Edelmetallrecycling gewinnt zunehmend an Bedeutung

Trotz einer Abkühlung in 2023 nach mehreren Rekordjahren zeigt sich die deutsche Edelmetallindustrie zufrieden. In unsicheren Zeiten haben Edelmetalle Konjunktur. Gold erzielt historische Höchststände und übertrifft Silber, Platin und Palladium. Dieses und andere Ergebnisse präsentierte die Fachvereinigung Edelmetalle beim Pressegespräch am 4. April 2024 in Pforzheim.

Vor dem Hintergrund anhaltender globaler Krisen hat sich die deutsche Edelmetallindustrie auch 2023 gut entwickelt. „Ein Grund dafür ist die Vielfalt industrieller Anwendungsgebiete
von Edelmetallen, zum Beispiel in der Wasserstoffwirtschaft. Zudem decken viele unserer Mitgliedsunternehmen den kompletten Edelmetallkreislauf entlang der Wertschöpfungskette von der Produktion über den Handel bis zum Ankauf und der Rückgewinnung ab“, erklärte York Alexander Tetzlaff, Geschäftsführer der Fachvereinigung Edelmetalle, anlässlich des 16. Jahrespressegesprächs des Branchenverbands in Pforzheim.

Zwang zur Dekarbonisierung
„Edelmetalle sind aufgrund ihrer besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften Schlüsselprodukte für Innovationen und die Energiewende. Daher ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft, aber auch die Dekarbonisierung der Edelmetallindustrie selbst ein Thema, dem wir uns als Verband besonders widmen“, erläuterte Tetzlaff. Die Edelmetallindustrie ist mit ihren Produkten zentral für die Erreichung der Klimaziele. Edelmetalle werden zum Beispiel in Generatoren für Windkraftanlagen, in Solarpanels und in Elektromotoren für E-Autos oder für die Wasserstoffkatalyse genutzt. „Deshalb gewinnt das Recycling von Gold, Silber und Platingruppenmetallen zur Rohstoffsicherung zunehmend an Bedeutung“, machte Tetzlaff deutlich.

Präsentierten die Marktentwicklung für Edelmetalle im Jahr 2023: Franz-Josef Kron, York Alexander Tetzlaff und Thomas Weiß (v.l.) – Foto: Fachvereinigung Edelmetalle e.V.

Anschließend erläuterten die beiden Vorsitzenden des Arbeitsausschusses Edelmetallwirtschaft des Verbandes, Franz-Josef Kron, Vorstandsvorsitzender/CEO der Agosi AG, Pforzheim, und Thomas Weiß, Geschäftsführer der Heimerle + Meule GmbH, Pforzheim, die Entwicklung der einzelnen Geschäftszweige der Edelmetallindustrie im Jahr 2023 und gaben einen Ausblick.

Impulse nur aus staatlichen Investitionen
Trotz gesunkener Inflationsrate und gestiegenem Lohneinkommen im Verlauf des Jahres 2023 blieb die Erholung beim privaten Konsum bislang aus, erläuterte Kron: „Auch vom globalen Warenhandel und der globalen Industrieproduktion kamen recht wenig Impulse.“ Zusätzlich dämpften vielerorts die Notenbanken die Konjunktur zur Bekämpfung der Inflation, sodass die deutschen Exporte ihre Talfahrt bis zuletzt fortsetzten. „Kräftige expansive Impulse kamen lediglich über die staatlichen Investitionen. Hier machte sich vor allem die Beschaffung von Rüstungsgütern aus dem Sondervermögen Bundeswehr bemerkbar“, ergänzte Kron.

Besonders hätten in Deutschland die Bauwirtschaft (über den Zins-Einfluss) und die chemische Industrie (mit hoher Rohstoff-Abhängigkeit von Russland) gelitten. Insgesamt habe sich die Konjunktur im Verlauf des Jahres 2023 spürbar abgekühlt, und die für die zweite Jahreshälfte erwartete Erholung sei ausgeblieben. Kron: „In der Folge war Deutschland im letzten Jahr beim Wachstum das Schlusslicht Europas! Für 2024 glaubte man, die Weichen seien auf Erholung gestellt, doch die Haushaltslücke birgt neue Risiken für die deutsche Wirtschaft und die Entwicklung der Prognosen kennt aktuell leider nur eine Richtung: Abwärts!“

Nachfrage nach Edelmetallen durchaus zufriedenstellend
Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung wirkte sich auch auf die Edelmetallindustrie aus: „Nach mehreren Rekordjahren kühlte auch die Edelmetallwirtschaft in Deutschland in 2023 spürbar ab. Dank einer ungebrochen hohen Nachfrage der internationalen Luxusmarken nach Edelmetallen, einer sich stabilisierenden Nachfrage für industrielle Anwendungen und zufriedenstellenden Mengen im Edelmetallrecycling ist die deutsche Edelmetallwirtschaft aber auch mit dem vergangenen Jahr durchaus zufrieden“, beschrieb Kron die Entwicklung.

