Textilien im Kreislauf: Suche nach der besten Lösung

Unter dem Motto „Textilrecycling – eine zwingende Herausforderung“ veranstaltete die Gemeinschaft für textile Zukunft (GftZ) im November vergangenen Jahres eine Fachtagung in Berlin.

Für die europäischen Unternehmen, die im Textilrecycling aktiv sind, wird 2024 von hoher Bedeutung sein, denn der letzte Tag dieses Jahres markiert das Ende der bisherigen Sammlung von Alttextilien. Ab 2025 sollen in Europa gebrauchte Kleidung und andere Textilien flächendeckend getrennt gesammelt werden, um die Wiederverwendung sowie ein hochwertiges Recycling zu erleichtern.

Wie groß diese Menge EU-weit ist, lässt sich offensichtlich nur schwer ermitteln, da den Angaben zufolge die Sammelraten in der EU erheblich variieren und die Datenlage begrenzt ist. Chiel Berends, Fachreferent in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, informierte in seinem Vortrag, dass die europäische Textil- und Bekleidungsindustrie 1,7 Millionen Menschen beschäftigt und einen jährlichen Umsatz von 166 Milliarden Euro verbuchen kann. Es ist weiterhin bekannt, dass die Absatzmengen von Textilien schnell steigen und sich – nach Angaben der GftZ – seit dem Jahr 2000 verdoppelt haben. Außerdem werden Textilien heute weitaus kürzer als früher genutzt und durch neue ersetzt. Parallel hierzu nimmt auch die Qualität vieler Waren ab, weshalb der Anteil an nicht wiederverwendbaren Alttextilien steigen werde, so die Gemeinschaft. Laut Chiel Berends lassen sich auf den europäischen Märkten nur gebrauchte Textilien in höchster Qualität verkaufen. Und das Recycling sei eingeschränkt.

Situation in Deutschland

Laut Dr. Regina Dube, Abteilungsleiterin im Bundesumweltministerium (BMU), sind Alttextilien ein relevanter Stoffstrom in der Kreislaufwirtschaft, zumal – nach der Studie „Konsum, Bedarf und Wiederverwendung von Bekleidung und Textilien in Deutschland“ aus dem Jahr 2015 im Auftrag des bvse – das jährlich gesammelte Aufkommen 2013 bei etwa einer Million Tonnen lag. Nach den vorliegenden Daten der erwähnten Studie erhöhte sich die erfasste Menge zwischen 2007 (circa 750.000 Tonnen) und 2013 um ein Drittel. Als Grund gab die Referentin an, dass erstmals Schuhe in die Statistik einbezogen worden waren.

Foto: bernswaelz / Pixabay

Die Sammlung der Alttextilien erfolgt zu 88 Prozent über Container und zu neun Prozent über Straßensammlungen; drei Prozent dieses Aufkommens steuern andere Quellen bei, beispielsweise Textilketten, die Altkleider gegen Einkaufsgutscheine eintauschen. Wie Frau Dube berichtete, beträgt die Sammelquote 75 Prozent. Was die Verwertungsquote angeht, so werden den Angaben zufolge 98 Prozent erreicht. 54 Prozent der Textilien sind für die Wiederverwendung als Second-Hand-Ware vorgesehen, und 38 Prozent gelangen in die stoffliche Verwertung (davon 21 Prozent als Putzlappen sowie 17 Prozent als Dämmmaterial und Faserstoffe, beispielsweise für Autoauskleidungen). Ein deutlich geringerer Anteil von sechs Prozent wird energetisch verwertet; beseitigt werden zwei Prozent, wobei es sich um Fremdstoffe handelt. Als Marktakteure fungieren gewerbliche Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger.

Wenn – gemäß der im Jahr 2018 novellierten Abfallrahmenrichtlinie der EU – in Europa ab 2025 gebrauchte Textilien getrennt gesammelt werden müssen, ist auch eine Novelle des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes erforderlich, um diese Vorschrift in deutsches Recht umzusetzen. Wie Frau Dube hervorhob, müsse ab 2025 in Deutschland mit einem weiteren Ansteigen der Sammelmengen gerechnet werden.

