Optimistische Erwartungen für das Kunststoffrecycling

Mit rund 430 Teilnehmern aus 14 Ländern erwies sich der 20. Internationale Altkunststofftag in Bad Neuenahr wieder als eine der wichtigsten Branchenveranstaltungen in Europa. Dies lag vor allem an dem Tagungsprogramm, in dessen Mittelpunkt die Neuordnung beziehungsweise Weiterentwicklung des Kunststoffrecycling stand.

Die Situation der Branche ist aufgrund der Marktlage nicht rundum optimal. Die nachgebenden Rohölnotierungen und der damit einhergehend der Verfall der Neuwarenpreise hatten Marktverwerfungen und Markt­umbrüche zur Folge, erläuterte Dr. Thomas Probst, Referent des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling, bei einem Pressegespräch. Während die Primärkunststoffe boomten, seien die Kunststoffrecycler durch den Preisverfall in Schwierigkeiten geraten. Mittlerweile hätten die Preise für Verarbeitungsabfälle aber ein erträgliches Niveau erreicht und das Kaufinteresse bei Rezyklaten sei erfreulich gut. Ähnliches gelte für Recyclingprodukte.

Thomas Probst: Kunststoffhersteller und -verarbeiter benötigen eine sichere Versorgungsquelle. Hier haben Rezyklate eine wichtige Funktion (Foto: bvse)

Den Angaben zufolge ist der Markt durch ein Überangebot an Material gekennzeichnet, was sich negativ auf die Preise auswirkt. Die Lager von Sammlern und Sortierern seien gut mit Verarbeitungsware versorgt, hieß es am Rande der Tagung, die der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. in Kooperation mit der BKV GmbH veranstaltete. Das Mengenaufkommen in Deutschland erklärte Probst mit hohen Verbrennungspreisen, wodurch das Angebot an Kunststoffen aus den unterschiedlichsten Abfallströmen gestiegen sei. Aber auch die Ausweitung des bestehenden Kunststoffrecycling in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Rumänien, Spanien und Tschechien hat einen Einfluss, denn „dadurch kommen gerade nach Deutschland verstärkt Verarbeitungsabfälle aus dem europäischen Ausland an“. Wie der Marktkenner weiter hervorhob, ist zudem der Fern­ostexport eingebrochen. Die Volksrepublik China habe eine neue Initiative – das National Sword 2017 – gestartet, um die illegale Einfuhr von Abfällen zu unterbinden. Seitdem gebe es verstärkte Kontrollen der Auslandsimporte; nur noch beste Ware an Altkunststoffen werde akzeptiert. Laut Probst ist schon jetzt feststellbar, dass verschmutzte Folien kaum noch nachgefragt sind. „Und dadurch haben im Inland die Preise für Verarbeitungsabfälle durch das große Angebot endlich ein erträglicheres Niveau erreicht“, sagte er mit Blick auf Deutschland.

Hoffnungsträger: die europäische „Road Map“

Viele versprechen sich eine Verbesserung der Situation im Kunststoffrecycling von der europäischen Road Map „Strategy on Plastics in a Circular Economy“, deren Ziele und nächsten Schritte während der Hauptveranstaltung von Paulo Da Silva Lemos, Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, vorgestellt wurden. Im März dieses Jahres ist die Konsultation der Öffentlichkeit abgeschlossen worden; Studien (unter anderem zum Thema Wiederverwendung, Recycling und Meeresverschmutzung sowie eine Lebenszyklusanalyse) wie auch Konferenzen für Interessengruppen sollen folgen.

Stellte die Ziele der europäischen Road Map „Strategy on Plastics in a Circular Economy“ vor: Paulo Da Silva Lemos (Foto: bvse)

Die Vorgaben der Road Map sollen in die nationale Gesetzgebung der EU-Länder umgesetzt werden. Nach Angaben des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung gibt es auch schon erste Aktivitäten. So hat der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling einen Katalog mit sieben Kernforderungen erarbeitet, der sich an die unterschiedlichen Akteure in der Recyclingkette richtet. Sie zielten darauf ab, Prozesse in der gesamten Recyclingkette neu zu überdenken und zu optimieren sowie technische, gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine Steigerung von „Qualität vor Quantität“ zu erreichen, erläuterte Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes, am Rande des Internationalen Altkunststofftages.