Goldnachfrage weltweit hoch
Für weitere Details zum Geschäftsverlauf einzelner Marktsegmente der Edelmetallwirtschaft erläuterte Thomas Weiß zunächst die Nachfrageseite mit Blick auf Gold: „Das Jahr 2023 war insgesamt durch eine hohe weltweite Goldnachfrage geprägt, die sich auch in der Goldpreisentwicklung widerspiegelte. Zwar sank die physische Nachfrage nach Gold in 2023 weltweit um fünf Prozent – und dies relativ gleichmäßig verteilt über industrielle, Schmuck- und Investitionsgüter. Doch die Gesamtnachfrage inklusive der sogenannten OTC-Geschäfte stieg auf 4.899 Tonnen und somit auf den höchsten jemals erreichten Stand.“

An OTC-Geschäften – also außerbörslich abgewickelten Transaktionen – waren hauptsächlich institutionelle Investoren sowie internationale Zentralbanken beteiligt, allen voran China mit plus 27 Prozent und die Türkei mit plus 88 Prozent, verdeutlichte Weiß. Beeinflusst von aktuellen geopolitischen Spannungen und Inflationssorgen stieg der Goldpreis auf ein Rekordniveau und schloss zum Jahresende 2023 auf einem Höchststand von 2.078,40 US-Dollar pro Unze – eine Preissteigerung von rund 15 Prozent für das Jahr 2023. Das Volumen an produzierten Platinlegierungen nahm nach dem sehr guten Jahr 2022 leicht um 2,5 Prozent ab, auf nun circa 5,8 Tonnen. „Der Trend zu Platin im Schmuckbereich als ein Ersatz für die teureren Weißgoldlegierungen ist aber ungebrochen“, analysierte Weiß.

Alternative Investments
Bei den Dentallegierungen ist der Trend zum Einsatz edelmetallfreier Materialien – als günstigere und haltbare Alternative zu Goldlegierungen – weiterhin anhaltend. „Der Gesamtabsatz bei den edelmetallhaltigen Legierungen war im Jahr 2023 nochmals um circa zwölf Prozent niedriger als im Vorjahr. Auch in den kommenden Jahren ist hier wohl mit einem weiteren Rückgang zu rechnen“, resümierte Weiß. Vor allem im zweiten Halbjahr 2023 nutzten viele inländische Anleger das hohe Preisniveau, um sich von ihren physischen Investmentprodukten in Form von Münzen und Barren zu trennen und in alternative Investments, wie zum Beispiel Aktien oder festverzinsliche Produkte, zu investieren oder Kredite abzubezahlen. In der Folge berichteten Goldhändler erstmals seit längerer Zeit wieder von massiven Rückkäufen an Barren und Münzen. „Im Jahresvergleich brach die Nachfrage nach Gold-Investitionsprodukten (Barren und Münzen) in Deutschland um 75 Prozent ein (weltweit minus drei Prozent, Europa minus 59 Prozent). Nach Vollauslastung der Produktionskapazitäten von Investmentprodukten in 2022 sahen wir in 2023 deutliche Bremsspuren“, betonte Weiß.

Silber-Nachfrage gesunken
Die weltweite Silbernachfrage ging im Jahr 2023 um zehn Prozent zurück. Zwar nahm die industrielle Nachfrage (z. B. für den Einsatz in Photovoltaikanlagen) zu, doch erwies sich nach dem Rekordjahr 2022 eine deutlich geringere Nachfrage nach physischen Investmentprodukten wie Barren und Münzen sowie eine geringere Nachfrage aus der Schmuckindustrie. „In Deutschland spielt Silber als Investmentprodukt seit einer Anpassung der Mehrwertsteuer-Sätze Ende 2022 nur noch eine unwesentliche Rolle“, unterstrich Weiß.

Wasserstoffproduktion statt Abgaskatalyse
Auch bei Platingruppenmetallen 2023 änderten sich Geschäftsverlauf und Preisentwicklung: „Bisher war für die Nachfrage und damit den Preis der wesentlichen Platingruppenmetalle, Platin, Palladium und Rhodium ein einziger Hauptabnehmermarkt ausschlaggebend: die Autoabgaskatalyse. Nun kommt perspektivisch für die Herstellung von Wasserstoff ein zweiter, wesentlicher Treiber zumindest für Platin und Iridium hinzu. Aber der Rückgang bei Verbrennungsmotoren geht schneller als der Aufbau der Wasserstoff Wirtschaft, und dies führt zu fallenden Preisen“, erläuterte Franz-Josef Kron.

