Metallrecycling: Aktuelle Projekte und Themen
„Die bei weitem effektivste Option für alle Metalle scheint eine Zunahme der Sekundärproduktion zu sein“, heißt es in einer EU-geförderten Studie zu künftigen Umweltauswirkungen von Metallen. Ein Teil dessen, was Wissenschaft und Forschung aktuell dazu beitragen können, wurde auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz am 11. und 12. März vorgestellt und im Tagungsband veröffentlicht.
Ungenutzte Potenziale bei Anlagenplanung bedenken
Großschredderanlagen unterliegen umweltrechtlichen Vorgaben, die sich ändern können. Daher muss bei ihrer Planung und Projektierung mitbedacht werden, dass sich auch zukünftig Investitions- und Betriebskosten wirtschaftlich gestalten. Zu beachten sind dabei unter anderem die Notwendigkeit von Produktionscontrolling, die Erfassung variabler und fixer Gesamtkosten sowie der nicht-monetären Leistungszahlen und außerdem eine Konzeptionierung der Gesamtanlageneffektivität zur Darstellung und Klassifizierung ungenutzter Potenziale. Eine umfassende Systemkonzeptionierung hilft, Bestandstechnik und Neuerungen zu verbinden. Laut Torben Kraffczyk (TSR Recycling GmbH & Co KG) ist das ökologisch wie ökonomisch unumgänglich: Schon heute sei abzusehen, dass kommende umweltrechtliche Veränderungen Investitionsvolumina erfordern, die weit über den Kalkulationen der vergangenen Jahrzehnte liegen.
Neue Herausforderungen für die Stahl-Metallurgie
Stahlschrott besitzt außerordentlich günstige Recyclingeigenschaften: Stahlschrottrecycling reduziert den Import von Eisenerz und Kokskohle, benötigt nur 64 Prozent der für die Produktion aus Primärrohstoffen benötigten Energie und leistet einen Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen. Doch entstehen durch Kombination von Stahl mit anderen Materialien auch neue Herausforderungen an die Metallurgie. Dem müsse die Stahlrecyclingwirtschaft mit innovativen Sortier- und Aufbereitungstechniken für qualitätsgesicherten Sekundärrohstoff begegnen. Chancen hierfür biete die Digitalisierung durch transparente Informationsflüsse und durch die Kombination von intelligenter Software und optimierter Sensorik, um die Sortenreinheit zu erhöhen, erklärt Daniela Entzian (BDSV Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen). Weitere Änderungen sind nach ihrer Darstellung durch einen globalen Anstieg der Rohstahlproduktion, der Stahlnachfrage sowie der Schrottverfügbarkeit zu erwarten. Kurzfristig verfügbarer Schrott werde zum knappen Gut, wodurch das Elektrostahlverfahren an Bedeutung gewinnen und die schrottbasierte Stahlerzeugung zur dominierenden Methode werden dürfte.
Stäube und Schlämme von Schwermetallen entfrachten
Für das Recycling von Zink aus materialreichen Stahlwerksstäuben existieren bereits mehrere pyro- und hydrometallurgische sowie hybride Verfahren. Nur der Wälzprozess hat sich ökonomisch durchgesetzt, produziert jedoch große Mengen metallhaltiger Schlacke zur Deponierung und ist bei Zinkgehalten unter 15 Prozent wirtschaftlich unattraktiv. Da Alternativen nicht mehr zur Anwendung kommen, wandern auch die Inhalte von Gichtgasschlämmen wie Zink, Kohlenstoff und Eisen auf die Deponie. Ein Kooperationsprojekt der Ferro Duo GmbH und der Bundesanstalt für Materialforchung und -prüfung soll nun ein Verfahren entwickeln, das die in Filterstäuben und -schlämmen enthaltenen Schwermetalle in Chloriden bindet und verdampfen lässt. In erster Linie wird auf die Schwermetall-entfrachteten Stäube und Schlämme abgehoben, aber Ziel ist auch die Gewinnung der als Zinkchlorid abgeschiedenen Zinkfracht als Sekundärrohstoff. Bisherige Versuche im Labor- und Technikumsmaßstab ergaben „exzellente Abreicherungsgrade“ von 99,7 Prozent für Zink und Blei aus Stahlwerkstäuben. Mit dem gleichen Verfahren behandelter Elektroofenstaub ergab nur die minimal erreichbaren Zink- und Bleigehalte.
