten Königreich 463 Kilogramm pro Person, die von Restmüll rund 250 Kilogramm pro Person.

Ukraine: Lviv setzt ZeroWaste-Ideen um
Seit September 2020 gehört auch die Ukraine zu den Ländern mit ZeroWaste-Städten. Hier ist es Lviv, das für eine Bevölkerung von 755.000 Einwohnern und ein Abfallaufkommen von 356 Kilogramm pro Person zuständig zeichnet. Zunächst soll das im Jahr 2017 gesetzte Ziel einer 30-prozentigen Minderung von Abfällen in Angriff genommen werden. Veränderungen soll es bei den Vorschriften zur Sammlung von Bioabfällen und dem Bezahlsystem nach Verbrauch geben. Ein neues Projekt ist geplant, von dem sich die Lviver Initiatoren und die ungarische ZeroWaste Allianz beschleunigte Fortschritte für Abfallreduktionen auf lokale Ebene erhoffen.

Ungarn: Zentralisierung stoppt Implementierung
Ein negativer Trend wird aus Ungarn gemeldet. Dort hatten zwischen 2010 und 2020 mehrere Kommunen eine nationale Null-Abfälle-Charta unterzeichnet. Doch im Zuge des ungarischen Abfallwirtschaftsplans für 2014 bis 2020 zen­tralisierte sich die Kompetenz für Abfallwirtschaft, wodurch sich die Verantwortlichkeiten von lokalen auf die nationale Ebene verlagerten. Dies führte schrittweise dazu, dass die Kommunen nicht länger die notwendigen Verpflichtungen eingehen können, die notwendig sind, um sich als ZeroWaste-Stadt zu bezeichnen.

Abb.: Zero Waste Europe

Unter bestimmten Umständen kann allerdings eine Gemeinde weiterhin aktiv beim Implementieren einer effektiven örtlichen Null-Abfall-Strategie werden: indem lokale Grenzwerte zur Abfallvermeidung entwickelt werden, Herausforderungen auftreten, die Anreize zur Reduzierung von Abfällen bieten, oder beste Praktiken entwickelt werden für besondere Aspekte in den ZeroWaste-Programmen – wie beispielsweise dezentralisierte Bewirtschaftungsinitiativen für organische Abfälle.

Weitere Informationen zu den verschiedenen ZeroWaste-Projekten sind erhältlich unter https://zerowastecities.eu/wp-content/uploads/2020/12/zwe_report_state-of-zero-waste-municipalities-2020_en.pdf?mc_cid=af84b321ae&mc_eid=920ab94561.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2021, Seite 6, Abb.: Alexandra / stock.adobe.com)

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