Platingruppenmetalle im Preis gesunken
In Südafrika fiel der PGM-Warenkorbpreis bis Ende 2023 um 37 Prozent. Da die Preise 2024 bisher weiter nachließen, arbeiten viele Minen mit Verlusten. „Als Reaktion darauf haben südafrikanische Produzenten die indirekten Kosten gesenkt, sind aber bisher vor nennenswerten Produktionskürzungen zurückgeschreckt“, führte Kron aus. Bei den Platingruppenmetallen sank der Preis von Palladium stetig von circa 1.700 US-Dollar pro Unze Anfang 2023. Mitte Februar 2024 fiel er erstmals seit 2018 wieder unter den Platinpreis und durchbrach kurzzeitig die Unterstützung bei 900 US-Dollar pro Unze durchbrochen. Somit herrscht wenig Optimismus für eine mittelfristig positive Entwicklung des Palladiumpreises. Der Preis von Platin sank von 1.100 auf 900 US-Dollar pro Unze, nicht zuletzt wegen weiterhin großem Produktionsüberhang und guter Liquidität. Damit ist der Preis niedriger als von den meisten Analysten erwartet. Beim Rhodium hat zwar die Volatilität in 2023 stark nachgelassen, aber der Preis hat sich im Jahresverlauf mehr als halbiert. Von seinem Höchstwert im März 2021 hat Rhodium 85 Prozent seines Wertes eingebüßt und zeigt keine Anzeichen für eine Verbesserung. Iridium ist ein sehr knappes Edelmetall und zudem bislang für eine Reihe von Wasserstofftechnologien unerlässlich. So ist es nicht überraschend, dass dessen Preis sich seit 2021 rund vervierfacht hat. Allerdings bewegt sich Iridium seither seitwärts.

Edelmetallrecycling entscheidend
Die Geschäftsentwicklung im Bereich Edelmetallrecycling charakterisierte Thomas Weiß folgendermaßen: „Insbesondere der starke Anstieg des Goldpreises sorgte für eine weitere Zunahme des Recyclingvolumens im Jahr 2023. Zum Jahresende konnte ein Gesamtvolumen von über 90 Tonnen Feingold verbucht werden, was vor allem auf größere Anlieferungen von Altschmuck aus privatem Besitz (über Goldankaufsstellen und Pfandleihhäuser) und größere Recyclingmengen aus der Schmuckproduktion zurückzuführen ist. Zudem wurden auch umfangreiche Materialeingänge an sogenannten niederhaltigen Scheidgut, hauptsächlich aus der Automotive- und Elektronikindustrie, verzeichnet.“

Bei steigenden Rohstoffpreisen sind die industriellen Produzenten besonders angehalten, ihre Produktionsabfälle wieder schnellstmöglich in den Kreislauf zurückzuführen. Dabei spielt ein nachhaltiges, effizientes Edelmetallrecycling eine entscheidende Rolle. Zu den industriellen Anwendungen ergänzte Weiß: „Die Nachfrage nach Edelmetallen aus der Industrie in Form von Kontaktwerkstoffen und chemischen Produkten bewegte sich auch in 2023 auf Vorjahresniveau. Dies lässt auch für 2024 eine konstante Nachfrage erwarten.“

Ausblick auf Märkte vorsichtig optimistisch
Für Thomas Weiß bleibt insgesamt der Ausblick für die Edelmetallwirtschaft auch für das laufende Jahr 2024 vorsichtig optimistisch: „Die Nachfrage aus den Abnehmerbranchen nach technischen und dekorativen Halbzeugen hält sich auf stabilem Niveau. Das lässt uns hoffen.“ Auch in den ersten Monaten dieses Jahres erreichte der Goldpreis neue Höchststände. Die anhaltenden weltweiten geopolitischen Spannungen sowie sinkende Inflationszahlen und die damit einhergehende Erwartung sinkender Geldmarktzinsen sollten den Goldpreis auch weiterhin auf hohem Niveau stützen und eine Anlage in physischen Investmentprodukten für Anleger und Investoren wieder attraktiver machen. Ebenso könnte der Ausgang der im November 2024 anstehenden US-Wahlen einen Einfluss auf die physische Goldnachfrage haben. Bei Silber ist bedingt durch den Ausbau von E-Mobilität und grüner Energie aus Photovoltaik und Windkraft mit einer soliden Nachfrage der industriellen Verbraucher zu rechnen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2024, Seite 64, Foto: sebi_2569 / stock.adobe.com)