Interview: „Kein großer Industrieversicherer darf sich pauschal der Versicherung dieser Betriebsarten verschließen“

Wohin entwickelt sich der Versicherungsmarkt für die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft? Darüber hat EU-Recycling mit Elmar Sittner, Inhaber der Elmar Sittner Risikomanagement und Versicherungsberatung in Leipzig, gesprochen.

Nach den Erkenntnissen des Experten werden sich die Branchenunternehmen auf steigende Prämien und Selbstbeteiligungen sowie erhöhte Anforderungen an den anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz einrichten müssen.

Herr Sittner, Versicherungsberater werden häufig mit Versicherungsmaklern verwechselt und gleichgestellt. Worin unterscheidet sich Ihre Dienstleistung von anderen?
Tatsache ist, dass der Berufsstand des Versicherungsberaters bei Unternehmen der Privatwirtschaft nahezu unbekannt ist. Anders ist dies bei kommunalen Unternehmen. Es gibt in Deutschland nur circa 300 Versicherungsberater, von denen auch nur ein kleiner Teil mit der Beratung von Industrieunternehmen befasst ist. Meines Wissens bin ich der einzige Versicherungsberater, der sich auf die Abfallentsorgungs- und Recyclingbranche spezialisiert hat. Der wesentliche Unterschied zum Berufsstand des Versicherungsmaklers ist, dass Berater keinerlei Leistungen und Vergütungen von Versicherungsunternehmen oder Versicherungsvermittlern entgegennehmen dürfen. Es darf keine wirtschaftliche oder rechtliche Verbindung zu diesen Marktteilnehmern geben, um die notwendige Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Ein Versicherungsberater rechnet seine Leistungen (wie die meisten anderen Berater ja auch) allein gegenüber seinem Kunden ab. Ein Interessenkonflikt, der sich aus der Abhängigkeit der Maklercourtage von der Höhe der vom Kunden zu zahlenden Versicherungsprämie ergibt, wird auf diese Weise vermieden, was ich persönlich als sehr angenehm empfinde.

Elmar Sittner ist auf die Versicherungs­beratung der Entsorgungs- und Recycling­branche spezialisiert (Foto: Elmar Sittner Risikomanagement und Versicherungsberatung)

Wie kommen Sie in Kontakt mit potenziellen Versicherungsgebern? Arbeiten Sie eine Anbieterliste ab, recherchieren Sie selbst mögliche Angebote, oder vertrauen Sie dem Urteil versicherter Recyclingunternehmen?
Eine Liste von zeichnungsbereiten Versicherern für diese Betriebsart gibt es nicht. Wenn man sich aber über 15 Jahre als Berater speziell mit dieser Branche auseinandersetzt und auf weitere 15 Berufsjahre in der Versicherungswirtschaft (unter anderem als Niederlassungsleiter eines großen internationalen Industrieversicherungsmakler-Unternehmens) zurückblickt, so sollte man einen Überblick darüber haben, welche Versicherer in welchen Branchen grundsätzlich zeichnungsbereit und -willig sind. Aber auch innerhalb der Versicherer gibt es – von Mitarbeiter zu Mitarbeiter – große Unterschiede. Auch wenn ein Versicherungsunternehmen grundsätzlich bereit ist, Recycling- und Abfallwirtschaftsunternehmen zu versichern, so kommt es darauf an, den richtigen Underwriter zu finden, um zu möglichst guten Konditionen zu gelangen. Insofern bleibt dieser Teil des Versicherungsgeschäftes immer noch ein sogenanntes „Nasengeschäft“.

Welche Details müssen Sie von den Versicherungsgebern wissen?
Es ist wichtig zu wissen, welche Versicherer überhaupt noch für derartige Deckungen zur Verfügung stehen. Ferner muss man die grundsätzlichen Zeichnungsrichtlinien, also die Anforderungen hinsichtlich technischem und organisatorischem Brandschutz und Selbstbehalten kennen. Es schadet auch nicht, einen Überblick über die Vorstellungen der Prämienhöhen zu haben. Diese werden zwar grundsätzlich individuell anhand des einzelnen Risikos ermittelt, aber schon die Grundprämienerwartung unterscheidet sich bei den Versicherern teilweise sehr erheblich.

