Wie lassen sich Deponien besser nutzen und leichter sanieren?
Entwicklungen im Deponierecht, Erdbeckenwärmespeicher, Horizontalspülbohrungen oder Intelligente Robotik – das 33. Karlsruher Deponie- und Altlastenseminar am 18. und 19. Oktober präsentierte Fachvorträge zu vielen spannenden Themen rund um die Abfallentsorgung. Zwei Fragestellungen fanden dabei besondere Erwähnung: Wie lassen sich Deponien besser oder länger nutzen und mit welchen Problemen ist beim Rückbau von Lagerstätten zu rechnen?
Neue Lager-Kapazitäten lassen sich am naheliegendsten durch eine Deponieerhöhung erzielen, wie Dr. Klaus Peter Arz (AVG Köln mbH) am Beispiel der Deponie Vereinigte Ville erklärte. Die Deponie wird von RWE Power (DK I, 153 ha), Remondis (DK III, 60 ha) und der AVG Köln (DK II, 99 ha) betrieben. Jährlich kommen rund eine Million Tonnen Abfälle von RWE, 500.000 Tonnen von AVG und rund 200.000 Tonnen von Remondis dazu. Das Konzept der drei Partner sieht eine zukünftige Aufstockung der Deponiekapazität durch Anhebung der Deponiehöhe, die Nutzung des Standorts und seiner Infrastruktur und die anschließende Rekultivierung vor.
Neue Abschnitte oben auflegen
Das genehmigte Gesamtvolumen der Deponie beträgt rund 90 Millionen Tonnen; das vorgesehene zusätzliche Volumen beläuft sich auf 29 Millionen Tonnen. Geplant ist, die Bestandsdeponien zu Ende zu verfüllen und einzukapseln; die künftigen, neuen Deponieabschnitte werden oben „aufgelegt“ und durch laterale Zwischenabdichtungen voneinander getrennt. Neue Flächen werden nicht beansprucht. Im Jahr 2030 soll die sukzessive Rekultivierung starten: Bis 2039 werden 32,5 Hektar als rekultiviert erwartet, 2049 sollen es 57,7 Hektar sein, 2059 bereits 110,3 Hektar, und 2099 rechnet man mit der Rekultivierung der gesamten Deponiefläche von 267,4 Hektar.
Allerdings verlangte das Antrags- und Genehmigungsverfahren zwischen Scoping-Termin im Juni 2018 und Abwägung beziehungsweise Beschluss im September 2023 eine Menge Bürokratie. Dafür bietet die Vereinigte Ville als „bewährter Standort mit sehr guten infrastrukturellen Voraussetzungen“ zukünftig regionale Entsorgungssicherheit, hält Deponiekapazitäten für weitere 60 Jahre für die Deponieklassen I, II und III vor und verspricht eine nachhaltige Rekultivierung.
Die Dynamische Intensivverdichtung
Wie die vorhandene Fläche zur Deponierung besser genutzt werden kann, erläuterten Detlef und Bénédict Löwe (AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH / HTWK Leipzig, Forschungsgruppe Geotechnik). Erfolgt die Einlagerung des Abfalls im Dünnschicht-Einbau, so empfiehlt sich zur klassischen Abfallverdichtung der Einsatz eines dynamischen Walzenzugs mit einem Gewicht von 13 bis 17 Tonnen. Daraus resultiert eine Verdichtungstiefe im Abfallbereich von maximal 50, bei optimalen Verhältnissen bis 100 Zentimetern. Ob mit statischer oder dynamischer Walze: Diese Vorgehensweise ermöglicht nach Ansicht von Detlef und Bénédict Löwe keine optimale Ausnutzung des Deponievolumens. Die von ihnen vorgestellte innovative Abfallverdichtung greift auf Verfahren aus dem Spezialtiefbau zur Baugrundverbesserung zurück: Per Impulsverdichtung sind je nach Bodenverhältnissen durchschnittliche Tiefenwirkungen von fünf bis maximal neun Metern möglich. Die Dynamische Intensivverdichtung mithilfe eines Krans und einer Fallhöhe von 30 Metern führt hingegen zu einer optimalen Ausnutzung des Deponievolumens: Hierdurch sollen durchschnittliche Tiefenwirkungen von zehn Metern, maximal bis zu 14 Metern möglich sein.
