ICBR 2019: Ist die Batterie­recycling-Branche fit für die Zukunft?

Der europäische Batteriemarkt wird bis 2025 schätzungsweise um den Faktor 4 bis 10 wachsen. Die Hauptgründe dafür sind in der steigenden Elektromobilität und einer zunehmenden Energiespeicherung zu suchen. Welche Konsequenzen das für die Recyclingbranche haben wird, versuchten die Vorträge des 24. Internationalen Batterierecycling-Kongresses am September 18. und 19. September im französischen Lyon zu ergründen.

In seiner Grundsatzrede legte Christophe Pillot (Avicenne Energy, Frankreich) die Trends offen, die den Markt für wiederaufladbare Batterien in den nächsten Jahren bestimmen werden. Zwar haben Bleiakkus bislang mit 70 Prozent den höchsten Marktanteil, doch verdoppelten sich die Energiekapazitäten von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) in den letzten vier Jahren und weisen den stärksten Zuwachs und Hauptanteil an Investitionen auf. Bis 2025 wird mit einem Aufkommen von über 5,5 Milliarden LIB-Zellen gerechnet. Bis 2030 sollen 1 kWh-Batterien in 35 Millionen Hybrid-Elektrokraftfahrzeugen, 12 kWh-Akkus in rund 7,5 Millionen Plug-in-Hybriden und 13,8 kWh-Zellen in Elektrofahrzeugen verbaut sein. Von 2015 bis 20130 wird für alle LIB-Typen von einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 26 Prozent bei der elektrischen Leistung, von 20 Prozent bei den Mengen und von 18 Prozent beim Marktwert ausgegangen.

Ghislain Lescuyer (Saft, Frankreich) machte auf den weltweit steigenden Bedarf an erneuerbaren Energien aufmerksam und darauf, welche Notwendigkeit für deren Speicherung beispielsweise in Dänemark, Frankreich und Spanien besteht. Nach Lescuyers Darstellung wird der Markt für Energiespeicher-Lösungen (Energy Storage Solutions, kurz ESS) mit hauptsächlich Lithium-Ionen-Batterien bis 2030 um jährlich 23 Prozent auf 90 Gigawattstunden (GWh) steigen, während der Batteriepreis pro Kilowattstunde von heute rund 200 auf 70 US-Dollar im Jahr 2030 fallen wird. Allerdings sei die Wertschöpfungskette für LIB-Recycling aufgrund ihres Gewichts, ihrer Einsatzorte, ihrer Demontage und ihrer chemischen Zusammensetzung sehr spezifisch im Vergleich zu anderen Batterien.

Das „smart island“ Projekt

Je höher die Ressourceneffizienz beim Batterierecycling, desto größer ist der zusätzliche Nutzen, demonstrierte Jean-Denis Curt (Renault-Gruppe, Frankreich). Nach dem Einsatz von Recyclingplastik in Neuwagen und der Verwendung der Batteriemineralien bei der Herstellung neuer Aggregate stellt die Nutzung verschiedener Materialien wie Kupfer, Platingruppen-Metalle und Textilfasern eine zweite Stufe dar. Es folgen die Wiederaufbereitung und der Wiederverkauf von Ersatzteilen. Mit der Batterie-Reparatur und ihrer Zweitverwertung sowie ihrem Einsatz in neuen mobilen Dienstleistungen werde die Lebensdauer des Produkts schließlich ausgeweitet und optimiert. Als Beispiel für den Zweiteinsatz von Batterien, die noch 70 bis 75 Prozent ihrer Ursprungskapazitäten besitzen, gilt das „smart island“ Projekt im portugiesischen Porto Santo. Hier soll zunächst eine Aufladestation für 20 Elektrofahrzeuge entstehen, in Phase 2 Energie für zwei Elektrobusse im Stromnetz geliefert werden, und in Phase 3 sieht man der Speicherung von Strom aus unterschiedlichen zeitweiligen Quellen entgegen. Nach Darstellung von Jean-Denis Curt wird im nächsten Jahr das bislang größte stationäre Energiespeicher-System für gebrauchte Elektrofahrzeug-Batterien in Europa die Arbeit aufnehmen: Bis zu 2.000 solcher Akkus werden an drei Standorten in Frankreich und Deutschland tätig sein, bei einer Leistung von 70 MW und einer Ladekapazität von 60 MWh.