Edelmetall- und Sondermetall-Recycling verbessern
Wie lässt sich die Rückgewinnung von Edel- oder Sondermetallen stärken? Das untersuchte das ILESA-Projekt im Auftrag des Bundesumweltamtes beispielhaft an Neodym-Eisen-Bor-Magneten (NdFeB-Magnete) und Edelmetall-haltigen Leiterplatten aus Altfahrzeugen. Ergebnis: Zur Verbesserung des Recyclings Seltenerdmetall-haltiger Magnetwerkstoffe werden unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für Magnete, die Einführung einer Verwertungsquote für Sondermetalle und die Einrichtung von Langzeit-Zwischenlagern empfohlen. Designvorgaben für die Fahrzeughersteller, verbesserter Rücklauf von Altfahrzeugen und Projekte zur optimierten Edelmetall-Ausbeute aus Shredderfraktionen sollen das Edelmetallrecycling aus der Fahrzeugelektronik verbessern helfen. Jedoch dämpfte Siegfried Kreibe, Stellvertretender Geschäftsführer der bifa Umweltinstitut GmbH, die Erwartungen: Aus Sicht des Klimaschutzes „erscheinen in Implementierung und Umsetzung aufwendige, gesetzgeberische Maßnahmen kaum angemessen“. Andererseits seien weitere Aktivitäten, die auf die Rückgewinnung von Sonder- und Edelmetallen aus den Abfallströmen zielen, „sinnvoll und wünschenswert“.
Besonders: die Wiedergewinnung von Superlegierungsschrotten
Superlegierungen behalten auch nach langen Nutzungszeiten bei Temperaturen von über 650 und teilweise über 1.000 Grad Celsius – je nach Legierung – ihre Eigenschaften. Die bei ihrer Herstellung anfallenden Schrottsorten können großenteils direkt als Kreislaufschrott wieder eingesetzt werden. Produktionsschrotte müssen einer qualitätsgesicherten Sortierung und Aufbereitung unterzogen werden; für sie besteht ein geschlossener Kreislauf. Bei Revisionen und Abbrüchen anfallende Altschrotte bedürfen einer besonderen Analytik und mechanischen Bearbeitung, um Sortenreinheit zu erzielen. Das eigentliche Recyceln von Superlegierungsschrotten beginnt damit, das Material auf eine bestimmte Kleinstückigkeit zu reduzieren, um es für die Schmelzen im Vakuumöfen kontinuierlich nachfördern zu können, erläuterte Joachim Lüning, Siegfried Jacob Metallurgie GmbH & Co. KG. Und warnte vor Legierungs-Altschrotten, deren mögliches Downcycling durch alternative Verfahren zur Wiedergewinnung aufgehalten werden sollte.
Ein innovatives Polymetall-Recycling realisieren
Die europäische Rohstoffstrategie zielt aktuell darauf ab, dass Recycling von Metallen in einem angemessenen Verhältnis von Nutzen und Aufwand betrieben wird. Der Aufwand für eine Aufbereitung ist dabei abhängig vom Grad der Aufbereitung und den zur Verfügung stehenden Metallurgiemodulen. An der Schnittstelle von Metallurgie und Aufbereitung lässt sich jedoch durch Verzahnung ein innovatives Polymetall-Recycling realisieren. Wie, verdeutlichte Elinor Rombach (RWTH Aachen Universität) anhand des Recyclings von Lithium-Ionen Batterien, das anstelle konventioneller Rückgewinnungsrouten vielmehr durch zusätzliche thermische und mechanische Konditionierungen sowie den Einbezug von hydrometallurgischen Verfahren optimiert wird. Daraus resultiert unter anderem ein sauberes, spezifisches und marktgerechtes Kupfer-Aluminium-Konzentrat mit positivem Marktwert. Insgesamt greifen die innovativen Prozessvarianten zur Behandlung von Polymetallen an der besagten Schnittstelle auf robuste, vielfach mechanische und kostengünstige Techniken mit bewusster Beschränkung der Verfahrenstiefe zurück.