Dränmatten anstelle Dränagekies
Auch die Anlage einer multifunktionalen Basis- und Oberflächenabdeckung kann das Nutzvolumen einer Deponie steigern, wie das von Tim Mandelarzt (Umtec, Prof. Biener / Sasse /Konertz PartG mbH) vorgestellte Beispiel Fludersbach zeigt. Die Abfalleinlagerung auf der dortigen DK II-Deponie wurde 2009 gestoppt. Nun soll – neben der zu rekultivierenden Altdeponie – eine Erweiterung der Fläche nach dem Prinzip „Deponie auf Deponie“ erfolgen und – nach vollzogener Neuabdeckung – neue separate DK 0- und DK I-Bereiche entstehen. Die Entscheidung fiel auf eine Teilnahme an der Nationalen Klimaschutzinitiative, die einen Teil der Baukosten von fünf neuen Deponiegasbrunnen abdeckt. Für den ersten Bauabschnitt wurden 122.500 Tonnen Ersatzbaustoffe eingesetzt, die im Vergleich zu Neumaterialien zwar längere Transportwege benötigten, aber weniger CO2-Ausstoß als Neumaterialien verursachten. Für die Abdeckung wurden aufgrund ihrer wesentlich besseren Emissionswerte Dränmatten dem Dränagekies vorgezogen. Die auf der Südwestspitze der Deponie errichtete Photovoltaikanlage von rund drei Hektar Größe bietet Potential für eine regenerative Energieerzeugung.
Möglicherweise 80.000 Deponien
Seit 2005 erhalten Deponien in Deutschland keinen Nachschub an biologisch abbaubaren, organischen Materialien mehr. Sie befinden sich in der sogenannten Schwachgasphase: Die gegenwärtigen Anlagen zur Gaserfassung sind nicht mehr ausreichend wirksam, um die sich dann noch bildenden Deponiegasmengen mit sich verringerndem Methangehalt zu erfassen. Dies betrifft 30 Prozent des Gesamtgaspotenzials. Grundsätzlich lässt sich der Ausstoß von Treibhausgasen auf den möglicherweise 80.000 Deponien in Deutschland durch Erzeugung von Energie aus fossilen Brennstoffen oder durch technische Maßnahmen reduzieren. Nach Ansicht von Ulrich Stock (ehemals Landesamt für Umwelt, Brandenburg) stehen dafür in Deutschland rund 15.000 Hektar nutzbare Fläche für die Erzeugung von jährlich insgesamt 15 TWh (bei einer installierten Leistung von 1 MW pro Hektar) – zwei Prozent des deutschen Energiebedarfs im Jahr 2030 – zur Verfügung.
Anpassung oder Umrüstung
In Brandenburg haben verschiedene Deponiebetreiber mit Anpassung der Entgasungsanlage, mit einer Umrüstung der Hochtemperatur- auf eine Schwachgasfackel oder mit einer verbesserten Oberflächenabdichtung reagiert. Laut Darstellung von Ulrich Stock konnten dadurch innerhalb der letzten zehn Jahre dort Treibhausgas-Emissionen zwischen 7.500 und 123.000 Tonnen CO2-Äquivalent vermieden werden. Speziell die Deponie Guben-Wilschwitzer Weg rüstete ihre Gasverbrennung von Hochtemperaturfackel auf Regenerative Thermische Oxidation mit Aerobisierung des Abbaus durch kontrollierte Übersaugung um und verhinderte dadurch im besagten Zeitraum knapp 40.000 Tonnen an Treibhausgasen.
18.600 Tonnen CO2-Äquivalent vermieden
Für die Installation von Solarenergie-Anlagen auf Deponien existieren in Brandenburg verschiedene technische und rechtliche Rahmenbedingungen, neben dem bundeseinheitlichen (vermutlich zu überarbeitenden) Qualitätsstandard 7-4a diverse Länderregelwerken und die Notwendigkeit einer Baugenehmigung sowie einer abfallrechtlichen Genehmigung, falls durch den Umbau die Deponie wesentlich verändert wird. Zurzeit stehen auf brandenburgischen Deponien in der Zuständigkeit des Landesamts für Umwelt 13 Solarenergieanlagen mit einer jährlichen Gesamtleistung von rund 28.700 MWh und einem vermiedenen Ausstoß von knapp 15.800 Tonnen CO2-Äquivalent. Insgesamt erzeugen die Photovoltaikanlagen nach Aussage von Ulrich Stock jährlich 46,5 GWh elektrische Energie und vermeiden Treibhausgasemissionen von 18.600 Tonnen CO2-Äquivalent. Vom Ziel, auf Deponien mit Anlagen genauso viele Emissionen zu vermeiden wie sie erzeugen, sei man noch weit entfernt. Bei der Nutzung des Flächenpotenzials stehe man noch am Anfang.
