Recyclingbaustoffe billiger oder Primärbaustoffe teurer machen?

Eine Primärbaustoffsteuer verteuert Baustoffe, die aus Neumaterial hergestellt wurden. Sie hilft nicht nur, den Einsatz von Primärbaustoffen zu verringern, sondern macht auch auf diese Weise Recyclingbaustoffe wettbewerbsfähiger. Ein jetzt erschienenes Positionspapier des Umweltbundesamtes verdeutlicht die Vorteile.

Schätzungen gehen davon aus, dass der künftige Bedarf für aufbereitete Abbruchabfälle im Straßen-, Gleis- und Tiefbau sinken und damit ihre Verwendungsmöglichkeiten schwinden werden. Zwar erscheint für das Jahr 2015 die Verwertungsquote von Bauabfallstoffen mit 92,2 Prozent sehr hoch; sie resultiert jedoch zu einem nennenswerten Teil aus downgecycelten, wenn auch hochwertigen Hoch- und Tiefbau-Stoffen, die ohne wirklichen Bedarf im Straßen-, Wege-, Landschafts- oder Deponiebau verwertet oder in Gruben verfüllt wurden. Der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e. V. bezifferte 2016 den wertmäßigen Anteil des Baustoffrecyclings an der Baustoff-, Steine- und Erden-Produktion auf lediglich 0,5 Prozent.

Recyclingbaustoffe wettbewerbsfähiger machen

Zur Steigerung der Absatzquote und der effizienteren Nutzung von recycelten Bau- und Abbauabfällen sind daher neue Maßnahmen und Instru­mente erforderlich. Hierzu zählen beispielsweise die Förderung kompakter Bauweisen, die nachhaltige Verwendung des Gebäudebestandes sowie die Nutzung von Sanierungspotenzialen für bestehende Gebäude, um unnötigen Abrisss und Neubau zu verhindern. Die Steuer auf Primärbaustoffe gehört ebenso zu diesen Maßnahmen. Nach Ansicht des Umweltbundesamtes verteuert sie Baustoffe, „die aus Primärmaterial hergestellt wurden und macht auf diese Weise Recyclingbaustoffe wettbewerbsfähiger. Über eine entsprechende Verwendung der entstehenden Steuereinnahmen kann diese Lenkungswirkung noch verstärkt werden.“

Die Abgabe kann der Hersteller oder Importeur von Primärbaustoffen über den Preis direkt an die Nutzer oder Verbraucher weitergeben. Durch die Verteuerung der Primärbaustoffe werden die Sekundärbaustoffe preislich attraktiver, was die Nachfrage nach ihnen verstärkt. Neben der Signalwirkung der neuen Steuer bewirkt sie tendenziell Investitionen in alternative Rückgewinnungsmethoden und befördert Innovationen in ein besseres Recycling. Allerdings – schränkt das UBA-Papier ein – sollte die Abgabe auf solche Baumineralien angewandt werden, „die sich durch Recyclingmaterialien substituieren lassen und bei denen eine Verbesserung der Recyclingrate und höherwertiges Recycling möglich sind.“

Für Baukies, Bausand und Naturgips

Das trifft insbesondere auf Baukies, Bausand und Naturgips zu. Die für diese Materialien vorgesehene Verbrauchsteuer könnte als Mengensteuer pro Tonne erhoben werden. Diese hätte den Vorteil, unabhängig von der Entwicklung der Rohstoffpreise zu sein, klare Preissignale zu setzen und eine höhere Planungssicherheit für die Akteure im Baustoff- und Recyclingmarkt zu schaffen.

Der Steuersatz sollte dabei eine verlässliche und ausreichende Preisdifferenz zwischen Primär- und Sekundärbaustoffen ausmachen, um Anreize für Investitionen in Recyclingtechnologien zu garantieren, gleichzeitig aber auch an den Baupreisindex gekoppelt werden. Für Baukies und Bausand gibt das UBA einen Steuersatz von 3,00 Euro pro Tonne vor. Für Naturgips wird der gleiche Erhebungssatz veranschlagt, aber eine spätere Evaluation mit möglicher Preisanpassung vorgesehen, da die Besteuerungswirkung schwierig zu prognostizieren ist. Außerdem ist die quantitative Bedeutung dieses Baustoffs geringer.

Nachfrage nach Hochbau-Kies decken

Eine Potenzialberechnung kommt zu dem Ergebnis, dass jährlich in Deutschland zwischen 50 und 44 Millionen Tonnen an Bauschutt anfallen. Erfasst, aufbereitet und für die weitere Verwendung geeignet, resultieren daraus rund 11,2 Millionen Tonnen an Recyclinggesteins-Körnung für einen Betoneinsatz im Hochbau. Davon könnten 7,8 Millionen Tonnen gezielt den Bau-Bedarf und 12,5 Prozent der Nachfrage nach Hochbau-Kies decken; dieser Anteil könnte aufgrund demografischer Änderungen bis 2050 auf 25 Prozent des deutschen Kiesbedarfs anwachsen. Das Öko-Institut errechnete, dass durch die Primärbaustoffsteuer und andere Maßnahmen die Nachfrage nach Primärkies bis 2049 auf die Hälfte gedrosselt werden könnte. Deutschland stünde mit der Primärbaustoffsteuer nicht alleine da. Alleine Gesteinskörnungen werden bereits in 16 EU-Staaten versteuert. In Italien und der Tschechischen Republik liegt die Abgabe bei lediglich 0,20 bis 0,30 Euro beziehungsweise rund 0,10 Euro, was aber noch keine Schlüsse auf Nachfrage-Steigerungen zulässt. Die in Großbritannien seit 2002 erlassene „Aggregates Levy“ auf Sand, Kies und Schotter von umgerechnet 2,35 Euro pro Tonne und die schwedische Kiessteuer in Höhe von 1,35 Euro pro Tonne werden bereits explizit zur Reduktion des Primärrohstoff-Verbrauchs erhoben.

In Deutschland würde sich – beim vorgeschlagenen Steuersatz von 3 Euro pro Tonne für etwa 250 Millionen Tonnen im Inland gewonnener Primärbaustoffe – ein Steueraufkommen in der Größenordnung von 750 Millionen Euro ergeben, davon etwa 15 Millionen Euro aus der Besteuerung von Naturgips. Es sollte nach Ansicht des Umweltbundesamtes genutzt werden, „um das Baustoffrecycling gezielt zu unterstützen, ressourceneffizientes Bauen zu fördern und die Baustoffgewinnung effizienter und umweltschonender zu gestalten.“ Auf diese Weise könnte eine Primärbaustoffsteuer zusätzlich zu Ressourcenschonung und Entlastung der Umwelt beitragen, ist das Umweltbundesamt überzeugt.

Verwendet würden die Mittel zur Verbesserung der Akzeptanz von Recyclingbaustoffen, zur Förderung der Marktdiffusion dieser Materialien, zur Weiterentwicklung der bestehenden Qualitätsanforderungen zur Güteüberwachung, für notwendige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, zur Förderung ressourceneffizienten Bauens, zur Förderung der umweltschonenden Gewinnung von Primärbaustoffen sowie für Möglichkeiten zum Ausgleich finanzieller Belastungen von Länder und Gemeinden.

Das „Positionspapier zur Primärbaustoffsteuer“ kann unter www.umweltbundesamt.de/publikationen/positionspapier-zur-primaerbaustoffsteuer beim Umweltbundesamt heruntergeladen werden.

(EU-Recycling 10/2019, Seite 4, Foto: O. Kürth)

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