Wachstumstreiber in Russland: die Zellstoff- und Papierindustrie

Russlands Zellstoff- und Papierindustrie behauptet sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und investiert. Die Nachfrage nach Papier steigt und die Verkaufspreise sind hoch. Auch nimmt der Einsatz von Sekundärrohstoffen zu. Ab 2019 dürfen in Russland Karton- und Papierverpackungen nicht mehr auf Deponien entsorgt werden.

Die Produktion von Zellstoff stieg im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 4,2 Prozent auf 8,2 Millionen Tonnen. Im ersten Halbjahr 2017 legte sie um weitere 1,3 Prozent zu. Marktbeobachter erwarten, dass bis 2030 die weltweite Nachfrage nach Zellstoff aus Russland auf zehn Millionen Tonnen steigen wird. Aufgrund der hohen Auslastung der Werke haben die russischen Zellstoffhersteller Anfang 2017 ihre Preise erhöht. Der Export von Zellstoff blieb im Jahr 2016 stabil; pro Monat wurden etwa 180.000 Tonnen ausgeführt. Beliebt bei ausländischen Kunden ist halbgebleichte und gebleichte Zellulose. Größter Abnehmer ist die Volksrepublik China, wo sie weiter zu Papier und Kleidung verarbeitet wird.

China drängt auf den Markt

Chinesische Investoren drängen verstärkt auf den Markt und planen in der Region Krasnojarsk sowie im russischen Föderationskreis Ferner Osten den Bau neuer Werke zur Produktion von Zellstoff aus Weich- und Hartholz und von Viskosezellstoff. Die Firma China Paper beabsichtigt, ein Zellstoff- und Papierwerk in der Region Chabarowsk zu errichten. Im Jahr 2019 wird das Zellstoffkombinat Amazarsk, ein russisch-chinesisches Gemeinschaftsprojekt, in der Region Transbaikal mit der Verarbeitung von Holz beginnen. Der Start der Zellstoffproduktion ist für 2022 geplant.

RK-Grand hat angekündigt, seine Zellstoffproduktion in Karelien um 50 Prozent zu steigern. Ebenso das Unternehmen Ilim, das den Ausstoß der Standorte Bratsk und Ust-Iljimsk um 500.000 Tonnen erhöhen will. Auch soll eine neue Zellstoffproduktion in Ust-Iljimsk aufgebaut werden. In Sibirien investiert des Weiteren International Paper in ein sogenanntes Greenfield-Projekt. Zudem möchte das Unternehmen in die Verpackungssparte einsteigen. Das Zellstoffkombinat Archangelsk nimmt eine Produktionsverdreifachung auf 727.000 Tonnen bis 2025 in Angriff. Veranschlagte Kosten für die Modernisierung der bestehenden Anlage und den Bau einer neuen Kocherei: rund 190 Millionen Euro. Die zusätzlichen Kapazitäten sollen in den Export gehen, vor allem nach Europa.

Papierexporte: Hauptabnehmer ist Indien

Auch die russische Papierindustrie wächst, und die inländische Nachfrage nach Papiererzeugnissen entwickelt sich positiv. Vor allem Schulhefte, Papiersäcke und Fotoalben sind hier gefragt. Die Herstellung von Papier legte 2016 um 2,3 Prozent auf 5,2 Millionen Tonnen zu, darunter Offsetpapier mit einem Plus von 4,7 Prozent. Im ersten Halbjahr 2017 verzeichnete die Papierproduktion ein weiteres Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Produktion von Zeitungspapier sank im Jahr 2016 hingegen um 1,3 Prozent auf 1,5 Millionen Tonnen. Positive Ausnahme ist die Firma OAO Wolga, die dank einer neuartigen Technologie zur Zellstoffbleiche – mithilfe einer Reagenz auf Basis von Hydrosulfit – einen um sechs Prozent höheren Weißgrad erzielt und ihren Ausstoß von Zeitungspapier steigern konnte. Der Export von Papier belief sich 2016 auf eine Million Tonnen. Die Ausfuhren erfolgen aus den Zentren der Papierindustrie in Sankt Petersburg, von wo 523.000 Tonnen im Wert von 201 Millionen US-Dollar ins Ausland gingen, und der Region Perm mit 240.000 Tonnen im Wert von 91 Millionen US-Dollar. Hauptabnehmer ist Indien mit 410.000 Tonnen. Führender Exporteur ist die Firma Karelia Pulp, die 2016 mehr als die Hälfte der Ausfuhren tätigte. Die Segezha Group plant, ihre Produktion von qualitativ hochwertigem Papier im Jahr 2018 um 36 Prozent zu steigern. Das deutsch-russische Unternehmen Mayak-Technocell nahm Ende 2017 im Gebiet Pensa eine neue Maschine zur Herstellung von Papier für drei Milliarden Rubel (circa 44 Millionen Euro) in Betrieb. Damit sollen pro Jahr rund 40.000 Tonnen Papier und Fließtapeten produziert werden.

Überkapazitäten bei Wellpappe

Die Produktion von Pappe stieg im Jahr 2016 um 6,9 Prozent auf 3,3 Millionen Tonnen, die von Kraftliner um 5,2 Prozent auf 1,9 Millionen Tonnen. Im ersten Halbjahr 2017 wuchs der Ausstoß von Kraftliner um 0,5 Prozent, von Wellpappe (Rollen oder Blatt) um 2,7 Prozent und von Kartons aus Wellpappe um sechs Prozent. Für das Gesamtjahr 2017 erwarten Experten bei der Produktion von Wellpappe ein Wachstum um 3,5 bis 4,0 Prozent. Allerdings sind die Fertigungskapazitäten von Pappe größer als der Abnehmermarkt. Entsprechend herrscht ein Preiskampf, worunter die Qualität leidet. Die Hersteller wollen daher ihre Überkapazitäten exportieren.