Da im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages die Evaluierung und verstärkte Nutzung von Recyclingpotenzialen relevanter Abfallströme, darunter Alttextilien, vereinbart wurde, entstand ein Forschungsvorhaben im Rahmen des Ressortforschungsplans des BMU. Innerhalb der Laufzeit (Juni 2019 bis Mitte Januar 2021) sollen unter anderem Potenziale für die Ressourcenschonung und Umweltentlastung durch verbesserte Erfassung und Verwertung ermittelt sowie Handlungsansätze für die Erschließung der Potenziale aufgezeigt werden. Dabei ist auch geplant, dass die an dem Projekt Beteiligten die Implementierung einer erweiterten Herstellerverantwortung für Alttextilien prüfen.

Dr.-Ing. Antje Eichler, Leiterin des Referats Umwelt im Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V., beschrieb die Initiativen der Branche für eine textile Kreislaufwirtschaft. Als Beispiele nannte sie Teppiche und Turnschuhe aus Meeresmüll, Funktionsunterwäsche aus Kaffeesatz, Visitenkarten aus alten T-Shirts, Blumenkübel aus alten Anzügen wie auch Stifte aus Jeansresten. 15 Forschungsinstitute erhalten ihren Angaben zufolge jährlich 1.300 Industrieaufträge, davon 800 von kleinen und mittelständischen Unternehmen. In diesem Zusammenhang betonte Frau Eichler, dass erfolgreiche Konzepte gute politische Rahmenbedingungen benötigen; das Kreislaufwirtschaftsgesetz müsse sie realisieren.

Deutsche Textil- und Modeunternehmen und Forschungseinrichtungen besäßen bereits ein großes Know-how und forschten an Systemen und Werkzeugen zur Unterstützung eines skalierten Kreislaufsystems, fasste die Vertreterin des Wirtschaftszweigs zusammen und begrüßte es, dass die Europäische Kommission großes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft im Textilsektor sieht und diese Bemühungen jetzt einen europäischen politischen Rahmen bekommen. Allerdings sei „Textil“ vielfältig und derzeit auch in andere Richtlinien/Verordnungen (wie Bauwesen, Spielzeug und Medizinprodukte) eingebettet. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Sektoren Textilien, Kunststoffe, Verbundmaterialien und Holz, sowie der Entsorgungs- und Logistikbranche hält sie für erforderlich, um ein Maximum an recycelten Materialien in neuen Produkten wiederverwenden zu können. Auch die Wiederverwendung von Bekleidung werde immer wichtiger. In diesem Zusammenhang stellt sich für Frau Eichler die Frage, ob die bisherigen regulativen Ansätze noch passen. Ihrer Meinung nach sollte eine intelligente Regulierung zukünftige Innovationen und Geschäftsmodelle ermöglichen und fördern. Klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten für jeden Akteur in der Wertschöpfungskette seien der Schlüssel dazu, um dies zu unterstützen.

Die derzeit bestehenden politischen Instrumente seien möglicherweise nicht optimal auf die Bedürfnisse der Branche abgestimmt, da sie aus einer linearen Wirtschaft hervorgegangen seien, so Dr.-Ing. Antje Eichler. Sie forderte, die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Textilbranche realistisch zu analysieren, zu bewerten und gemeinsam neue Wege zu denken. Damit die Kreislaufwirtschaft erfolgreich sein könne, müsse die Wirtschaftlichkeit jedes Akteurs in der Wertschöpfungskette erreichbar sein; andernfalls werde sich das lineare Geschäftsmodell durchsetzen.