Magnetwerkstoffe sortieren und aufbereiten
In heutiger Technik verbaute Dauermagnete kommen in unterschiedlichen Konzentrationen vor, weshalb für ihre Rückgewinnung verschiedene Rahmenbedingungen gelten. Eine Forschergruppe der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen und der Universität Duisburg-Essen untersuchte daher Verfahren, um Magnete von Eisen zu separieren und/oder sie nach Legierungen oder Hauptlegierungsanteilen zu sortieren. Das Recycling dieser hochreinen Konzentrate erfolgt spezifisch für die jeweilige Legierung. Die Aufkonzentrierung von hochreinen Selten-Erd-Magneten und Magnetgemischen beispielsweise ist bei starker Verdünnung angebracht. Eine Trennung von Eisen und Magneten bei Festplattenschrott (hauptsächlich NdFeB-Magnete) ermöglicht die Aufkonzentrierung von Magnetgemischen mit bis zu 41,5 Massenprozenten, im Bereich der 1-5-Millimeter-Fraktion sogar bis 92 Massenprozent. Die Klassifizierung von Dauermagneten aus Magnetgemischen spricht aus Sicht der Forscher theoretisch eher für eine Verschlechterung; lassen sich allerdings Magnete von einer Magnetmischung trennen, ist eine Rückgewinnung durch Recyclingverfahren möglich. Die Behandlung von Kunststoff-gebundenen Magneten gilt nach wie vor als problematisch.
Metallspäne und Schleifschlämme entölen
Jährlich fallen in metallverarbeitenden Betrieben rund 1,5 Millionen Tonnen Metallspäne und 280.000 Tonnen Schleifschlämme an – vielfach mit Kühlschmierstoffen aus den Bearbeitungsprozessen versetzt. In dieser Form gelten sie als gefährliche Abfälle. Das „Kompass“-Projekt (Kontinuierliche Öl- und Metallrückgewinnungs-Prozessanlage für Schlämme und Späne) hat verschiedene Verfahren untersucht, die die Belastung dieser Materialien aufheben und sie metallurgisch wiederverwendbar machen. Metallspäne lassen sich durch Einsatz von Senkrechtschneckenförderern und Waschungen im Gegenstromprinzip auf Restölgehalte von unter 0,1 Prozent reinigen. Für Schleifspäne empfiehlt sich eine thermische Entölung unter Schutzgas-Atmosphäre, in der die Öldämpfe kondensieren. Eine großtechnische Anlage zur Säuberung von Metallspänen mit einem Durchsatz von zwei Tonnen pro Stunde ist geplant. Ebenso wäre eine Anlage zur Rückgewinnung sortenreiner Schleifschlämme bei günstigen Energiekosten denkbar und rentabel. Auch würde sich für dieses Material eine adsorptive Entölung für einen Restölgehalt von unter einem Prozent eignen.
Bei Anwendung der Wirbelstrom-Sortiertechnik mit statischen Magneten verkörperte bislang der exzentrische Abscheider Stratos den Stand der Technik. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wurden nun zwei neue Bauarten entwickelt. Wie Georg Doninger (IFE Aufbereitungstechnik GmbH) berichtet, wird Stratos – charakterisiert durch eine höhere Flugbahn mit niedriger tangentialer Geschwindigkeit – ergänzt durch den exzentrischen Wirbelstromabscheider Vios – mit flacherer Flugbahn, aber gezielter tangentialer Beschleunigung – und den Enos, der erstmals die Sortierung durch radiale Abstoßung mithilfe eines statischen Magnetsystems ermöglicht.
