Frankreich will mehr Branchen zum Recycling motivieren
Die französische Regierung will auch Anbieter von Spielzeug, Sport- und Freizeitartikeln sowie von Heimwerker- und Gartenbedarf dazu verpflichten, das Recycling ihrer Produkte zu übernehmen oder dafür zu zahlen. Rund 50 Maßnahmen sind für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft geplant. Elf große Handelsketten und Lebensmittelkonzerne haben sich dazu verpflichtet, Kunststoffverpackungen zu vermeiden oder sie wiederzuverwerten.
In Frankreich entfielen im Jahr 2017 von rund 573 Kilogramm Hausmüll pro Person etwa 160 Kilogramm auf Branchen, die gesetzlich zum Recycling verpflichtet sind. Weitere 200 Kilogramm waren organische Abfälle, die restlichen 200 Kilogramm entfielen auf andere Produkte. Landesweit müssen derzeit 14 Branchen (filières de responsabilités élargies des producteurs) entweder das Recycling ihrer Produkte selber organisieren oder dafür eine Abgabe (éco-contribution) an akkreditierte Recyclingunternehmen (éco-organismes) entrichten. Die Recyclingunternehmen wiederum zahlen den Gemeinden einen Beitrag für die Müllsammlung, falls die Stoffe aus dem Hausmüll kommen. Für gebrauchte Kfz gibt es keine éco-organismes. Hier ist die Wiederverwertung angeblich so rentabel, dass keine Abgabe erhoben wird. Bei den 200 Kilogramm Hausmüll, der 2017 auf andere Produkte entfiel, plant die französische Regierung, das Recycling auszuweiten und dabei mehr Branchen in die Pflicht nehmen. Damit will sie dem Ziel näher kommen, bis 2025 die gesamten Kunststoffabfälle wieder zu verwerten und die Mengen, die auf Mülldeponien landen, zu halbieren.
1,5 Millionen Fahrräder landen jährlich im Müll
Bereits am 27. Juni 2018 begannen Konsultationen zwischen der Regierung, der Recyclingbranche und Anbietern von Spielzeug, Sport- und Freizeitartikeln sowie Heimwerker- und Gartenbedarf. Dabei soll ausgelotet werden, wie sich die Produktbereiche abgrenzen lassen, wie die Abfälle gesammelt, behandelt und wiederverwertet werden können und wann das geschehen soll. Die Regierung spricht unter anderem von 1,5 Millionen Fahrrädern und 75.000 Tonnen Spielzeug, die jährlich im Müll landen. Etwa fünf Prozent des Hausmülls sei außerdem Heimwerkerbedarf. Die Abgabe an ein éco-organisme oder die selbstorganisierte Wiederverwertung würde auch deutsche Anbieter in Frankreich treffen.
Ausweitung auf weitere Sektoren in der Diskussion
Für andere Branchen sollen zunächst freiwillige Selbstverpflichtungen gelten. In einem am 23. April 2018 vorgestellten Fahrplan für die Kreislaufwirtschaft (Feuille de route économie circulaire) werden neben Bauschutt nur Zigaretten explizit genannt. Ein Expertenbericht benennt darüber hinaus noch weitere Branchen, für die eine Recyclingverpflichtung erwogen wird. Dazu gehören Motoröle, Speiseöle sowie Verpackungen im Hotel- und Gastgewerbe. Bei Mobiltelefonen sollen finanzielle Anreize für eine Rücknahme und ein stärkeres Recycling geprüft werden.
Ferner werden in einer Studie Möglichkeiten untersucht, das Recycling von Bauschutt auszuweiten. Dies könnte etwa durch die Anpassung von Bauvorschriften geschehen. Das französische Unternehmen Poullard zum Beispiel bietet seit Mitte 2017 recycelten Beton an. Dieser kann im Neubau bei tragenden Bauelementen nur zu 30 Prozent zum Einsatz kommen. Die Nachfrage wächst nach Angaben der Firma trotzdem stark. Poullard will Baufirmen ebenfalls die Nutzung einer mobilen Recyclinganlage anbieten. Lokal erzeugter Recyclingbeton sei gegenüber herkömmlichem Beton bereits wettbewerbsfähig, wenn Baustellen wie etwa in Paris weit von Steinbrüchen entfernt liegen, berichtet Firmenchef Stéphane Poullard.