Bekanntlich zeichnen viele Sachversicherer keine Feuerversicherungen mehr für Recyclingbetriebe und kündigen sogar bestehende Verträge. Was unternehmen Sie, falls das einem von Ihnen betreuten Unternehmen widerfährt?
Wenn Versicherer sich ganz aus einer Betriebsart zurückziehen (was leider in den vergangenen Jahren im Bereich Abfall und Recycling sehr häufig passiert ist), so basiert das meistens auf Unternehmensentscheidungen, die man dann auch als Berater (wie auch als Makler) in der Regel nicht mehr beeinflussen kann. Es hilft dann leider nichts: Man muss einen anderen Risikoträger finden, der die gekündigten Anteile übernimmt oder der das gesamte Risiko zeichnet. Dies ist in der derzeitigen Marktsituation nicht einfach. Allerdings gibt es bei unseren Kunden keine Sachversicherungspolice, die nur von einem Versicherer gezeichnet wird, sondern es sind immer vier bis sechs Versicherer, die sich ein Risiko teilen.

Wie man hört, sollen insbesondere Großschadens-Regulierer und Sachverständige mancherorts ein eingespieltes, gemeinsames und daher teilweise versicherungsrechtlich zu beanstandendes Vertragsauslegungs- und Bedingungsauslegungs-Verständnis entwickelt haben. Sehen Sie darin eine Gefahr durch Vertrauensverlust für die Versicherungsbranche?
Natürlich kann man als Versicherer bei der Schadenregulierung Vertrauen aufbauen und – noch schneller – Vertrauen verlieren. Sie sehen dies an der derzeitigen Diskussion über Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie. Das Problem ist nicht ganz neu. Schon im Jahr 2012 hat Peter Wesselhoeft in einem Beitrag in der Financial Times Deutschland genau diese Entwicklung kritisiert. Leider hat sich die Tendenz allgemein durch den starken Prämienwettbewerb bei gleichzeitig höheren Schäden und dem gänzlichen Wegfall der Einnahmequelle der Kapitalerträge für Versicherer verschärft. Die meisten Versicherer haben das Personal schon in einem Maße reduziert, das bei Kunden und auch Vermittlern teilweise zumindest auf Verwunderung stößt. Dann bleibt als einzige Stellschraube zur Kostenreduktion eigentlich nur noch die Schadenregulierung übrig. Ich muss aber an dieser Stelle auch anmerken, dass ich bei Großschadenfällen auch oft auf Regulierer gestoßen bin, die absolut partnerschaftlich und kundenorientiert agiert haben.

In Ihrem Vortrag auf dem Altholztag 2018 kritisierten Sie, dass es im Fall eines Brandschadens kaum noch ein einvernehmliches oder großzügiges Regulierungsverhalten der Versicherer gibt.
Es gibt kein Regulierungsverhalten der Versicherer insgesamt. Auch dort kommt es auf den einzelnen Regulierungsbevollmächtigten an, und selbst bei ein und demselben Regulierungsbevollmächtigten (oder auch Schadensachbearbeiter im Innendienst) kann man, je nach Sach- und Rechtslage, von Fall zu Fall sehr unterschiedliche Erfahrungen machen. Wenn man also glaubt, einem Kunden einen Versicherer empfehlen zu können, der eine großzügige Schadenregulierungspraxis pflegt, so wird man dieses Versprechen voraussichtlich nicht einlösen können. Umso wichtiger ist aber, dass der vertragliche Anspruch auf Versicherungsschutz eindeutig und rechtssicher formuliert und dokumentiert ist.