Kein relevantes Standortpotenzial
Der Nutzen von Deponien könnte eventuell auch durch dortige Errichtung kleinerer Windkraftanlagen gesteigert werden. Bei eine Masthöhe von zehn Metern, 10 kW Leistung und zehn bis 25 MWh pro Jahr würden so auf einer Deponie mit einer Fläche von vier Hektar und vier Anlagen pro Hektar jährlich 400 bis 1.000 MWh erzeugt – die Erfüllung entsprechender technischer und rechtlicher Rahmenbedingungen vorausgesetzt. Doch bestimmt beispielsweise die brandenburgische Landesplanung die Errichtung von Windkraftanlagen, weshalb dort eine Errichtung außerhalb dezidierter Windeignungsgebiete unzulässig ist, erst zukünftig in Windvorrangsgebieten ausgewiesen werden könnte und somit theoretisch möglich wäre. Bislang sind fünf Projekte bekannt. Stock ist überzeugt: „Deponien stellen kein relevantes Standortpotenzial für die Errichtung von Windkraftanlagen dar.“
Inwieweit Deponieflächen überhaupt als Standorte für Photovoltaikanlagen infrage kommen, untersuchten Eckard Haubrich und Michael Koser (ARGE Ingenieurgruppe RUK GmbH und Klinger und Partner GmbH) für Baden Württemberg. Sie wählten 175 potenzielle Standorte aus – 54 aus der Nachsorge entlassene, 49 stillgelegte und in der Nachsorge befindliche sowie 72 Deponien in der Stilllegungsphase. Im Ergebnis waren die untersuchten Deponien bis auf drei „gut bis sehr gut als PV-Standorte geeignet“. Auf den 124 Hektar geeigneter Fläche ergab sich eine potenziell installierte Leistung von 123 MWp, die zu einem potenziellen Stromertrag von 131.500 MWh führen würde – ausreichend für 29.000 Vier-Personen-Haushalte.
Zwei bis drei Prozent Chemieabfälle
Die Sanierung von Deponien stellt ihre Betreiber vor neue und teilweise nicht enden wollende Probleme, wie das Beispiel der Kesslergrube in Grenzach verdeutlicht. Wie Dr. Uwe Gauglitz (Altlasten-Management der Ludwigshafener BASF SE) unterstrich, wurde dieses Terrain von 1950 bis 1976 als Mischdeponie mit Erdaushub, Bauschutt, Haus- und Gewerbemüll sowie Abfällen der chemisch-pharmazeutischen Industrie gefüllt. Das Terrain besteht aus drei Perimetern und wurde im Laufe der Zeit von neun so genannten „Handlungsstörern“ genutzt.
Zwei bis drei Prozent des Ablagerungsvolumens von insgesamt rund 310.000 Kubikmetern besteht aus Chemieabfällen: verfestigte Rückstände wie Filterhilfsmittel, Metallsalze, Aschen, Schlacken und Filtrationsrückständen. Für den zu sanierenden Anteil der BASF in Perimeter 2 in der Größe von 600.000 Tonnen – etwa dem Doppelten des Anteils der Firma Roche – standen die Dekontamination, zum Beispiel durch Aushub, und die Sicherung, zum Beispiel durch Abschirmung, zur Disposition.
Einkapselung oder Komplettaushub?
Ab 1988 fanden die ersten Erfassungen der vermeintlichen Altlastenverdachtsfläche statt, 2011 wurde im Rahmen der Gefährdungsabschätzung die Frage der Einstufung des Geländes als Altlast laut, die Ergebnisse der Untergrunderkundung zeigten verschiedentlich Rückstände von BTEX, CKW, aromatischen Aminen sowie Chlorbenzolen. Im Mai 2014 legte die BASF einen Sanierungsplan vor, der die Einkapselung durch eine Dichtwand, eine Oberflächenabdichtung, eine interne hydraulische Sicherung durch Pumpbrunnen sowie eine dichtende Felsschicht vorsah. Die Einkapselung hätte einen hohen zweistelligen Millionen-Betrag und zwei bis drei Jahre Bauzeit erfordert. Ein Komplettaushub, wie ihn die Öffentlichkeit forderte, würde hingegen einen hohen dreistelligen Betrag und eine Bauzeit bis mindestens 2055 benötigen. Das Landratsamt Lörrach, das Regierungspräsidium Freiburg und die Verwaltungsgerichte 1. und 2. Instanz befürworten die Einkapselungs-Variante. Der BUND zog jedesmal wieder vor Gericht. Stand der Dinge ist, dass im Juni 2023 das Bundesverwaltungsgericht (3. Instanz) das Recht des BUND anerkennt, gegen den Sanierungsplan zu klagen, und den Fall zur Prüfung an das Verwaltungsgericht Mannheim zurückverweist; eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht läuft noch.
