Neue GAIA-Studie: Zero Waste-Kommunen schaffen neue Arbeitsplätze
Recycling und Verbrennung sind in der Europäischen Union auf dem Vormarsch, während die Deponierungen nachlassen. Eine neue Studie belegt, dass Abfallvermeidung zusätzlich ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt verspricht.
Deponiemengen rückläufig
Nach neuesten Angaben von Eurostat trug jeder Europäer im Jahr 2019 zu den rund 225 Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen durchschnittlich 502 Kilogramm bei. Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg damit gegenüber 2018, als der Durchschnittswert noch bei 494 Kilogramm lag, sank jedoch gegenüber 2008, als noch 518 Kilogramm zu Buche schlugen.
Mit 844 Kilogramm (kg) produzierten die Dänen 2019 die meisten Kommunalabfälle innerhalb der EU-Mitgliedstaaten, gefolgt von Luxemburg mit 791 kg, Malta mit 694 kg, Zypern mit 642 kg und Deutschland mit 609 kg. In allen anderen EU-Nationen lagen die Pro-Kopf-Abfallmengen unter 600 kg. Der relativ geringste Abfall fiel in Ungarn (387 kg), Estland (369 kg), Polen (336 kg) und Rumänien (280 kg) pro Kopf an. Andere Zahlen legen nahe, dass die Recyclingmenge von 1995 bis 2019 von 87 auf 239 kg pro Kopf anwuchs. Die Abfallmenge, die in den Verbrennungsanlagen behandelt wurde, stieg im gleichen Zeitraum von 70 auf 134 kg, während sich die Deponiemengen von rund 120 kg pro Kopf auf etwa die Hälfte reduzierten.
Längere Materialnutzung ist hilfreich
Dennoch müssen die Abfallmengen in Europa weiterhin reduziert werden, um die Ressourcenziele der Europäischen Union zu erreichen. Hierbei könnte ein bewussterer Umgang mit und eine längere Nutzung von Materialien, wie ihn die Zero Waste-Vorgehensweise vorsieht, hilfreich sein. Zero Waste gilt als ein umfassender Ansatz zur Abfallbewirtschaftung, der Abfallreduktion und Materialrückgewinnung priorisiert und auf eine Kreislaufwirtschaft abzielt. Seine Umsetzung hätte nicht nur positive Auswirkungen auf die Abfallquoten, sondern auch auf den Arbeitsmarkt. Das macht eine neue, von der Global Alliance for Incinerator Alternatives (GAIA) veröffentlichte Studie deutlich.
Potenzial für 2,9 Millionen neue Jobs
Die Studie verglich die Erkenntnisse bisheriger Untersuchungen über den Einfluss verschiedener Komponenten von Zero Waste auf den Arbeitsmarkt mit Daten über die vergleichbaren Auswirkungen von Deponien und Verbrennungsanlagen. Diese Ergebnisse verbunden mit Angaben aus einer Anzahl von Großstädten weltweit dienten schließlich dazu, das Arbeitsbeschaffungs-Potenzial von Zero Waste je Stadt zu veranschlagen.
Folgt man der Schätzung der C40 Cities Climate Leadership Group – einer internationalen Gruppe von 97 Städten, die ein Zwölftel der Weltbevölkerung und ein Viertel der Weltwirtschaft repräsentiert –, so besitzt der Abfallwirtschafts-Sektor insgesamt ein Potenzial, um 2,9 Millionen neuer Arbeitsplätze alleine in ihren 97 Mitgliedstädten zu schaffen.
Abfallvermeidung an erster Stelle
„Die besten Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen sind genau diejenigen, die die besten Umweltergebnisse liefern, während die umweltschädlichsten Maßnahmen die wenigsten Arbeitsplätze schaffen“, lässt sich die GAIA-Studie zusammenfassen. Anders ausgedrückt: Das Jobpotenzial ist am höchsten, je höher die Arbeit in der Abfallhierarchie angesiedelt ist. Dabei steht die Vermeidung von Abfällen an erster Stelle, gefolgt von Reparatur, Recycling, (energetischer) Verwertung und zuletzt der Abfallbeseitigung.
Im Einzelnen bedeutet das, dass im Reparatursektor durchschnittlich 404 Arbeitsplätze je anfallender 10.000 Tonnen jährlich gebraucht werden, da hier eine hohe Arbeitsintensität vonnöten ist. Darüber hinaus bietet dieser Bereich wichtige Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung, darunter Training für Freiwillige und Helfer für gemeinnützige Zwecke, niedrige wirtschaftliche und technische Barrieren für den Zugang, Selbstständigkeit für kleine Unternehmen und der Zugang von kostengünstigen, wiederaufbereiteten Waren für Konsumenten mit schmalem Budget.
Halb- oder vollmechanisiertes Recycling?