Nach den Vorstellungen des Fachverbandes sollten Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung durch Kampagnen für die Vorzüge des Recyclings und seiner hochwertigen Produkte sensibilisiert und zur aktiven Steigerung der Erfassungsquoten durch Getrennthaltung animiert werden. An die öffentliche Hand richtet der Verband den Appell zur Trendwende und verstärkten Berücksichtigung von Recyclingprodukten bei Vergaben, während er die Politik auffordert, das Abfallrecht nicht dem Stoffrecht zu unterwerfen, damit recyclingfähige Ströme nicht in die Verbrennung umgeleitet werden und somit der Kreislaufwirtschaft verloren gehen. „Schon am Anfang der Kunststoffrecyclingkette, bei der Erfassung kunststoffhaltiger Abfälle, muss die Qualität im Fokus stehen. Hierfür sind die konsequente Getrennthaltung kunststoffhaltiger Abfälle an allen Anfallstellen, ob privat oder gewerblich, sowie der Schutz vor Schmutz- und Wassereintrag über die gesamte Logistikkette hinweg unabdingbar“, machte der Fachverbandsvorsitzende deutlich. Darüber hinaus solle geprüft werden, ob der Einsatz alternativer Sammelsysteme, beispielsweise mittels Wertstofftonne oder auf einem Wertstoffhof, zu einer Steigerung von Mengen und Qualitäten bei der Sammlung von Kunststoffabfällen beitragen könne.

Dirk Textor: Schon am Anfang der Kunststoffrecyclingkette, bei der Erfassung kunststoffhaltiger Abfälle, muss die Qualität im Fokus stehen (Foto: bvse)

Auch im weiteren Schritt der Recyclingkette, der Kunststoffsortierung, müsse sich die Qualität durchsetzen. Neben der Erweiterung von Sortierkapazitäten sollten laut Verbandsposition technische und rechtliche Voraussetzungen für eine gleichzeitige Steigerung der Qualitäten geschaffen werden. Textor sprach sich auch dafür aus, dass es den Sortierern ermöglicht wird, „wirtschaftlich auskömmliche, bilaterale Verträge mit den Kunststoffrecyclern zu schließen“. Für nachhaltigen Recyclingerfolg sorgen im nächsten Schritt die Kunststoffrecycler, die für ihre kapitalintensiven Maschinen und Anlagen in Zukunft bessere Abschreibungsmöglichkeiten benötigen, um dringend erforderliche Neu- und Ersatzinvestitionen zeitnah tätigen zu können. Zudem ist die Gesetzgebung gefragt, die Auflagen für die Genehmigungen und den Betrieb von Kunststoffrecyclinganlagen in Zukunft zu erleichtern und somit Arbeitsplätze zu sichern.

Des Weiteren verlangt der bvse die konsequente Umsetzung der Vorschriften im Verpackungsgesetz, damit geeignete Bewertungskriterien für Verpackungen entwickelt und entsprechend bei der Lizenzierung Anwendung finden. Nur so kann, nach Meinung des Verbandes, ein recyclingfreundliches Produktdesign durchgesetzt werden. „Darüber hinaus benötigen wir eine Trendumkehr und die zukünftige Vorreiterrolle der öffentlichen Hand in Bezug auf eine Vergabepraxis, in der hochwertige und vielseitig einsetzbare Recyclingkunststoffprodukte verstärkt berücksichtigt werden“, forderte der Fachverbandsvorsitzende. Hilfreich, sowohl für die öffentlichen, aber auch für private Vergabestellen, könne die Erstellung und Veröffentlichung von Recyclingproduktlisten auf infrage kommenden neutralen Internetseiten sein. Demgemäß solle auch der Einsatz hochwertiger Rezyklate weiter gefördert und der Einsatz limitierender Normungen auf ihre Berechtigung hin neu überprüft werden. Zunehmend beschränkend wirken sich auch die Regelungen des Chemikalienrechts auf das Kunststoffrecycling aus. Durch das beständige Ausweiten von Stofflisten werden vorab schon ganze Stoffströme aus dem Recycling in die Verbrennung verschoben. Eine Forderung des bvse-Bundesverbandes besteht daher auch darin, dem Abfallrecht einen klaren Vorrang vor dem Chemikalienrecht einzuräumen.

Hoffnungsträger: das deutsche Verpackungsgesetz

Am 1. Januar 2019 wird das deutsche Verpackungsgesetz in Kraft treten, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit als ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft bewertet wird. Auch der bvse hat lobende Worte für diese künftige rechtliche Regelung, von der sich die Branchenunternehmen Positives erhoffen.

