Lieferkettengesetz: Welche Verantwortung Unternehmen künftig haben
Ab 2023 soll das Lieferkettengesetz mehr Transparenz in die Supply Chain bringen. Betroffen sind davon Unternehmen mit mindestens 3.000 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern und ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in der Bundesrepublik.
Sie müssen dann nicht nur die Einhaltung der Menschenrechte im eigenen Haus (sog. eigener Geschäftsbereich) und bei ihren Zulieferern prüfen. Sie müssen auch dafür sorgen, dass ihr erster Hauptlieferant (sog. unmittelbarer Zulieferer) Sozialstandards und Menschenrechte wahrt, angemessene Arbeitsbedingungen für Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bietet sowie faire Löhne zahlt.
Alle anderen Zulieferer in der Kette (sog. mittelbare Zulieferer) sollen abgestuft überprüft werden, wenn substantiierte Kenntnisse über mögliche menschenrechtliche Verletzungen vorliegen. Umweltstandards wie die Ausfuhr gefährlicher Abfälle im Sinne des Baseler Übereinkommens finden nur im Zusammenhang mit Menschenrechten Berücksichtigung. Kommen Firmen den Vorschriften nicht nach, drohen den Unternehmen Bußgelder, die sich auf bis zu zwei Prozent des weltweiten jährlichen Konzernumsatzes belaufen können. Firmen mit einem Jahresumsatz von unter 400 Millionen Euro drohen monetäre Sanktionen von 100.000 bis 800.000 Euro. Wichtig dabei: Auch das Ordnungswidrigkeitsgesetz (§ 30 Abs. 2 Satz 3) kann zur Anwendung gelangen, was eine Verzehnfachung des Bußgeldrahmens zur Folge hätte. Übersteigt die Geldbuße eine Höhe von 175.000 Euro, sieht das Gesetz den Ausschluss betroffener Betriebe bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen vor.
Was ist zu tun?
Damit pünktlich zum Stichtag die Vorgaben des Lieferkettengesetzes eingehalten werden, gilt es Vorarbeiten zu leisten. In einem ersten Schritt sollten Unternehmen und Konzernholdinggesellschaften ermitteln, ob sie oder einzelne Tochtergesellschaften von den Verpflichtungen betroffen sind. Ist dies der Fall, dreht sich alles um die Prüfung existierender Risikomanagementsysteme. Können sie zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten eingesetzt werden, lassen sich entstandene Synergien nutzen, um den eigentlichen Handlungsbedarf in Sachen Risikomanagement effizient zu definieren. Unter Einbindung der im Unternehmen betroffenen Bereiche heißt es in der Folge, den individuellen Rahmen für die Durchführung der jährlichen und anlassbezogenen Risikoanalysen festzulegen. Dabei sollten Vorgaben zur Dokumentation sowie zur Kommunikation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Schließlich muss bis spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres ein offizieller Bericht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht und auf der unternehmenseigenen Homepage veröffentlicht werden.
Über die künftige Strategie zur Einhaltung der Menschenrechte muss die Geschäftsleitung eine Grundsatzerklärung abgeben und veröffentlichen. Darin gilt es, Bezug auf die bei der Risikoanalyse ermittelten, umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken zu nehmen und die daraus abgeleiteten Maßnahmen zu beschreiben. Zudem verlangt das Gesetz die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur Prävention, Minimierung und Beendigung von Sorgfaltspflichtverletzungen. Dazu ist, neben der Implementierung eines Auswahlprozesses sowie eines Überwachungsmechanismusses für unmittelbare Zulieferer, unter anderem auch die Einrichtung eines Beschwerdemanagements erforderlich.
Und der Mittelstand?
Zunächst gilt das Lieferkettengesetz nicht für kleinere und mittlere Unternehmen. Komplett ausgenommen sind KMUs damit jedoch nicht. Schon um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird es wichtig sein, die eigenen Kunden vertraglich zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes zu verpflichten. Zudem müssen selbst kleinere Zulieferer im Rahmen des Gesetzes ihre Lieferketten prüfen, auch wenn sie nicht unmittelbar davon betroffen sind.
Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags laufen hier die Vorbereitungen aktuell auf Hochtouren. 44 Prozent der rund 3.200 Befragten sind bereits jetzt auf Spurensuche in der eigenen Supply Chain. In der Praxis wird mit Fragebögen und Bewertungstools gearbeitet. Dank solcher Instrumente lassen sich Kunden von ihren direkten Zulieferern vertraglich zusichern, dass sie sich an die Vorschriften halten. Gibt es Hinweise auf Abweichungen, kann nachgefragt und gegebenenfalls nachgeprüft werden. Um komplexe Lieferstrukturen dauerhaft zu überwachen, kommt es darauf an, die bestehenden Systeme zu erweitern und anzupassen. Zumutbarkeit und Angemessenheit spielen hier eine Rolle und orientieren sich an der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit und Schwere eines möglichen Schadens sowie den tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmens. Weitere entscheidende Faktoren für die konkrete Ausgestaltung und die Umsetzung der Sorgfaltspflicht werden auch gesamteuropäische Vorgaben aus Brüssel sein. Aktuell berät die Kommission über einen ersten Entwurf, der bereits am 23. Februar erwartet wird. Somit hat das Ringen um ein Lieferkettengesetz gerade erst begonnen.
Gekürzte Fassung – EU-Recycling behält sich aus Platzgründen Textänderungen vor. Den vollständigen Gastbeitrag mit dem Original-Titel „Verantwortung made in Germany? Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten per Gesetz verankert“ lesen Sie hier.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2022, Gastbeitrag, Foto: O. Kürth, Autoren: Felix Korten und Dirk Voges, gunnercooke Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)