Automobilschrott-Legierungen mit LIBS erkennen
Produktionsschrotte in der Automobilindustrie bestehen in der Hauptsache aus mehr oder minder zufälligen Mischungen von 5.xxx- und 6.xxx-Legierungen, die einen effektiven Einsatz in Gießereien verhindern. Erste Ergebnisse einer auf laserinduzierter Plasmaspektroskopie (LIBS) basierten Sortiermaschine zeigen, dass separierter Automobilschrott trotz unsicherer Zusammensetzung der Eingangsmaterialien hohe Qualitätsanforderungen erfüllen kann. Wie Claudius Laska (Hydro Aluminium Rolled Products GmbH) veranschaulichte, konnte die Anlage für eine Mischung von einem Drittel 6.xxx- und zwei Dritttel 5.xxx-Legierungen bei der Sortierung über Magnesium und Silizium eine 98-prozentige Reinheit für 6.xxx-Lgierungen erreichen. Dennoch müsse – aufgrund von Störfaktoren – bei der Auswahl von Sortierkriterien „eine intelligente Kombination von Elementen erfolgen“.
In ähnlichem Zusammenhang konzentrierte sich die BMBF-Fördermaßnahme PLUS auf Legierungen in Nischenmärkten, namentlich auf die Materialklassen Schnellarbeitsstahl, Titan und Hartmetall. Zur Identifikation der Metallschrotte griffen die Forschungspartner – das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und die Cronimet Ferroleg GmbH – auch hier auf LIBS und eine Förderbandanlage zurück, die auf sensorgestützte Sortierung und einen automatisierten Austrag optimiert wurde. Entscheidend für die Verbreitung dieser Technologien im Recycling – so das Fazit der bisherigen Untersuchungen – werde sein, „inwieweit die automatisierten Systeme auf die Unwägbarkeiten bei der Aufbereitung von Wertstoffen, wie den legierten Metallschrotten, reagieren können“.
Gleichzeitig Bestandsaufnahme und Nachschlagewerk
Die im Tagungsband aufgeführten Projekte oder Forschungsthemen erstrecken sich über weite Bereiche der Metallrecycling-Branche. Sie decken ein Areal ab, das bei der Anlagenplanung beginnt und anschließend das Recycling bekannter Metalle wie Stahl und Zink betrifft, bevor die Rückgewinnung von Edel- und Sondermetallen, Superlegierungen sowie Polymetallen in den Fokus rückt. Berichte über Detailbereiche wie Magnete und Metallspäne beziehungsweise -schlämme schließen sich an, die durch technische Informationen zu neuen Wirbelstrom-Aggregaten, Anwendungen der laserinduzierter Plasmaspektroskopie und der Sortierung von legierten Metallschrotten per Sensor ergänzt werden.
Die Referenten sind – sofern nicht ohnehin durch jahrlange Erfahrung in Theorie und/oder Praxis mit den Themen verbunden – in die jeweilige Forschung oder Projektarbeit involviert. Mit diesem Tagungsband – er behandelt neben Metallen auch schwerpunktmäßig Wirtschaft/Strategien/Recht, Kunststoffe, Elektronik und Elektromobilität – hat der Vivis-Verlag einer langen erfolgreichen Buchreihe einen weiteren Band hinzugefügt, der beides ist: eine Bestandsaufnahme aktueller Projekte und Themen und ein detailliertes technisches Nachschlagewerk auch über die erste Lektüre hinaus.
„Recycling und Rohstoffe“, Band 12, hrsg. v. Stephanie Thiel, Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Daniel Goldmann, Bernd Friedrich, TK Verlag 2019, ISBN: 978-3-944310-46-6.
Foto: Diana Betz
(EU-Recycling 06/2019, Seite 8)