Wohin entwickelt sich aus Ihrer Perspektive momentan der Versicherungsmarkt hinsichtlich des Versicherungsschutzes für Entsorgungs- und Recyclingbetriebe?
Der Versicherungsmarkt für die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft wird immer enger. Es gibt nur noch sehr wenige Versicherer, die hier Versicherungsschutz bieten. Aus dem Ausland bekommt man im Moment kaum Entlastung. Der britische Markt war im Übrigen immer schon von den Prämien her deutlich teurer als der deutsche Markt. Unternehmen werden sich daher auf steigende Prämien und Selbstbeteiligungen sowie erhöhte Anforderungen an den anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz einrichten müssen. Wer die Mindestanforderungen in dem letztgenannten Bereich nicht erfüllt, muss davon ausgehen, gegebenenfalls sogar in Gänze auf Versicherungsschutz für Feuer- und Feuer-Betriebsunterbrechungsschäden verzichten zu müssen. Der Spielraum, den man als Berater dort hat, ist die individuelle Auslegung, wann und in welchem Maße diese Mindestanforderungen erfüllt sind. Hier kommt dann wieder ins Spiel, was ich schon erwähnt habe: Versicherungsschutz in diesem Segment wird zwischen Menschen vereinbart. Ein einheitliches Verhalten sämtlicher Mitarbeiter eines Versicherungsunternehmens zu den Zeichnungsrichtlinien gibt es nicht. Diese werden vielmehr dann sehr eng ausgelegt, wenn man das Geschäft gerne ablehnen möchte. Sie werden großzügiger ausgelegt, wenn man einen Vertrag gerne abschließen möchte. Wir müssen hier versuchen, für unsere Kunden diejenigen Mitarbeiter ausfindig zu machen, die noch ein Interesse daran haben, Abfall- und Recyclingunternehmen zu versichern. Leider gibt es davon immer weniger!

Kommen wir zur „Praxis“: Was umfasst die erste Begutachtung eines Unternehmens beziehungsweise dessen zu versichernde Anlage?
Ich selbst bin Versicherungsrechtler und kein Brandschutzingenieur. Aber natürlich schauen wir uns eine neue Anlage zunächst einmal an. Wenn schon beim ersten Rundgang erkennbar ist, dass die Mindeststandards sämtlicher infrage kommender Versicherer nicht erfüllt werden, so hat es keinen Zweck, eine brandschutztechnische Begutachtung in Auftrag zu geben. Diese ist natürlich nicht umsonst und entweder wir, der Kunde oder aber ein Versicherer muss diese Begutachtung bezahlen. Etwas anderes gilt dann, wenn der Kunde von Anfang an erkennen lässt, dass er für den Fall von Defiziten bereit ist, in anlagentechnischen Brandschutz und gegebenenfalls auf die Verbesserung der Organisation zu investieren.

Gehört es zu Ihren Aufgaben, das Gefährdungspotenzial einer Anlage zu beurteilen und danach die Versicherung auszuwählen?
Die Kunden, die wir beraten, haben eine relativ homogene Struktur. Die meisten dieser Kunden betreiben Recyclinganlagen oder andere Anlagen, die auf dem Prinzip der Stoffstromtrennung basieren. Wer Hausmüll oder Gewerbemüll aufbereitet (nicht verbrennt), der geht immer ein vergleichsweise hohes Risiko in Bezug auf die Feuergefahr ein. Nur Versicherer, die grundsätzlich willens sind, so etwas zu versichern, können wir also ansprechen.

Welchen Anteil bei der Begutachtung haben Augenschein und persönliche Erfahrung, welchen Störungs- und Revisionsberichte, und welchen nachweisliche Investitionen in die Sicherheit?
Alle genannten Aspekte spielen bei der Entscheidung des Versicherers, ein Risiko zu zeichnen, eine Rolle. Eine Anlage, die schon auf den ersten Blick einen chaotischen und unsauberen Eindruck macht, wird kaum ein Versicherer versichern wollen. Da nützt es dann oft auch nichts mehr, wenn die Mindeststandards in Bezug auf den Brandschutz erfüllt werden. Andersherum ist es aber leider heute auch so, dass eine sehr saubere und gut geführte Anlage von den meisten Versicherern nicht versichert wird, wenn die Mindeststandards nicht eingehalten werden. Und da diese in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind, macht uns dieses Kriterium nicht selten Schwierigkeiten. Ich persönlich habe nämlich in den letzten 15 Jahren die Erfahrung gemacht, dass Sauberkeit und Ordnung sowie eine intensive Wartung und Instandhaltung (beides in Verbindung mit der entsprechenden Schulung und Qualifikation des Personals) eine mindestens genauso große Bedeutung haben wie der anlagentechnische Brandschutz. Eigentlich bin ich sogar davon überzeugt, dass diese subjektiven Kriterien wichtiger sind.