Der Recyclingsektor lässt sich in zwei Bereiche teilen. Der erste wird als „halb-mechanisiert“ charakterisiert und beschreibt die Arbeit von Abfallsammler-Kollektiven oder lokalen Unternehmen, die frühere Abfallsammler für Sammlung, Transport, Sortierung, Verpackung oder Vorbereitung zur Wiederaufarbeitung beschäftigen – also in etwa dem informellen Sektor, in dem weltweit zwischen 12,5 und 56 Millionen Menschen tätig sind. In diesem Bereich würde ein höheres und sichereres Einkommen nicht nur die Armut verringern, sondern auch die Situation der Kinder verbessern, indem sie nicht mehr für das Familienbudget beitragen müssten. Im „halb-mechanisierten“ Sektor besteht eine durchschnittliche Arbeitsintensität von 321 Arbeitsplätzen je jährlich anfallender 10.000 Tonnen. Der zweite, „mechanisierte“ Recyclingbereich hingegen benötigt lediglich 17 Jobs pro 10.000 Tonnen, weil hier Arbeitsqualitäten und Durchschnittseinkommen höher als im Entsorgungssektor liegen, da die Tätigkeiten verschiedene weiterreichende Fähigkeiten erfordern.
Wichtig: Wiederaufbereitung
Für Wiederaufbereitung veranschlagt die GAIA-Studie einen durchschnittlichen Bedarf von 51 Arbeitskräften pro 10.000 Tonnen per anno, um Papier oder Aluminium zu Rohmaterial für die Herstellung von Konsumgütern zu bearbeiten. Allerdings schwankt hier die Bandbreite zwischen acht Arbeitsplätzen zur Aufbereitung von Zeitungspapier und 160 Jobs bei der Behandlung von Textilien. Für das Kompostieren werden durchschnittlich 6,6 Arbeitsplätze pro 10.000 Tonnen jährlich beansprucht. Auch hierbei reicht die Spannweite von 2,7 Jobs in hoch-mechanisierten Kompostieranlagen bis zu 14 Arbeitsplätzen in standardisierten Behandlungsanlagen oder solchen mit Einbezug von Abfallsammlung und Produktverkäufen. Trotz geringer Zahl an Arbeitsplätzen sind diese Bereiche wichtig, da sie Über-Kreuz-Verunreinigungen von Abfallströmen verhindern und klimatechnisch Vorteile durch die Vermeidung von Methangasen aus Deponien bieten.
Laut Studie schafft Deponierung mit die wenigsten Arbeitsplätze: Hier schwankt der Bedarf zwischen einer Arbeitsstelle pro 10.000 Tonnen jährlich und 2,8 Arbeitsplätzen für Tätigkeiten bei Abfall-Sammlungen und -Transporten zu Deponien. Und auch Müllverbrennungsanlagen bieten kaum ständige Beschäftigungen: Hier liegt der Durchschnitt bei 1,7 Jobs, wobei eine Anlage in Südafrika lediglich 0,7 Stellen je 10.000 Tonnen per anno anbietet.
10 bis 60 neue Stellen pro eingesparten Job
Auf ausgewählte Städte weltweit angewandt, legen die Zahlen der Studie nahe, dass Recycling, Wiederaufbereitung und Kompostierung Tausende neuer Arbeitsstellen quer durch all diese Kommunen schaffen kann. Die Zunahme von Jobs im Szenario „hohe Rückgewinnungsquoten“ ist teilweise dramatisch in Städten mit aktuell geringen Recyclingraten und der Nutzung von halb-mechanischem Recycling. Außerdem variieren die Ergebnisse je nach dem gesammelten Abfallaufkommen der jeweiligen Kommune. Städte mit geringen Sammelquoten könnten größere Arbeitsplatzgewinne erwarten, wenn die städtischen Abfalldienstleistungen ausgeweitet werden. Und während der Übergang zum Szenario mit hohen Rückgewinnungsquoten zu weniger Arbeitsplätzen für Deponierung und Verbrennung führt, zeigt die Analyse, dass zwischen zehn und 60 neue Stellen in den Bereichen Kompost, Recycling und Wiederaufbereitung für jeden einzelnen der eingesparten beziehungsweise verloren gegangenen Jobs entstehen.
Gelder in Zero Waste-Städte leiten
Für Dhaka in Bangladesch würde das beispielsweise eine Zunahme um 5.300 Arbeitsplätze im halb-mechanisierten Recycling und insgesamt um über 6.500 neue Arbeitsplätze netto (nach Abzug weggefallener Jobs) bedeuten. London bekäme 1.800 neue Arbeitsplätze im hoch-mechanisierten Recycling, 3.000 Stellen mehr zur Wiederaufbereitung und insgesamt 5.000 zusätzliche Netto-Arbeitsplätze. Und das brasilianische Sao Paulo bekäme über 30.000 neue Mitarbeiter für das halb-mechanisierte Recycling und rund 37.000 neue Netto-Arbeitsstellen.
Somit kommt die Studie zum Schluss: „Indem sie Gelder für die Material-Rückgewinnung in die Schaffung von Zero Waste-Städten leiten, können Regierungen weltweit Umweltverschmutzung stoppen, wünschenswert langfristige Beschäftigungen einrichten und gerechtere Ökonomien schaffen. Zero Waste-Lösungen weisen einen Weg für eine angemessene Wiedergewinnung, die finanziell, sozial und ökologisch realisierbar ist.“
Die Studie kann unter https://zerowasteworld.org/wp-content/uploads/Jobs-Report-ENGLISH-2.pdf heruntergeladen werden.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2021, Seite 26, Foto: venimo / stock.adobe.com)