Norwegen: E-Fahrzeuge begünstigt

Die Session Länderporträts eröffneten Frédéric Hédouin (Corepile, Frankreich), Emmanuel Toussaint Dauvergne (Screlec, Frankreich) und Frédéric Sanchez (Recy‘stem Pro, Frankreich). Sie stellten klar, dass ihre Unternehmen mit Unterstützung von Recy‘stem Pro in Frankreich eine Sammelquote von 46,7 Prozent der auf den Markt gebrachten Batterien erwirtschaften und 14.500 Tonnen erfassen und zu über 75 Prozent recyceln. Als Zulieferer fungieren vor allem Elektro(nik)schrott-Demonteure und -Sammler (31 Prozent), kommunale Sammelstellen (31 Prozent) sowie Einzelhandels-Einrichtungen (34 Prozent); die Sammelquote soll seit 2013 von 34,1 Prozent auf 46,7 Prozent gestiegen sein. Das Netzwerk umfasst 60.000 Läden, Kommunen, Fachleute, Gesellschaften, Verwaltungen und Schulen. Corepile und Screlec sollen als Nummer 2 in Europa gelten.

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Norwegen ist das Land mit den meisten Elektrofahrzeugen im Vergleich zur Einwohnerzahl, ließ Guro Kjørsvik Husby (Norsirk, Norwegen) wissen. Der Grund: E-Fahrzeuge werden bei Anmeldegebühr, Mehrwertsteuer, Versicherung, Parkgebühren und Aufladung begünstigt. Die Entsorgung solcher Fahrzeuge und auch Hochspannungsanlagen übernimmt der Batteriretur-Standort Sandefjord; eine größere Anlage in Fredrikstad ist vorgesehen. Zu den Zielen des Forschungsprojekts Libres gehört die Entwicklung einer Pilotanlage zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien; sie soll genügend Kapazität besitzen, um 2025 die anfallenden kommunalen Mengen Norwegens zu behandeln. Das Batman-Projekt und der Eyde Cluster befassen sich mit der Wiederverwendung und dem Recycling von Batteriematerialien.

Russland plant 100 Prozent Recyclingquote

Zu den Länderporträts zählt im Grunde auch der Vortrag von Vladimir Matsyuk (Megapolis Resource, Russland). Das Unternehmen, das er vertritt, konzentriert sich auf die Behandlung von Elekro(nik)schrott, Röntgenfilmen und anderen speziellen Industrieabfällen, hat aber als erste Gesellschaft in Russland eine Batterierecycling-Linie eröffnet. Die Sammlung von Batterien stieg seit 2013 von rund zehn auf über 400 Tonnen, die Zahl der Sammelstellen von 22 auf über 2.400 im ersten Halbjahr 2019, davon 2.235 im Einzelhandel. Die Typenpalette besteht zu 93,4 Prozent aus Nickel-Metallhydrid-Batterien. Allerdings hat sich die Behandlung des Sammelgutes im Laufe der Jahre verändert. 2013 wurde das Batterierecycling durch Hydrometallurgie erweitert; die Effizienz bei der Verwertung von Mangan-Zink-Batterien erreichte 86 Prozent. 2017 kam die Elektrolyse hinzu, was die Verarbeitungseffizienz auf 94,4 Prozent steigerte. Momentan werden in Russland zwei Prozent der Batterien recycelt, aber „die Regierung möchte die Sammlung in den kommenden Jahren auf 100 Prozent erhöhen“.

In der Session „Transport und Sicherheit“ deckte Gerge A. Kerchner (Portable Rechargeable Battery Association, USA) Probleme bei der Beförderung von neuen, aufgearbeiteten oder als Abfall geltenden Lithium-Ionen-Batterien auf. Zwar gelten für alle die UN38.3-Tests, verschiedene Herstellungskriterien, bestimmte Vorgaben für Verpackung, Etikettierung und Beschriftung sowie ab Januar 2020 eine Reihe zusammengefasster Informationen, um einen sicheren Batterietransport zu gewährleisten. Dennoch gebe es Ausnahmen bei Batterien für Recycling, dadurch Unklarheiten über die Begrifflichkeit und mögliche Unsicherheiten beim Transport.

Fallstricke im Batterie-Transport

In diesem Zusammenhang steht auch der Vortrag von Alain Vassart (European Battery Recycling Association, Belgien), in dem auf die verschiedenen Fallstricke bei der Abwicklung grenzüberschreitender Batterie-Transporte hingewiesen wurde: Verfahrensabwicklung nach der EU-Abfalltransport-Richtlinie per Kontrolldokument beziehungsweise vorheriger Genehmigung oder nach OECD-Beschlüssen eziehungsweise Basel Convention über Grüne oder Gelbe Liste, wobei die Vorschriften von Basel/OECD und den EU-Vorgaben nicht harmonisiert sind. Darüber hinaus bestünden weitere Transport-Regularien in Form von ADR, IMDG und gegebenenfalls IATA.