Raten Sie dann dem Recyclingunternehmen, zunächst das Sicherheitsrisiko seiner Anlage zu senken und dann erst einen Vertrag zu unterschreiben, oder suchen Sie eine Vertragsform heraus, die die Risiko-Minimierung einschließt und flexibel und dynamisch regelt?
Ein Unternehmen, egal ob öffentlich oder privatwirtschaftlich, möchte eigentlich immer Versicherungsschutz haben. Es ist daher primär unser Ziel, zunächst den Versicherungsschutz sicherzustellen und dann im Falle von Defiziten einen Maßnahmenkatalog gemeinsam mit den Versicherern zu vereinbaren, der innerhalb einer angemessenen Zeit vom Unternehmen umgesetzt wird.

In beiden Fällen: Inwieweit gehört es zu Ihrem Aufgabenbereich, Recyclingunternehmen auch in Fragen der Anlagensicherheit zu beraten, indem Sie ihnen zum Beispiel Kontakt zu verlässlichen Brandschutz-Experten vermitteln?
Unsere Aufgabe ist es hier, die Gespräche zwischen unseren Kunden, den Brandschützern und Underwritern der Versicherer sowie eventueller externer Brandschutzingenieure zu moderieren, um zu einer möglichst guten und für unseren Kunden sinnvollen Lösung zu gelangen. Wir versuchen zu verhindern, dass Maßnahmen gefordert und vereinbart werden, in denen unser Kunde keinen konkreten Nutzen (zum Beispiel durch spürbare Senkung des Feuerrisikos) erblickt. So etwas kann nämlich durchaus passieren, wenn Brandschützer oder Versicherer stur nach den vorliegenden Richtlinien ihre Forderungen aufstellen.

Worin liegt der Unterschied in der Beurteilung von reinen Müllverbrennungs- oder Deponie-Einrichtungen zu Umschlags-, Recycling- oder mechanisch-biologischen Anlagen?
Deponierisiken werden von Versicherern nicht als hochgradig gefährlich eingestuft, und sind daher relativ einfach zu versichern. Bei Müllverbrennungsanlagen/Müllheizkraftwerken sieht der eine oder andere Versicherer schon ein höheres Risiko. Da diese Anlagen im Regelfall über sehr moderne Brandschutztechnik verfügen, liegt das Problem eher in den begrenzten Kapazitäten der Versicherer. Ein Feuerschaden bei einem großen Müllheizkraftwerk kann durchaus einmal 300 oder 400 Millionen Euro (inklusive Betriebsunterbrechung) kosten. Bei mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen oder Sortieranlagen ist die Risikoexponierung bei weitem nicht so groß.

Raten Sie Ihren Kunden bei Vertragsabschluss mit einem Versicherer eher zu höherer Selbstbeteiligung, um kleinere Schäden und Vorfälle selbst zu bereinigen?
Die Zeiten, in denen ich die Kunden in diesem Bereich beraten konnte, sind leider vorbei. Heute haben wir es mit Forderungen von Versicherern zu tun, die teilweise nicht mehr diskutabel sind, sondern umgesetzt werden müssen, damit Versicherungsschutz gewährt wird. In dem Klientel, das wir beraten, gibt es nämlich keine Unternehmen, die freiwillig noch höhere Selbstbeteiligungen vereinbaren wollen, als das, was der Versicherungsmarkt im Moment im Minimum fordert.

In welchen Fällen raten Sie Ihren Kunden zu mehreren Versicherungsträgern, um Entschädigungszahlungen auf mehrere Schultern zu verlagern und das Risiko zu verringern?
Ich habe hierzu schon etwas gesagt. Ich rate immer dazu, das Risiko auf möglichst mehrere Schultern zu verteilen. Dies ist aber mittlerweile auch eine Notwendigkeit, da es kaum noch einen Versicherer gibt, der (und das auch bei relativ kleinen Anlagen) in dieser Betriebsart Zeichnungsquoten von mehr als 20 bis 30 Prozent eines Risikos zur Verfügung stellt. An den Policen unserer Kunden sind im Minimum vier, manchmal auch fünf bis sechs Versicherer beteiligt.

Die Digitalisierung der Abfallbranche wird auch die Sicherheit der Anlagen erhöhen. Wird dadurch mittel- bis langfristig die Versicherungsprämie für die Entsorgungsunternehmen sinken?
Wenn die Digitalisierung dazu führt, dass Störstoffe und potenzielle Zündquellen detektiert und entfernt werden, dann wird sich dies auf die Sicherheit der Anlagen und damit auch die Schadenbelastung der Branche auswirken. In der Folge werden dann die Versicherungsprämien wohl auch wieder sinken. Im Moment erkennen wir allerdings einen solchen Trend noch nicht.