Fünf-Jahres-Pläne ausarbeiten
In den Branchen, in denen bereits eine gesetzliche Recyclingverpflichtung besteht, will die Regierung laut Fahrplan die Kontrolle und die finanziellen Sanktionen verschärfen. Allerdings werden kaum konkrete Maßnahmen genannt. Nach Schätzungen der Regierung werden jedes Jahr 500.000 Autowracks illegal exportiert oder zerlegt. Kfz-Versicherungsnehmer sollen künftig ein Zertifikat über die ordnungsgemäße Verschrottung vorlegen müssen, um im Falle eines Unfalls oder Totalschadens den Schaden von der Versicherung erstattet zu bekommen. Darüber hinaus wird die Suche nach illegalen Schrottplätzen verstärkt.
Recyclingunternehmen sollen Fünf-Jahres-Pläne ausarbeiten, die Ziele für mehr Recycling und eine umweltgerechtere Produktgestaltung (éco-conception) enthalten, etwa durch eine Rückführung der Verpackungsmengen oder eine Einbeziehung von mehr wiedergewonnen Stoffen. Dabei sollen den Unternehmen stärkere Anreize geboten werden. Unternehmen erhalten bereits Nachlässe bei den erhobenen Abgaben (éco-contribution), wenn sie etwa auf einer Verpackung angeben, wie diese richtig entsorgt wird. Mit dem Recyclingunternehmen Citeo und der Industrie entwickelt die Regierung ein Anreizsystem. Bei einer Nutzung von mehr recycelten Materialien könnte etwa künftig ein Nachlass gewährt werden. Falls ein gewisser Anteil nicht erreicht wird, könnte aber auch eine höhere Abgabe fällig werden.
Öffentliche Hand soll mehr recycelte Produkte kaufen
Der Fahrplan für die Kreislaufwirtschaft umfasst neben der Förderung des Recyclings weitere wichtige Vorhaben. So sollen Industrieanlagen, die Kunststoffpartikel ausstoßen, bis 2022 mit Filtern ausgestattet werden. Außerdem will die Regierung bei öffentlichen Beschaffungen mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Produkte, die recycelte Materialien enthalten, einkaufen. Staatliche Institutionen sollen ab 1. Januar 2022 zu 50 Prozent recyceltes Papier nutzen. Ebenfalls erwägt die öffentliche Hand den Kauf von reparierten Reifen und Mobiltelefonen. Die Regierung plant mit dem Recyclingunternehmen Citeo erste Pilotprojekte für ein Rücknahmesystem für Dosen und Flaschen. Dabei zahlen die Verbraucher beim Einkauf keinen Pfand. Bei Rückgabe ist aber eine Prämie vorgesehen, die gemeinnützigen Vereinen zugutekommen soll.
Die Qualität der Mülltrennung durch Privatpersonen gilt in Frankreich als sehr schlecht und soll die Recyclingunternehmen pro Jahr Millionenbeträge für die nachträgliche Trennung kosten. Daher ist angedacht, dass die Gebietskörperschaften verstärkt über die Müllabgaben der Haushalte (redevances d‘enlèvement des ordures ménagères) Anreize für eine Reduzierung und bessere Trennung von Abfällen schaffen. Fallweise wird dies in Frankreich bereits praktiziert. So wird in der Stadt Besançon seit 2012 der Restmüll zum Teil nach Gewicht und Anzahl der Säcke abgerechnet, womit gute Erfahrungen gemacht worden sind. Der Zentralstaat will künftig mehr Anreize für Recycling bieten, unter anderem durch Steuererleichterungen für Städte. So entrichtet zum Beispiel eine Stadt acht Prozent der Müllsteuer TEOM (taxe d‘enlèvement des ordures ménagères) an den Zentralstaat. Diese will die französische Regierung in den ersten drei Jahren nach Einführung des Recyclingsystems auf drei Prozent senken.