Schwierigkeiten in den rechtlichen Anforderungen beim Transport von zu entsorgenden LIB deckte auch Julia Feuring (1cc GmbH, Deutschland) auf. Dabei wies sie nach, dass es sowohl in den Schweizer wie auch in den österreichischen nationalen Transport-Vorschriften und Notifizierungs-Voraussetzungen Abweichungen von den EU-Regularien gibt. Es sei eine Tendenz in den EU-Mitgliedstaaten zu erkennen, für stringentere Auflagen vor allem auf nationaler Ebene zu sorgen. Werde die Überprüfung der Verordnung EC 1013/2006 die zukünftigen Herausforderungen berücksichtigen?

Die Gefahrenabwehr beim Transport von Lithium-Ionen-Batterien war Gegenstand der Präsentation von Tobias Schulze Wettendorf (Stiftung GRS Batterien, Deutschland). Er zählte noch einmal die Transport-Optionen und -Vorgaben für Recyclingbatterien auf, erklärte Unterschiede zwischen einer gewöhnlichen Batteriemischung, Hochenergie-Akkus und beschädigten Hochenergie-Batterien, und stellte die unterschiedlichen GRS-Verpackungen und -Behälter zum sicheren Transport von LIB vor.

Cobalt: Keine Rolle als Sekundärquelle

Welche kritischen Rohstoffe für die industrielle Herstellungskette von Batterien notwendig sind, untersuchte Stéphane Bourg (Alternative Energies and Atomic Energy Commission, Frankreich). Es sind insbesondere Lithium, Cobalt, Nickel, Mangan und Graphit, die – in unterschiedlichen Relationen – in Lithium-Cobalt-Oxid-, Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid- und in Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan-Batterien der Mischung 1:1:1, 6:2:2 und 8:1:1 benötigt werden. Zwar bestehen für Cobalt, Lithium und Nickel Reserven in Höhe von 6,9, 14 beziehungsweise 89 Millionen Tonnen; ihre Ressourcen belaufen sich auf 25, 62 beziehungsweise130 Millionen Tonnen. Darüber hinaus sollen in Finnland, Griechenland und Polen geschätzte eine Million Tonnen an primären Cobalt-Ressourcen vorkommen – rund fünf Prozent der globalen Ressourcen.

Allerdings spielt Cobalt als Sekundärquelle gegenwärtig keine Rolle in Europa. Zudem werde – betonte Stéphane Bourg – das Recycling von Produkten am Lebensende niemals den Bedarf von Metallen decken, für die steigende Nachfrage besteht. Wenn also die bis 2050 vorauszusehende Entwicklung der Elektrofahrzeuge anhält, würde das 50 Prozent der momentanen globalen Cobaltreserven und zehn Prozent der bekannten Cobaltressourcen aufbrauchen. Mittelfristig sei daher das Recycling von Cobalt-haltigen Batterien die beste Option. Dazu müssten bessere Verfahren entwickelt, Anlagen gebaut und Altbatterien gelagert, aber keinesfalls exportiert werden.

Lücke in der Wertschöpfungskette schließen

Auf mögliche Engpässe in der Versorgung mit Cobalt wies auch Carol-Lynne Pettit (Cobalt Institute, Vereinigtes Königreich) hin. Danach werde der Cobalt-Verbrauch weltweit bis 2025 auf 220.000 Tonnen und bis 2030 sogar auf 390.000 Tonnen anwachsen, während er in Europa in den gleichen Zeiträumen auf 53.500 beziehungsweise 108.000 Tonnen steigen dürfte. Nach heutigem Verbrauch werde die Hälfte der Menge allein für die Produktion von wiederaufladbaren Batterien für Elektromobilität und Energiespeicherung benötigt. Daher müsse Cobalt sowohl als Primärmaterial wie auch als recycelter Sekundärrohstoff zur Verfügung stehen, um die Lücke in der Wertschöpfungskette des Metalls zu überbrücken. Immerhin lassen sich neben herkömmlichen Batterien – mit relativ geringer Recyclingquote von zehn bis 30 Prozent aufgrund schwacher Sammelquoten – Akkus aus Elektrofahrzeugen zu 90 bis möglicherweise 95 Prozent recyceln. Dazu müssten allerdings auch die geeigneten gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Bislang greifen bereits Eco-Design-Vorgaben ebenso wie die Batterie-, die Altfahrzeug- und die Abfall-Richtline in Verbindung mit REACH, RoHS, CLH und OHS-CMD regulativ in den Recyclingkreislauf ein. Wie Carol-Lynne Pettit betonte, sei Cobalt jedoch ein kritisches und ein „strategisches“ Rohmaterial. Aber „was könnte geschehen, wenn die Regelvorschläge zu streng sind?“

(EU-Recycling 11/2019, Seite 26, Foto: Dmytro Sukharevskyi / stock.adobe.com)