Sie haben erwähnt, dass sich viele Versicherer überhaupt nicht mehr mit der Versicherung von Abfallwirtschaft und Recyclingunternehmen beschäftigen. Nun ist die Entsorgung von Abfällen eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und Recycling ist ein Beitrag zum Umweltschutz. Wie stehen die Versicherer hierzu?
Ich habe in meinen Vorträgen und meinen bisherigen Veröffentlichungen auch immer ein paar Sätze zu diesem Thema gesagt. Die Allianz hat sich als Marktführer der Industrieversicherung in Deutschland ein sogenanntes „nachhaltiges Underwriting“ als Unternehmensziel auferlegt. Ich finde persönlich, kein großer Industrieversicherer darf sich pauschal der Versicherung dieser Betriebsarten verschließen. Es mag sein, dass Braunkohlekraftwerke oder Rüstungsunternehmen weniger selten brennen. Und ich kritisiere auch keinen Versicherer, der solche Unternehmen ebenfalls versichert. Unternehmen, die einen derart wichtigen Beitrag für Allgemeinwohl und Umweltschutz leisten, wie dies Recyclingunternehmen und Abfallentsorger tun, sollte man aber als Industrieversicherer nicht mit dem pauschalen Entzug der Bereitschaft zur Versicherung bestrafen.

Sie erwähnen an anderer Stelle, dass die Ausgestaltung des inhaltlichen Versicherungsschutzes, also das eigentliche Leistungsversprechen, immer mehr an Bedeutung gewinnt, und weisen darauf hin, dass ein Sachversicherungsvertrag heute insgesamt nicht selten 50 bis 70 Seiten an Bedingungswerk umfasst. Was verbirgt sich denn dahinter und warum ist dies so wichtig?
Versicherungsbedingungen sind für viele Kunden zunächst einmal nur bedrucktes Papier, das abgeheftet wird. Der Wert der Bedingungen (und diese werden hier zumindest in Bereich der Industrieversicherung individuell ausgehandelt) zeigt sich immer erst im Großschaden. Ein gutes Beispiel sind hier die sogenannten Obliegenheiten, die Gegenstand jedes industriellen Sachversicherungsvertrages sind. Diese können sehr rigide gestaltet werden, sodass es für den Versicherer im Falle eines Verstoßes sehr einfach sein kann, Leistungskürzungen vorzunehmen. Man kann hier aber auch ein paar „Bremsen“ einbauen, die es dem Versicherer schwieriger machen, bei solchen Verstößen (und Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften sind nichts Seltenes) sofort die Entschädigung zu kürzen. Aber auch die Definition, was alles unter einen Feuerschaden fällt und welche zusätzlichen Kosten im Schadenfall unter den Versicherungsschutz fallen, entscheiden bei einem Großschaden häufig darüber, wie zufrieden der Kunde am Ende ist.

Wir haben jetzt die ganze Zeit über die Sachversicherung mit dem Schwerpunkt der Feuerversicherung gesprochen. Gibt es andere Versicherungsbereiche, die für Entsorgungs- und Recyclingunternehmen von Bedeutung sind?
Es gibt natürlich, wie bei anderen Unternehmen auch, eine große Anzahl von Versicherungsbereichen, die von Bedeutung sind. Nach der Feuer- und EC-Versicherung und der entsprechenden Betriebsunterbrechungsversicherung ist bei unseren Kunden immer die Maschinen- und Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung von großer Bedeutung. Dort ist es aber genau anders als in der Sachversicherung: Einige Versicherer sind sehr begierig darauf, diese Art der Anlagen zu versichern, und wir sind regelmäßig in der Lage, inhaltliche Verbesserungen der Versicherungsverträge, kombiniert mit erheblichen Ersparnissen (insbesondere bei der Betriebsunterbrechungs- und Mehrkostenversicherung), zu offerieren. Der Versicherer, mit dem wir hier schon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten, hat sehr große Erfahrungen mit solchen Anlagen und die Schadenverläufe waren stets positiv.

Herr Sittner, vielen Dank für das Interview!
(Die Fragen stellten Dr. Jürgen Kroll und Marc Szombathy)

www.sittner-versicherungsberatung.de

(EU-Recycling 10/2020, Seite 16, Foto: Sergey Nivens / stock.adobe.com)

 

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