Schrottmarktbericht: Zerklüfteter Markt

Das Marktgeschehen im Berichtsmonat August war regional sehr unterschiedlich und beeinflusst vom Niedrigwasser der Wasserstraßen in Kontinentaleuropa. Es hat den Transport flussauf- und abwärts deutlich eingeschränkt hat und zum Teil zum Erliegen gebracht. Die beiden anderen Verkehrsträger Schiene und Straße funktionieren ebenfalls nicht reibungslos und waren als Alternative nur sehr eingeschränkt nutzbar. Der Schrottbedarf der deutschen Werke war im August wegen regulärer und verlängerter Werksferien gering bei gleichzeitig schwachem Schrottangebot. Es blieb unklar, ob alle produzierenden Werke im August mit den gewünschten Mengen versorgt werden konnten.

Am Monatsanfang waren einige Marktteilnehmer von Preisreduzierungen oder unveränderten Preisen für August ausgegangen, was sich im Laufe der Beschaffungsperiode unter dem Einfluss der schwierigen logistischen Verhältnisse und verbesserten Exportmöglichkeiten änderte. Wer Schrott brauchte, erhöhte seine Preise gegenüber dem Vormonat, wobei die Einkaufspreise der einzelnen Verbraucher sehr unterschiedlich waren. Im Norden und Nordwesten boten die Verbraucher bei einer immer noch reduzierten Nachfrage auf Grund eines ausgedehnten Stillstands je nach Sorte um €10 bis €30 pro Tonne höhere Kaufpreise an. Die Nachfrager standen mit den Exporteuren im Wettbewerb, denen sich sowohl Verkaufsmöglichkeiten in die Türkei aber auch per Container nach Pakistan und Indien boten. Im Osten Deutschlands waren alle Verbraucher wieder mit einem normalen Bedarf im Markt. Sie erhöhten die Einkaufspreise je nach Werk, Sorte und Ausgangspreis beim vorherigen Abschluss um €5 bis €40 pro Tonne. Die Werke sahen sich gezwungen auf die Preispolitik der polnischen und tschechischen Werke zu reagieren, die deutlich höhere Notierungen aufriefen als im Vormonat. Der Zukaufbedarf im Westen Deutschlands lag durch das Ende der Werksferien über dem Juliniveau. Die Abnehmer und Lieferanten im Süden und Südwesten Deutschlands waren in ihren Transportmöglichkeiten durch die nicht oder kaum befahrbaren Wasserstraßen besonders betroffen. Da die Beförderungsmenge der Schiffe zum größten Teil nur noch bei einem Drittel der normalen Menge liegt, ist der Frachtraum entsprechend gering und die Frachtkosten haben sich seit dem Frühjahr in etwa verfünffacht. Erschwerend kommt die permanente Belieferung der Kohlekraftwerke mit Importkohle aus dem Rotterdamer Hafen hinzu, für deren Transporte die Betreiber bereit waren höhere als die üblichen Preise zu bezahlen und damit die Mitbewerber um den Frachtraum das Nachsehen hatten und haben. Dies betrifft sowohl die Rohstoffbeschaffung als auch den Produktabsatz. An der Saar war der Bedarf der Verbraucher bei nahezu unveränderten Preisen gut. Trotz eines vorübergehenden Stillstands im August kaufte der Verbraucher im Südwesten Schrott, wobei er mit seiner eigentlich auf das Wasser ausgerichteten Logistik sehr flexibel reagieren musste. Die Preisgestaltung war wie immer abhängig vom Lieferanten, der Sorte und dem Zeitpunkt des Einkaufs. Obwohl der Verbraucher im Süden Deutschland nach etwa zwei Tagen den gesamten Schrottzulauf vom Handel stoppte und auch die italienischen Verbraucher nur wenig Bedarf hatten, gab es kein Überangebot im Markt. Das Niedrigwasser bewirkte eine Konzentration der Liefermengen auf die regionalen Abnehmer, da es kaum Alternativen gab.