Plädoyer für eine erweiterte Produzentenverantwortung

Wie aus der Präsentation von Agnes Bünemann, Geschäftsführende Gesellschafterin der cyclos GmbH, und Nicole Kösegi, Head of Business Development der Boer Group, hervorging, betrug im Jahr 2015 die globale Menge an gesammelten Textilien 14,3 Millionen Tonnen. Während in Europa derzeit ungefähr 2,7 Millionen Tonnen gesammelte Alttextilien anfallen, gehen Experten davon aus, dass sich die Menge in Zukunft auf 4,7 Millionen Tonnen erhöhen kann. Die sich durch die Mengensteigerung verändernde Qualität wird nach der Einschätzung Einfluss auf die Sammlung und Sortierung sowie das Recycling haben. Derzeit finanziert sich die Erfassung von Alttextilien über den Verkauf von noch markt- und tragfähigen Alttextilien. Es sei zu erwarten, dass dieses Modell zukünftig nicht mehr realisierbar sein wird, meint die GftZ. Ausgehend von der geschätzten Mengenerhöhung würden auch mehr Sortierkapazitäten im Umfang von etwa zwei Millionen Tonnen benötigt, was ungefähr 135 Anlagen entspräche. Die abzusehende Veränderung der Zusammensetzung von Alttextilien – etwa 40 Prozent Reuse (-15 Prozent), circa 50 Prozent Recycling (+ 10 Prozent) und rund zehn Prozent Entsorgung (+ 5 Prozent) – werde sich ebenfalls auswirken. Außerdem würden für etwa 1,3 Millionen Tonnen zusätzliche Recyclingkapazitäten benötigt, wobei auch wegen der Herausforderungen der Eingangsmaterialien (Fasermischungen, Qualität der Fasern sowie Farben/Chemikalien) neue Technologien erforderlich seien.

Foto: FWS GmbH

Die Gemeinschaft für textile Zukunft spricht sich deshalb für eine erweiterte Produzentenverantwortung für Textilien aus. Eine generelle Produzentenverantwortung beziehe sich auf die Lieferkette neuer Textilien und bedeute, dass Hersteller/Importeure für ihre Produkte in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Umweltverträglichkeit verantwortlich sind. Die erweiterte Verantwortung der Produzenten gehe weiter und erlaube, dass konkrete Vorgaben für die Verwertung und Finanzierung der erforderlichen Beträge gemacht werden können. Auf diese Weise ließe sich in Deutschland ein operatives System aufbauen, um die Kosten für Infrastruktur, Kommunikation, Fortbildung, Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Die Beträge sollen laut GftZ insbesondere die Lücke für den zusätzlichen Aufwand für ein hochwertiges Recycling schließen. Über das Prinzip einer erweiterten Produzentenverantwortung könnten zudem Vorgaben zum Design für recyclingfähige Textilien und den Einsatz von Recyclingfasern gemacht werden. Nur so ließen sich Recyclingtechnologien mit dem Ziel einer Fasergewinnung aus gebrauchten Textilien im industriellen Maßstab aufbauen. Außerdem müssten Hersteller sowie Entsorger und Recyclingunternehmen eng zusammenarbeiten.

In Deutschland gebe es eine hohe Flächendeckung bei der Erfassung gebrauchter Textilien, so die GftZ. Es existierten jedoch keine Vorgaben oder Anreize für Hersteller, ihre Waren recyclingfähig zu gestalten oder Fasern aus gebrauchten Textilien einzusetzen. „Daher sind entsprechende Rahmenvorgaben zur Umsetzung in individuellen oder kollektiven Lösungen gefragt“, unterstrich die Interessengemeinschaft in einer Pressemitteilung.

Die GftZ hat ein Diskussionspapier zu diesem Thema erarbeitet. Es kann unter www.textile-zukunft.de heruntergeladen werden.

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Die nachhaltige Nutzung von Textilien und die damit verbundene hochwertige Erfassung, Sortierung und Verwertung von Alttextilien – das sind die Ziele, welche die Gemeinschaft für textile Zukunft (GftZ) seit ihrer Gründung im Jahr 2014 verfolgt. Gesellschafter der Interessenvereinigung mit Sitz in Berlin sind Unternehmen, deren tägliches Geschäft die Erfassung, Sortierung, Verwertung und Vermarktung von Alt­textilien ist.

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(EU-Recycling 01/2020, Seite 12, von Brigitte Weber, Foto: FWS GmbH)

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