Abkommen über Kunststoffverpackungen
Die französische Regierung hat mit elf großen Handelsketten und Lebensmittelkonzernen sowie mit zwei Nichtregierungsorganisationen am 21. Februar 2019 ein Abkommen über Kunststoffverpackungen (pacte national sur les emballages plastiques) geschlossen. Die Firmen Carrefour, Auchan, Groupe Casino, Système U, Coca Cola Europe, Danone, Unilever, L‘Oréal, Nestlé France, Laiterie de Saint Denis de l‘Hôtel (LSDH) und Bouvard verpflichten sich, Kunststoffverpackungen zu vermeiden oder sie wiederzuverwerten. Im Gespräch ist, auch E-Commerce-Firmen wie Amazon zu Verpackungsabgaben zu verpflichten. Bis 2022 soll die Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen 60 Prozent betragen. Derzeit liegt die Quote durchschnittlich bei etwa 26 Prozent. Doch es gibt große Unterschiede: Die Quote reicht von 55 Prozent bei Flaschen bis weniger als ein Prozent bei Plastikfolien, Bechern und Schalen. Bis 2025 wollen die Firmen bei ihren Verpackungen 30 Prozent Rezyklate einsetzen. Im Abkommen wird präzisiert, dass es sich bei den 60 Prozent um einen Durchschnittswert über alle Kunststoffsorten handelt. Dabei hängt der jeweilige Anteil bei einzelnen Kunststoffarten von der Verfügbarkeit von recyceltem Material ab. Zudem müssen bis 2025 alle Verpackungen so hergestellt werden, dass sie voll wiederverwertbar oder erneut nutzbar sind. Die Firmen haben zugesagt, für Produkte, bei denen das noch nicht der Fall ist, Geschäftsmodelle für Recycling, Wiederverwendbarkeit oder einen Verkauf ohne Verpackung zu entwickeln und zu testen. Dabei sollen jährlich drei Innovationen entwickelt, getestet und wenn möglich umgesetzt werden. Als erster Schritt werden Kunststoffe identifiziert, für die das Recycling problematisch oder nicht praktikabel ist, weil es zum Beispiel keine technische Möglichkeit für eine Verwertung gibt. Bis 2022 darf Polyvinylchlorid (PVC) nicht mehr für Haushalts- oder Industrieverpackungen verwendet werden. Bis 2025 folgen andere, als problematisch eingestufte Kunststoffe, darunter EPS.
Anreize für recyclingfähige Produktgestaltung
Die Organisationen World Wide Fund for Nature (WWF) und Fondation Tara, die ebenfalls das Abkommen unterzeichnet haben, kontrollieren zusammen mit der Regierung, ob die Verpflichtungen eingehalten werden. Ab 2021 müssen die Firmen jährlich ihren Fortschritt anhand der Zielvorgaben dokumentieren. Andere Nichtregierungsorganisationen äußerten sich nach Abschluss des Abkommens enttäuscht darüber, dass die Vereinbarung lediglich eine Selbstverpflichtung der Unternehmen darstellt und keine rechtlich bindenden Zielvorgaben macht. Nach Aussagen der Staatssekretärin im Ministerium für Ökologischen und Solidarischen Wandel (ministère de la transition écologique et solidaire), Brune Poirson, wird die Regierung Sanktionen anwenden, wenn das Abkommen nicht eingehalten wird. Bereits im Wahlkampf 2017 versprach Präsident Emmanuel Macron, bis 2025 alle Kunststoffe einer Wiederverwertung zuzuführen. Staatssekretärin Poirson kündigte außerdem die Einführung eines Anreizsystems für die recyclingfähige Gestaltung von Produkten an: Unternehmen werden für Verpackungen, die leichter wiederzuverwerten sind, geringere Abgaben zahlen müssen als für komplizierter recycelbare. Im Gespräch ist auch, E-Commerce-Firmen wie Amazon zu Verpackungsabgaben zu verpflichten.
Die Regierung will bis Sommer 2019 ein Gesetz zur Kreislaufwirtschaft (Loi pour une économie circulaire et une meilleure gestion des déchets) vorstellen. Mit diesem Gesetz wird eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union vom Mai 2018 umgesetzt. Ein erster Gesetzesentwurf, der im Januar 2019 bekannt wurde, ermächtigt die Regierung, die Verpflichtungen durch Verordnungen festzulegen.
Die 50 Maßnahmen des Fahrplans für die Kreislaufwirtschaft sind in französischer Sprache unter folgendem Link abrufbar www.ecologique-solidaire.gouv.fr/sites/default/files/Feuille-de-route-Economie-circulaire-50-mesures-pour-economie-100-circulaire.pdf. Weitere Informationen zu Frankreich unter www.gtai.de/frankreich.
Verfasser: Peter Buerstedde, Quelle: Germany Trade & Invest, Foto: Marc Weigert
(EU-Recycling 05/2019, Seite 22)