Der Handel beklagte einen schwachen Zulauf von Altschrotten zu den Lägern, einen geringen Neuschrottentfall und einen Mangel an Abbruchschrotten. Als Gründe für das geringe Sammelaufkommen nannte er – außer den traditionell ferienbedingt rückläufigen Sammelmengen – die starken Preisabschläge in den vergangenen Monaten sowie die ungewöhnliche Hitze. Das Ifo-Institut meldete wie schon im Juni einen Auftragsstau bei der Industrie, dessen Abarbeitung rund 8 Monate dauern würde. Er wurde mit coronabedingt gestörten Lieferketten und knappen Vorprodukten begründet, und weshalb weniger Neuschrottentfall anfällt. In einigen Regionen scheinen die Automobilzulieferer wieder mehr zu tun zu haben, so dass mit einem erhöhten Aufkommen zu rechnen ist. Die aktuelle wirtschaftliche Lage, die geprägt ist von den Sorgen um eine Inflation, exorbitant steigenden Gas- und Strompreisen, möglichen Energierationierungen und ein mögliches Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession führen zu Verschiebungen von Bauarbeiten und von Abbrucharbeiten.

Nachbarländer
Im Hauptferienmonat August haben in Italien einige Werke wegen der hohen Energiekosten und der schwachen Fertigstahlnachfrage ihre Stillstandszeiten verlängert. Sie kündigten an, die Produktion kostenbedingt möglicherweise auch im September einzuschränken. Trotz der Werksferien signalisierten die meisten Verbraucher am Monatsanfang Kaufinteresse und boten diskussionsfähige Preise. Die Gespräche führten letztendlich jedoch nur zu einer spärlichen Anzahl von Abschlüssen. Dennoch geben die Kontakte Hoffnung für den kommenden Monat. Die Preisbewegungen in Polen und in Tschechien waren wie oben erwähnt mitbestimmend für die Angebote der ostdeutschen Verbraucher. Aus Polen wurden Anfang August Preiserhöhungen von €50 bis €60 pro Tonne gemeldet. Dafür gab es verschiedene Erklärungsversuche. Einer davon war ein erhöhter Bestandsaufbau wegen zu erwartender Energiebeschränkungen. Kurzfristig sollte verstärkt Vormaterial produziert werden, um es zu einem späteren Zeitpunkt fertig zu walzen. In einer anderen Begründung spielten ebenfalls höhere Beschaffungsmengen eine Rolle, allerdings wurde die Preiserhöhung eher als ein Ausgleich für die deutlichen Abschläge in den Vormonaten angesehen, denn ohne eine entsprechende Preisanpassung wäre der Schrott kaum in ausreichender Menge im Inland zu halten gewesen. Die tschechischen Verbraucher reagierten mit Preiserhöhungen von €45 bis €55 pro Tonne. Die Schrottlieferungen aus Polen nach Deutschland sollen im August geringer gewesen sein. Gleich am Monatsanfang kündigten die österreichischen Schrottverbraucher bei guter Nachfrage Preissteigerungen für Neuschrotte von bis zu €15 pro Tonne an, während Altschrotte zu unveränderten bzw. um €10 pro Tonne höheren Preisen als im Vormonat gehandelt wurden. In der Schweiz boten die Werke je nach Sorte und Bedarf den inländischen Lieferanten CHF 5 bis CHF 20 pro Tonne mehr als im Vormonat bei geringem Zukaufbedarf aus den Nachbarländern an. Auf Grund der hohen Energiekosten könnte es auch in der Schweiz im kommenden Monat zu Produktionsreduzierungen der Elektrostahlwerke kommen. Verbraucher in den Niederlanden kauften den Schrott bei gutem Bedarf aber deutlich eingeschränktem Angebot je nach Sorte zu €15 bis €20 pro Tonne höheren Preisen als im Juli ein. Noch Ende Juli war die türkische Nachfrage schwach, sie stieg Anfang August wieder an und veranlasste die Exporteure die Einkaufspreise von rund €280 pro Tonne für die Sorte HMS 1/2 (80:20) auf rund €300 bis €320 pro Tonne frei Exportlager bis zum Redaktionsschluss anzuheben. Da der Schrottzulauf zu den Exportlagern in den Niederlanden und Belgien stark unter den eingeschränkten Liefermöglichkeiten durch das Niedrigwasser leidet, ist für die Exporteure ein Bestandsaufbau kaum möglich und daher auch die Verkaufsmöglichkeiten eingeschränkt. Nach der Rückkehr aus den Sommerferien kauften französische Werke Schrott in Deutschland zu unveränderten Preisen gegenüber dem Vormonat. Der Verbraucher in Luxemburg bot bei einem nochmals reduzierten Bedarf gegenüber dem Vormonat unveränderte Preise an. Die Schrottanbieter bevorzugten die Belieferung aus Altverträgen und beschränkten sich bei neuen Abschlüssen eher auf Kontaktmengen.

