Recyclingbeton noch ohne Marktdurchdringung

Recycling-Standardbetone bis Festigkeitkeitsklasse C25/30 sind größtenteils für die Verwendung im Hochbau geeignet. Seit annähernd 20 Jahren belegen vielbeachtete Praxisbeispiele, dass deren Einsatz möglich ist. Dennoch lässt sich noch keine Marktdurchdringung beobachten, kritisierten Experten wie Thomas Hoffmann und Heinrich Feeß im Rahmen der Recycling-Technik am 7. und 8. November in Dortmund.

Laut Thomas Hoffmann, Referent für Wirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie, dreht es sich dabei um ein Potenzial von 26 Millionen Tonnen an Recyclingbeton-Material. Dabei stehen an RC-Beton Typ 1 (Mischungsverhältnis 90 Prozent Beton und Gesteinskörnung zu zehn Prozent Klinker und Ziegel) rund 19,5 Millionen Tonnen und an RC-Beton Typ 2 (Recyclinggemisch im Verhältnis 70:30) rund 14 Millionen Tonnen zur Verfügung.

2014 fielen in Deutschland rund 200 Millionen Tonnen an mineralischen Bauabfällen an, davon 54,6 Millionen Tonnen an Bauschutt. Davon wurden 3,4 Millionen Tonnen beseitigt; die Verwertungsquote von 93,8 Prozent ergibt sich aus 42,5 Millionen Tonnen (77,8 Prozent) aus Recycling und 8,7 Millionen Tonnen (16,0 Prozent) aus sonstiger Verwertung. Das Potenzial an Recycling-Gesteinskörnung für die ausschließliche Verwendung im Transportbeton ist zurzeit auf rund acht Millionen Tonnen begrenzt.

Flexiblerer und höherer Einsatz gefordert

Die Menge an rezyklierten Gesteinskörnung in der Betonherstellung könnte größer sein, stünden dem nicht mehrere Hemmnisse im Wege. So darf beispielsweise feines rezykliertes Material kleiner/gleich zwei Millimeter nicht eingesetzt werden. Es wird bei unbekannter Herkunft, was häufig vorkommt, als so Alkali-empfindlich eingestuft, dass es nur eingeschränkt Verwendung findet. Ebenfalls ist der Einsatz von rezyklierter Gesteinskörnung aus Frischbetonrecycling auf fünf Massenprozent limitiert. Unsicherheiten in der Zulieferung lassen Mengenschätzungen des verfügbaren Materials nur bedingt zu. Außerdem sind weitere Investitionen in die Lagerkapazitäten der Transportbeton-Werke unumgänglich. Daraus resultiert nach Ansicht von Thomas Hoffmann insgesamt eine unzureichende Akzeptanz und ein schlechtes Image für diese Art von Abfällen. Der BDT-Experte fordert daher einen flexibleren Einsatz von rezyklierter Gesteinskörnung in der Betonherstellung: Es müsste jederzeit möglich sein, das Material zu verwenden, anstelle nach Vorgaben und Verordnungen zu agieren. Zudem müssten für die Frischbetonherstellung höhere Recyclinganteile zugelassen werden. Da Recyclingbeton bei kurzen Transportwegen hinsichtlich Ökobilanz mit natürlichem Kies mithalten könne und eine Überlastung bisheriger Verwertungswege minimiere, könnte sich – unterstützt durch eine Nachhaltigkeitsinitiative – auch das Image des Materials verbessern lassen.

Mehr Recyclingbeton ausschreiben

Walter Feeß ging in seinem Vortrag auf dem Urban Mining Kongress am 8. November in Dortmund noch deutlich weiter. Aus seiner Perspektive als Baurecycling-Unternehmer summieren sich jährlich über 200 Millionen Tonnen an mineralischen Abfällen, die verwertet werden könnten und nicht auf Deponien enden müssten. Kies und steinhaltiges Material sei beispielsweise zu 90 Prozent wieder einsetzbar, und auch Sand werde unterschätzt. Der engagierte Recyclingbefürworter und Träger des Deutschen Umweltpreises 2018 tritt auch für einen verstärkten Einsatz von recyceltem Beton-Splitt in der Festigkeitsklasse RC 30/37 ein, der 35 Prozent Zuschlag in Typ 1 und 30 Prozent Zuschlag in Typ 2 erlaubt: „Wir müssen mehr Recyclingbeton Typ 2 ausschreiben; das ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll!“ R-Beton besitze mindestens gleiche Eigenschaften wie Ortbeton und benötige bei der Herstellung die vergleichbare Menge an Zement. Darüber hinaus ist Walter Feeß davon überzeugt, dass bis zu 40 Baustoffe recycelt und 100 Millionen Lkw-Kilometer sowie Millionen Tonnen an CO2 eingespart werden könnten. Doch während sein Unternehmen an zwei Standorten mittlerweile über 30 verschiedene Recyclingprodukte herstellt und anbietet, wüssten seiner Ansicht nach „80 Prozent der Architekten nicht, was man mit RC-Baustoffen anfangen soll“. Feeß` Credo steht fest: „Es gibt keinen Grund, Recyclingbeton nicht zu nehmen, aber 1.000 Gründe, es zu tun.“ Doch während man in der Schweiz R-Beton in Ausschreibungen verankert habe, fungiere die öffentliche Hand in Deutschland lediglich als „Bedenkenträger“.

Investieren statt für Entsorgung zahlen

Feeß fordert daher eine positivere Einstellung der Baubranche gegenüber RC-Produkten, schlägt Weiterbildungen durch Seminare vor, plädiert für weitere Pilotprojekte und macht sich für mögliche zusätzliche Substitution durch Qualitäts-RC-Baustoffe stark. Als politische Maßnahme postuliert er die Änderung von Flächennutzungsplänen zugunsten von Behandlungsflächen für Bauabfälle, die in städtischen Randgebieten mit zehn bis 20 Kilometern Abstand und Größen zwischen 12.000 und 15.000 Quadratmetern angelegt werden. Hier könnten die Materialien in Stadtnähe an Ort und Stelle verarbeitet und auf kurzen Transportwegen zurückgebracht und wiederverwertet werden. Und er gibt zu bedenken, dass anstelle der Zahlung von Entsorgungskosten in Höhe von 20 bis 25 Euro pro Tonne Altbeton dieses Geld in die Hand genommen werden könnte, um in Recyclingbeton als Zuschlagstoff zu investieren.

Foto: bvse

(EU-Recycling 01/2019, Seite 26)