Sanierung seit 2014 verhindert
Noch besteht keine endgültige Rechtsicherheit für den Rückbau, der derzeit auf eigenes Risiko der BASF erfolgen würde; eine endgültige Entscheidung der Gerichte wird erst in einigen Jahren zu erwarten sein. Da sich die Belastung des Grundwassers in den letzten Jahren durch Roche-Sanierung verringert hat, besteht nach Ansicht der BASF ein Missverhältnis zwischen tatsächlichem Sanierungsbedarf und finanziellem Einkapselungsaufwand. Als Resultat hat die BASF die Einkapselung ihres Anteils an der Kesslergrube gestoppt.
Die Behörden in Irland sind 20 Jahre zurück
Mit welchen Problemen bei Rückbau samt Sanierung eines Produktionsstandorts ein Pharmaunternehmen in Irland zu kämpfen hat, schilderte Markus Ettner (F. Hoffmann-La Roche AG, Basel). Roche Irland Ltd. übernahm 1994 die Syntex AG – Hersteller des Antirheumatikums Naproxen – samt Deponie in Clarecastle, stoppte aber 1996 die Deponierung und entschied sich für thermische Verwertung von Produktionsabfällen. 2018 kam die Order, den Standort zu schließen, und 2021, ihn zurückzubauen und ohne Altlasten zu verlassen. Der komplette Rückbau erfolgte zwischen Mai und Dezember 2021.
210 Kilometer Rohrleitungen und 70.000 Tonnen Abfall von zum Teil asbestbelasteten Fassaden gingen in die Deponierung. Die 30.000 Tonnen recyclingfähiger und unbelasteter Beton aus Rückbau gelten in Irland per se als Abfall und müssen als solcher behandelt werden. Auf die Sondererlaubnis, dieses Material für die Wiederverfüllung verwenden zu dürfen, wartet Roche seit eineinhalb Jahren; bei Ablehnung müsste der Beton gegebenenfalls abgefahren werden. RC-Beton-Material ist in Irland unüblich – es existieren genügend Steinbrüche, sodass der Beton auf die Deponie gebracht werden kann. Ettner: „Die Behörden in Irland sind 20 Jahre zurück.“
Der Rückbau der Clarecastle-Deponie gilt als das größte Sanierungsprojekt auf der Insel – bislang ging es nur um 5.000 bis 7.000 Tonnen von kleineren Fabriken. Problematisch erweist sich, dass aufgrund boomender Wirtschaft die heimischen Unternehmen ausgelastet und Facharbeiter ausgebucht sind – insbesondere Baufirmen. Auch gibt es wenig oder kein erfahrenes Personal für Sanierungen. Die Zollformalitäten aufgrund Brexit erschweren den Transport von Materialien.
„Die Iren deponieren lieber“
Eine zentrale Stelle, welche die Sanierung von behördlicher Seite koordiniert, existiert ebensowenig wie Sanierungspläne. Hinzu kommt, dass Genehmigungen und Lizenzen nicht parallel, sondern nacheinander bearbeitet werden, zumal es unterschiedliche Genehmigungen von Bau-, Umwelt-, sowie regionalen Behörden für das gleiche Vorhaben gibt. Zuständigkeiten und Ansprechpartner waren im vorliegenden Fall zeitweise ungeklärt. Naturschutzauflagen, die Notwendigkeit eines Nachsorgeplans sowie die mögliche Behebung „unbekannter Haftungsereignisse“ erschweren die Abwicklung zusätzlich. Hinzu kommt eine irische Besonderheit: Jedermann in Irland hat Einspruchsrecht, so dass die Beilegung von Nachbarschaftshändeln Zeit und Geld kosten. So kommt es, dass in Cork seit 20 Jahren versucht wird, eine Lizenz für eine Müllverbrennungsanlage zu bekommen. Ettner: „Die Iren deponieren lieber.“ Insgesamt benötigte Roche für alle Formalitäten fünf Jahre Bearbeitungszeit. Nächste Woche soll mit dem ersten Aushub begonnen werden; mit der eigentlichen Sanierung der Deponie wird im nächsten Jahr gerechnet.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2023, Seite 6, Foto: Landratsamt Kitzingen studio zudem / abfallbild.de)