Gießereien
Im Süden und Südwesten waren die Aktivitäten der Gießereien ferienbedingt noch reduziert, während der Schrotthandel für die anderen Regionen eine gute Nachfrage meldete, die jedoch vor allem vom Produktionsprogramm des jeweiligen Herstellers abhängig ist. Während Unternehmen, die für die Automobil- und Maschinenbauindustrie produzieren über eine gute Auftragslage verfügen, leiden die Hersteller von Windkraftanlagen unter fehlenden Aufträgen. Die restlichen Verbraucher fragen jedoch nach wie vor große Mengen manganarme Stanzabfälle und Automobilpakete nach. Wegen des immer noch schwachen Entfalls bei den Automobilherstellern und -zulieferern hat der Handel Probleme die Nachfrage zu decken. Viele Gießereien zeigen sich daher beim Einsatz anderer Schrottsorten flexibler als früher. An keinen Index gebundene Gießereien erhöhten ihre Zukaufpreise im August um bis zu €10 pro Tonne. Das Roheisenangebot soll weiterhin ausreichend sein, wobei die Nachfrage schwach ist, weil die Verbraucher auf sinkende Preise drängen.

Die wirtschaftlichen Sorgen wegen der steigenden Gas- und Strompreise sowie der allgemeinen Versorgungslage nehmen bei den Gießereien genau wie bei allen anderen energieintensiven Herstellern zu. Insbesondere viele kleinere Zulieferanten hat es heute schon hart getroffen. Vertreter des Wirtschaftsverbandes Industrieller Unternehmen Baden, wvib, wiesen Anfang August in der Badischen Zeitung deutlich auf die Stellen hin, in denen es in dieser Lieferkette knirscht. Seit langem ist bekannt, dass die Gewinnspannen der Gießer, die stark von der Automobilindustrie abhängen, äußerst schmal sind. Seit der Coronakrise stehen gerade diese Zulieferer unter einem enormen wirtschaftlichen Druck. Während die eine Seite Rekordergebnisse verkündet, wird die andere Seite zum Beispiel über ausufernde Lieferantenkredite zusätzlich unter Druck gesetzt. Die Verbandsvertreter fordern Partnerschaften auf Augenhöhe. Hier handelt es sich um eine Umgangsform, die man sich an vielen Stellen wünscht und die eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Tiefseemarkt
Die türkischen Schrottverbraucher brachten das Marktgeschehen mit ihren Zukäufen im ersten Augustdrittel in Bewegung. Die gegenüber Juli deutlich verstärkte Nachfrage führte zu Preiserhöhungen von US-$20 bis US-$35 pro Tonne für Schrott der Sorte HMS 1/2 (80:20) aus Europa CFR Türkei. Die Exporteure an der Nordseeküste reagierten und passten im Laufe des Monats ihre Einkaufspreise frei Tiefseelager von €280 auf rund €320 pro Tonne an. Da die türkischen Werke für ihre Septemberlieferungen noch Schrott brauchen, wird mit einer weiteren Kaufwelle Ende August oder Anfang September gerechnet. Wie sich im derzeit unsicheren wirtschaftlichen Marktumfeld der Preis entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Beschaffungsprobleme der Exporteure dauern an. Die türkischen Zukäufe vom Kontinent sind im August überschaubar geblieben. Der Wettbewerb ist für die türkischen Kunden durch eine ansteigende Kauflust der indischen und pakistanischen Verbraucher intensiver geworden.

Schlussbemerkungen
Für September rechnet der Handel mit einer steigenden Schrottnachfrage, obwohl die Unsicherheit hinsichtlich der Strom- und Gasversorgung und der damit verbundenen Preisentwicklung die Aktivitäten im Markt spürbar hemmt. Stahlhersteller und Metallhütten haben Produktionsdrosselungen angekündigt. Dennoch ist zu erwarten, dass der Schrottbedarf im August steigen wird. Der Handel hat für September unterschiedliche Erwartungen und die Preisvorstellungen reichen von unverändert, über leicht verbessert bis zu deutlich erhöht.

Redaktionsschluss 22.08.2022, BG-J/bvse (EU-Recycling Magazin 09/2022, Seite 47, Foto: Andi Karg)