Eric Rehbock: Wir fordern von der Politik, der Verwaltung und den Ministerien Hilfen ein, um das bestehende Kunststoffrecycling zu fördern und auszubauen (Foto: bvse)

Das Verpackungsgesetz habe die richtigen Stellschrauben gesetzt – höhere Quoten für das Recycling und die Festschreibung der privatwirtschaftlichen Produktverantwortung, sagte Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung in seiner Begrüßungsrede. Parallel hierzu betonte er, dass die gesetzliche Ebene nur das Gerüst sei; entscheidend sei die operative Umsetzung durch die Unternehmen – die Kunststoffsammler, -sortierer und -recycler. „Nur diese Kette setzt das Kunststoffrecycling in der Praxis um. Und diese Kette ist gerade auch in Deutschland sehr effektiv. Und darum fordern wir von der Politik, der Verwaltung und den Ministerien auch aktiv Hilfen ein, um das bestehende Kunststoffrecycling zu fördern und auszubauen.“

In diesem Zusammenhang hob er hervor, dass in der öffentlichen und privaten Auftragsvergabe für den Einsatz von Recyclingprodukten nach wie vor eine zu große Zurückhaltung bestehe. Dabei biete die deutsche Recyclingindustrie qualitativ ausgezeichnete Recyclingprodukte für die vielfältigsten Verwendungsmöglichkeiten. Deutschland brauche eine umfassende Rohstoffwende durch mehr Ressourcenschonung, Recycling sowie eine effiziente Sekundärrohstoffwirtschaft, um sich für eine ökonomisch erfolgreiche und nachhaltige Zukunft optimal aufzustellen. Bereits im Jahr 2015 verwerteten die Unternehmen der Branche in Deutschland rund 2,74 Millionen Tonnen Kunststoffe.

Auch bvse-Vizepräsident Herbert Snell erwartet, dass das Gesetz dem Recycling von Kunststoffverpackungen einen neuen Schub bringen kann. Mit seiner Verabschiedung seien die Weichen nach Auffassung des bvse grundsätzlich richtig gestellt worden. „Wir sind aber nicht so naiv zu glauben, dass es damit getan ist“, so Herbert Snell am Rande des 20. Internationalen Altkunststofftages. Jetzt komme es darauf an, quantitative wie qualitative Verbesserungen im Bereich des Recyclings von Kunststoffverpackungen zu erreichen. Der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling will hier vor allem bei den Sortieranlagen ansetzen. „Wenn bisher die Sortierer häufig Masse statt Klasse abgeliefert haben, muss es zukünftig heißen: Qualität vor Quantität“, forderte Snell. Die Sortierung sei der erste wichtige Schritt für das Recycling. Doch diese Bedeutung spiegele sich nicht ausreichend in der Wertschöpfungskette wider. „Es ist doch bemerkenswert, dass die LVP-Sammlung im Schnitt höher abgegolten wird als das Sortieren“, kritisierte Herbert Snell. Daher träten die Kunststoffrecycler dafür ein, die Sortierung entsprechend fair zu vergüten, wenn die vereinbarte Qualität geliefert wird. Darüber hinaus sollten laut Verbandsposition bilaterale Verträge zwischen Sortierer und Recycler die Regel und nicht die Ausnahme sein.

Ein engmaschiges Qualitätsmanagement kann ebenfalls dafür sorgen, dass die vereinbarten und garantierten Sortierqualitäten auch zur Verfügung stehen. Laut Snell geht es um existenzielle Probleme, mit denen die Kunststoffrecycler zu kämpfen hätten, wenn ihnen den Kriterien nicht genügende Materialien geliefert würden. Gemeint sind die erhöhten Anlagekosten, da der Durchsatz gedrosselt werden muss. Außerdem entstehen den Angaben zufolge Analysekosten, Ausbeuteverluste sowie Energie-, Verarbeitungs- und Beseitigungskosten. Solche Verluste sollten künftig ausgeglichen werden, so die Forderung des Fachverbandes. Auf der Wunschliste des Verbandes steht auch die Anerkennung der durch das Kunststoffrecycling erreichten Reduzierung an dem Treibhausgas CO2. Eine Tonne an Rezyklaten spart je nach Kunststoffart zwischen eine bis drei Tonnen an Kohlenstoffdioxid ein. „Das sollte über CO2-Gutschriften vergütet werden“, schlug Herbert Snell vor.

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Die Forderungen im Überblick

■ Verbesserung der Erfassung durch konsequente Getrennthaltung
■ Neuordnung der Kunststoffsortierung
■ Ausbau und Förderung des bestehenden Kunststoffrecycling
■ Recyclingfreundliches Produktdesign durchsetzen
■ Promotion des Kunststoffrecycling
■ Vorrang des Abfallrechts vor dem Stoffrecht
■ Information der Stakeholder über das Kunststoffrecycling

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Brigitte Weber

Foto: bvse

(EU-Recycling 07/2017, Seite 20)

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