Das Unternehmen Archbum will bis Ende 2018 eine zweite Produktionslinie für Verpackungen aus Pappe realisieren. Die Firma Master-PAK beabsichtigt, ab 2019 im Gebiet Pensa etwa 15 Millionen Quadratmeter ökologisch abbaubarer Wellpappe pro Monat zu produzieren. Das Unternehmen GofroPak plant, im Sonderentwicklungsgebiet (TOR) Togliatti dreischichtige Wellpappe und Kartons herzustellen. Die Verwaltung der Stadt Krasnodar prüft derzeit ein Investitionsprojekt zum Aufbau einer Produktion von Kartons aus Wellpappe für 1,2 Milliarden Rubel. Die Firma Kartontara (SFT Group) modernisiert ihre Anlagen zur Produktion von Makulatur und Wellpappe. Mit Investitionen von 316 Millionen Rubel soll der Ausstoß um das Dreifache auf zwölf Milliarden Rubel pro Jahr steigen. Finnische Investoren haben Interesse am Bau eines Werks zur Herstellung von Papierverpackungen in der Region Altai bekundet.

Wachsende Nachfrage nach Hygienepapier

Die Produktion von Papiersäcken verzeichnete mit einem ein Plus von 20,5 Prozent im Jahr 2016 den stärksten Zuwachs. Nicht imprägnierte Tüten machten 90 Prozent der Produktion aus. Einen großen Teil steuerte die Firma Segezha Packaging bei, die alleine 19 Prozent mehr Papiersäcke als im Vorjahr produzierte. Auch die Herstellung von Thermopapier für Schecks und Kassenbons steigt. Die Obyedinennaya Bumazhnaya Kompaniya eröffnete 2016 in Kaliningrad eine Produktion, um Einfuhren aus Deutschland, der Volksrepublik China, Südkorea und Finnland zu ersetzen und zehn Prozent des inländischen Bedarfs zu decken. Die wachsende Nachfrage nach Hygienepapier ist ein weiterer Treiber für die Papierverarbeitungsindustrie. Die Branche geht davon aus, dass bis 2030 der Verbrauch von Toilettenpapier um 2,5 Prozent zulegen wird. Der Anteil importierten Toilettenpapiers ist in den letzten sechs Jahren von 53 auf acht Prozent zurückgegangen. Auch der Bedarf an Schreibwaren wächst. Die Herstellung von Schulheften stieg in Folge der Förderung des Schulwesens durch die russische Regierung um 19,6 Prozent auf 923 Millionen Stück. Die SFT Group möchte die Qualität ihrer Verpackungen für die Lebensmittelbranche erhöhen. Mit einem Werk in Sankt Petersburg soll die Nordwestregion abgedeckt werden. In der Fabrik im Gebiet Twer ist ebenfalls ein Ausbau der Produktion geplant.

Papierhersteller gegen Druckgewerbe

Die hohen Zellstoffexporte verknappen das Angebot im Inland und sorgen so für höhere Preise für Papier. Dies macht russischen Verlagen zu schaffen, die ihrerseits versuchen, dies durch den Einsatz von Importprodukten auszugleichen. Vor allem qualitativ hochwertiges Papier wird vom Ausland bezogen. Im Jahr 2016 betrugen die Zölle für die Einfuhr von Zellstoff WTO-konform fünf Prozent. Im Interessenskonflikt zwischen der Papierindustrie und dem Druckgewerbe haben die Zellstoffproduzenten zurzeit die Nase vorn. Deutschland ist der wichtigste Lieferant von Druck- und Papiertechnik. Nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) stieg der Importanteil deutscher Maschinen von 27,9 Prozent im Jahr 2012 auf 35,6 Prozent im Jahr 2016, obwohl die Gesamtimporte an Druck- und Papiertechnik in diesem Zeitraum um fast 30 Prozent gesunken sind. Im Jahr 2016 verzeichneten die Einfuhren aus Deutschland einen leichten Rückgang auf rund 133 Millionen Euro.

Umweltschutz gewinnt an Bedeutung

Die Politik zur Importsubstitution wirkt sich auch auf die Papierindus­trie aus. In der Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft bis 2030 ist als eine der Prioritäten der Bau neuer Zellstoff- und Papierfabriken genannt. In den waldreichen Regionen Krasnojarsk und Chabarowsk sowie den Gebieten Irkutsk und Wologda sind neue Zellstoff- und Papierkombinate geplant. Die Verarbeitung von Sekundärrohstoff und Makulatur zu weniger hochwertigem Papier nimmt zu. Allerdings ist die Rohstoffbasis instabil, und wertvoller Rohstoff landet häufig auf Mülldeponien. Die Vereinigung der Verarbeiter von Makulatur hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Export von Makulatur zeitweise verboten wurde. Dadurch sank der Preis für diesen Rohstoff wieder. Zudem erreichte die Vereinigung, dass die Mehrwertsteuer für Makulaturprodukte abgeschafft wurde.

Bei der Zellstoff- und Papierproduktion werden Umweltaspekte immer wichtiger. Die gesetzlichen Anforderungen zur Verringerung der Wasserverschmutzung sind hoch. Die Aufsichtsbehörde Rosprirodnadzor erweiterte am 20. Juli 2017 ihren Abfallkatalog. Ab 2019 ist es verboten, Karton- und Papierverpackungen auf Deponien zu entsorgen. Russlands Präsident Wladimir Putin fordert zudem, dass die Verschmutzungen durch die Zellstoff- und Papierfabrik in Irkutsk am Baikalsee bis 2020 beseitigt werden müssen.

Verfasser: Hans-Jürgen Wittmann, Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 02/2018, Seite 24)

Anzeige